Die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckende Werft German Naval Yards Kiel (GNYK) soll nach Angaben des schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministers Bernd Buchholz einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) des Bundes erhalten. Der Bescheid sei nach Angaben des Koordinators der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, Norbert Brackmann, am Dienstag unterschrieben worden, sagte Buchholz am Vormittag bei einer Demonstration der IG Metall.
Zur Rettung der der in ihrer Existenz gefährdeten Werften in Norddeutschland hatte die IG Metall zu einer Kundgebung vor dem Kieler Landeshaus aufgerufen – fast 300 Beschäftigte aus Werften und Zulieferbetrieben demonstrierten für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. So haben zahlreiche Werften – darunter auch die GNYK – den Abbau von Personal angekündigt.
Die Bundesregierung habe den militärischen Schiffbau zwar als Schlüsseltechnologie eingestuft, dieser Beschluss müsse aber auch umgesetzt werden, forderte Buchholz. „Es darf nicht bei einem Lippenbekenntnis in Berlin bleiben.“ Aufträge ins europäische Ausland zu vergeben oder europäisch auszuschreiben, sei mit diesem Grundsatzbeschluss nicht vereinbar, betonte der FDP-Minister. Aus diesem Grund hätten der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und der Erste Bürgermeister von Hamburg einen gemeinsamen Brief an die Verteidigungsministerin geschrieben und darin zum Ausdruck gebracht, dass man nicht bereit sei, diese Praxis zu akzeptieren. Laut Buchholz sollen diese Aufträge für die Auslastung der deutschen Werften genutzt werden.
Buchholz für eine große Marinewerft
Zugleich forderte Buchholz eine weitere Konzentration des Marineschiffbaus im Land. Die Werften German Naval Yards, ThyssenKrupp Marine Systems und Lürssen – zu der Blohm + Voss gehört – hätten allein im militärischen Schiffbau keine Zukunft. „Da muss es einen großen Anbieter geben“, sagte der Wirtschaftsminister. „Dann schaffen wir auch innovativ die Auslastung der Werften insgesamt.“ Im Mai hatten GNYK und Lürssen eine Fusion angekündigt. Ob es bei den Gesprächen irgendwelche Fortschritte gibt, ist bislang nicht öffentlich bekannt.
Die IG Metall befürchtet den Verlust eines Drittels der rund 18.000 Arbeitsplätze der Werften. Die Substanz der maritimen Wirtschaft sei im ganzen Norden, aber auch gerade in Schleswig-Holstein gefährdet, sagte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste. Neben Buchholz und SPD-Landtagsfraktionschef Ralf Stegner bekannte sich auch SSW-Chef Lars Harms zum Schiffbau als eine Kern- und Zukunftsindustrie im Norden. Wie ein roter Faden zog sich durch alle Redner-Beiträge die Forderung nach mehr öffentlichen Aufträgen für Behördenschiffe und die Marine hindurch.
Der mehr als fünf Milliarden Euro umfassende Auftrag für das deutsche Mehrzweckkampfschiff MKS 180 war im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung an die niederländische Damen-Werft gegangen. Gebaut werden sollen die Schiffe – unter Federführung der Niederländer – bei Blohm + Voss in Hamburg. Allerdings dürfte noch einige Zeit vergehen, bis das Projekt große Beschäftigungswirkungen entfaltet. Insider gehen davon aus, dass ein Baubeginn nicht vor 2024 realistisch ist.
„Briefe sind genug geschrieben. Jetzt brauchen wir endlich Klarheit über Aufträge der Marine und anderer Behörden, um den Schiffbau in Schleswig-Holstein und im Norden zu retten“, sagte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste, bei der Kundgebung am Landeshaus. „Da braucht es mehr Druck von Kiel in Richtung Berlin.“
Laut Mitteilung der Gewerkschaft forderte Friedrich Ministerpräsident Daniel Günther auf, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zu einem Spitzengespräch mit Arbeitgebern und IG Metall nach Kiel zu holen. „Gemeinsam mit Bund und Land müssen wir nach Lösungen suchen, um die Substanz des auch für die Marine wichtigen Schiffbaus zu erhalten.“
lah/12/28.10.2020