Der niederländische Verteidigungs-Staatssekretär Christophe van der Maat hat heute auf dem Marinestützpunkt in Den Helder die französische Werft Naval Group als Gewinner für den Bau neuer Unterseeboote für die niederländische Marine als Nachfolger der Walrus-Klasse offiziell bekanntgegeben. Erste Gerüchte über den Zuschlag an die französische Werft sind bereits seit mehreren Tagen in Branchenkreisen kursiert, hartpunkt berichtete. Es handele sich um eine vorläufige Vergabeentscheidung nach einem sorgfältigen Ausschreibungsverfahren, heißt es in einer Mitteilung des niederländischen Verteidigungsministeriums.
Naval sei es gelungen, ein ausgewogenes, vielseitiges und realistisches Angebot zu unterbreiten, betonte Van der Maat. Die Werft habe auch eine wichtige Rolle für die niederländische Industrie bei Bau und Wartung vorgesehen – eine Schlüsselanforderung bei dieser Vergabe. Bereits im Vorfeld war bekannt, dass Naval Group zusammen mit dem niederländischen Unternehmen Royal IHC als Bieter für die Nachfolge der Walrus-Klasse ins Rennen gegangen. Dazu haben Naval Group und Spezialschiffbauer (Entwicklung und Bau von Spezialgeräten und Ausrüstung für die Offshoreindustrie) Royal ICH 2019 eine Kooperationsvereinbarung gezeichnet, wonach das niederländische Unternehmen dem Vernehmen nach Bau und Ausstattung der U-Boote nach französischem Design übernehmen würde. Naval Group ist Beobachtern zufolge mit einer Modifikation der Barracuda-Klasse mit konventionellem Antrieb ins Rennen um die Walrus-Nachfolge gegangen. Bei dem Originaldesign der Barracuda handelt es sich um ein nuklear angetriebenes Jagd-U-Boot der französischen Marine.
Wie es in der heutigen Mitteilung des niederländischen Verteidigungsministeriums heißt, stellen die vier neuen Boote eine große Verbesserung für die Marine hinsichtlich des Designs und einer Reihe anderer Aspekte dar. So sollen sie neben dem Absetzen von Spezialkräften und dem Einsatz von Torpedos über die Fähigkeit verfügten, Marschflugkörper zu verschießen. Das niederländische Verteidigungsministerium plant unter anderem die Beschaffung von Tomahawk-Lenkflugkörpern sowohl für die neue U-Boote als auch die zukünftigen Luftverteidigungsfregatten.
Laut Ministerium wird die neue U-Boot-Klasse mit den neuesten Sensoren und Kommunikationssystemen noch besser als ihre Vorgänger in der Lage sein, Informationen zu sammeln, zu analysieren und weiterzugeben. Wie es weiter heißt, verfügen die Boote dank moderner Batterietechnologie über eine größere Energiekapazität. Dadurch können sie länger unter Wasser bleiben, ohne durch Schnorcheln die Batterien mit Dieselmotoren aufzuladen.
Wie die Walrus-Klasse seien die neuen U-Boote weltweit für verschiedene Arten von Missionen einsetzbar. Wie ihre Vorgänger sind auch die neuen Unterwasserbote relativ klein, um auch in flachen Gewässern operieren zu können. Trotzdem erlaube es ihre Größe, auch über längere Zeiträume hinweg unabhängig von der Heimat zu operieren. Diese Kombination sei selten und verschaffe den niederländischen U-Booten ein hohes Ansehen innerhalb der NATO.
Vorläufige Vergabeentscheidung
In den vergangenen Monaten hat das Verteidigungsministerium die Angebote ausgewertet. Weitere Anbieter waren tkMS aus Deutschland sowie Damen Naval/Saab. Das Ergebnis der Angebotsauswertung habe den vorläufigen Gewinner hervorgebracht. Nach Prüfung der Angebotsauswertung im Abgeordnetenhaus solle der Liefervertrag unterzeichnet werden, heißt es in der Mitteilung.
Das niederländische Ministerium für Wirtschaft und Klima (EZK) habe die Vorschläge für ein Abkommen über industrielle Zusammenarbeit (ICA) bewertet. Ziel des Abkommens sei die Stärkung der niederländischen technologischen und industriellen Basis (NLDTIB), die aus rund 1.000 Unternehmen bestehe. Wichtig ist, dass mit der siegreichen Werft eine Vereinbarung über das ICA getroffen wird, wie es heißt. Dies sei eine Bedingung für den Zuschlag.
Außerdem wird den Angaben zufolge eine Absichtserklärung (MoU) zwischen der niederländischen Regierung und Frankreich geschlossen. Diese enthalte Vereinbarungen über Nutzerrechte, die Informationssicherheit und den Wissensaustausch.
Mit der Marine wurde den Angaben zufolge vereinbart, dass sie die ersten beiden neuen U-Boote innerhalb von zehn Jahren nach Unterzeichnung des Liefervertrags ausliefern wird. Das Verteidigungsministerium habe Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass die im Einsatz befindlichen U-Boote der Walrus-Klasse bis Mitte der 30er Jahre sicher fahren können. Zwei der vier Boote werden den Planungen zufolge schrittweise aus dem Verkehr gezogen. Dadurch bleiben Ersatzteile für die verbleibenden Boote verfügbar, die mit zunehmendem Alter mehr Wartung benötigen.
Gemeinsam mit dem jüngsten Matrosen und dem jüngsten Offizier des U-Boot-Dienstes enthüllte Van der Maat die Namen der neuen U-Boote. Sie heißen „Zijner Majesteits Orka, Zwaardvis, Barracuda und Tijgerhaai“, ins Deutsche Übersetzt sind es die Boote seiner Majestät Orka, Schwertfisch, Barrakuda und Tigerhai.
„Wir bedauern, dass thyssenkrupp Marine Systems den Zuschlag für das Walrus U-Boot Programm nicht erhalten hat und dass sich die Niederlande mit dieser Entscheidung gegen eine Beteiligung im 212CD-Programm und damit gegen eine europäische Zusammenarbