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76-mm-Geschütz und RAM – Niederlande konkretisieren Modernisierung der Nahbereichsverteidigungssysteme

Waldemar Geiger

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Die Schiffe der Königlich Niederländischen Marine sollen beginnend ab 2028 neue Nahbereichsverteidigungssysteme für die Abwehr von Bedrohungen aus der Luft erhalten. Wie aus einem Kammerbrief des Verteidigungsstaatssekretärs Christophe van der Maat an das niederländische Parlament hervorgeht, hat das niederländische Verteidigungsministerium (Ministerie van Defensie) die 2021 vorgelegten Pläne für den Ersatz der derzeitigen Nahbereichsverteidigungssysteme (Close-in Weapon System – CIWS) vom Typ Goalkeeper mit einer leistungsfähigeren CIWS-Architektur konkretisiert.

Den Plänen von Defensie zufolge sollen die zukünftigen Luftverteidigungsfregatten sowie die derzeit in Zulauf befindlichen U-Jagd-Fregatten und das Combat Support Ship (Einsatzgruppenversorger – CSS) mit neuen Verteidigungssystemen – bestehend aus einem neuen Radar, einem 76-mm-Geschütz sowie einem RAM-Werfer – ausgerüstet werden. Auch zwei der aktuell in Nutzung befindlichen Luftverteidigungsfregatten sowie das Joint Support Ship (JSS – Einsatztruppen-Unterstützungsschiff) werden modernisiert, wobei die beiden Luftverteidigungsfregatten, die noch bis Mitte der 30er Jahre im Dienst verbleiben sollen, aus Platzgründen nur den RAM-Werfer erhalten werden.

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Absicht der Niederlande ist es dem Brief zufolge, das Ende der 70er Jahre entwickelte Goalkeeper-System – dabei handelt es sich um eine radargesteuerte Schnellfeuerkanone im Kaliber 30 x 173 mm durch eine Kombination mehrerer komplementärer Systeme zu ersetzen.

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Der Bedarf dafür wird mit der wachsenden Bedrohung von Marineschiffen durch Anti-Schiffs-Raketen und Drohnen begründet. „Die Bedrohung für Marineschiffe wächst und wird immer vielfältiger. Moderne Anti-Schiffs-Raketen fliegen schneller als der Schall und können unvorhersehbare Flugmuster fliegen. Darüber hinaus besteht eine Bedrohung durch einfachere Anti-Schiffs-Raketen, die immer mehr Ländern und bewaffneten Gruppen zur Verfügung stehen, wie die jüngsten Angriffe von Houthi-Einheiten auf zivile Schiffe im Roten Meer zeigen“, schreibt der Verteidigungsstaatssekretär an das Parlament. „Mit der Zeit ist mit einer Verbreitung sowohl fortschrittlicher als auch einfacher Anti-Schiffs-Raketen zu rechnen. Darüber hinaus stellen auch Flugzeuge, Hubschrauber sowie Drohnen eine Bedrohung dar. Defensie braucht Waffensysteme für Marineschiffe, die dieser veränderten Bedrohung gewachsen sind“, heißt es in dem Brief weiter.

Die Vertragsgrundlagen für die im Zeitraum 2028 bis 2032 vorgesehene Einrüstung der neuen Systeme sollen Anfang 2025 vorliegen. Für die Modernisierung der oben beschriebenen Flottenteile sollen insgesamt acht Unterverträge mit drei verschiedenen Herstellern geschlossen werden. Die Architektur der zukünftigen Nahbereichtsluftverteidigungssysteme sieht Defensie zufolge wie folgt aus:

  • Das erste Waffensystem ist die Kombination der 76-mm-Kanone mit den radargesteuerten DART-Granaten (beides von Leonardo). Mit Hilfe des neuen Pharos-Radars von Thales NL werden diese Granaten zum Ziel geführt. Die 76-mm-Kanone kann jedoch auch klassische ungelenkte Munition verschießen.
  • Das flugkörperbasierte Nahbereichsverteidigungssystem vom Typ RIM-116 Rolling Airframe Missile (RAM) von Ramsys bildet das zweite Waffensystem.

76-mm-Kanone

Bei dem 76-mm-Geschütz dürfte es sich um die Sovraponte-Kanone von Leonardo handeln. Diese bildet die neueste Entwicklungsstufe des vollautomatischen einsatzerprobten OTO 76/62 Schiffsgeschützes und basiert auf der Super Rapid Variante. Das niederländische Verteidigungsministerium hat bereits drei solcher Geschütze für die zwei neuen U-Jagd-Fregatten sowie das CSS bestellt. Gegenüber der Super Rapid verfügt die Sovraponte über verbesserte Tarnkappeneigenschaften. Zudem wird der komplette aus 76 Granaten bestehende Munitionsvorrat direkt unter dem Geschütz untergebracht, so dass keine Deckendurchbrüche für die Integration der Kanone notwendig sind.

Die Niederlande hat bereits drei Sovraponte-Geschütze bestellt. (Bild: Defensie)

Das rund 8 Tonnen schwere Geschütz ist neben der Luftverteidigung auch für den konventionellen Beschuss von Bodenzielen einsetzbar. Die Reichweite des Geschützes wird abhängig von der Munitionssorte mit bis zu 40 Kilometern angegeben, wobei die maximale Zielentfernung mit konventionellen Granaten 16 Kilometern beträgt. Zu Abwehr von Luftzielen kommt die sogenannte DART-Granate (Driven Ammunition with Reduced Time of Flight) zum Einsatz. Dabei handelt es sich um ein radargesteuertes unterkalibriges Geschoss mit einer effektiven Reichweite von bis zu 8 Kilometern. Die hohe Anfangsgeschwindigkeit von 1.200 m/s, ermöglicht es der Granate, auch weite Distanzen in kürzester Zeit zurückzulegen. So kann die DART-Munition die ersten 5 Kilometer in 5 Sekunden zurücklegen. In Kombination mit der Radarführung und der Schnellfeuerkadenz der Sovraponte-Kanone von 120 Schuss pro Minute können auch schnell anfliegende Ziele mit dem System bekämpft werden. Leonardo preist das System als kostengünstige Alternative zum Lenkflugkörpereinsatz an.

Die Führung der Sovraponte-Kanone soll mittels des Pharos-Radars von Thales NL erfolgen. Das Pharos ist Thales zufolge ein Multi Target Tracking Radar zur Steuerung von Geschützen und Kurzstreckenflugabwehrraketen. Seine elektronische Strahlsteuerung ermöglicht zahlreiche operative Funktionen wie die Verfolgung mehrerer Ziele und die integrierte Steuerung von Lenkmunition.

RIM-116 Rolling Airframe Missile

Die flugkörpergestützte Nahbereichsflugabwehr soll mittels eines RAM-Werfers erfolgen. Dazu muss Defensie zufolge ein Beschaffungsvertrag mit der RAM-System GMBH (RAMSYS), einem Joint Venture aus Diehl Defence, MBDA Deutschland und Raytheon Missile & Defence, geschlossen werden.

RAM Block 2B (Bild: U.S. Navy)

Auch wenn der Flugkörper an sich in dem Schreiben nicht definiert wurde, dürfte es sich um die moderne Ausführung des Typs RAM Block 2B handeln, wie sie auch von der Deutschen Marine beschafft wurden. Der Verschuss der RAM Block 2B erfolgt über die Einsatzbewährten Startanlagen vom Typ MK-49, welche bis zu 11 Flugkörper aufnehmen können.

Bei dem Block-2B-Flugkörper handelt es sich mittlerweile um die 6. Generation des seit über 40 Jahren in Nutzung befindlichen Flugabwehrsystems. Gegenüber seinem Vorgänger verfügt der RAM Block 2B über einen neu entwickelten Infrarot-Suchkopf, einen leistungsgesteigerten Radarsuchkopf sowie einen „Missile to Missile Link“, was die Treffergenauigkeit des Systems noch weiter verbessern soll. Der Link ermöglicht den Datenaustausch zwischen den Flugkörpern im Salveneinsatz.

Waldemar Geiger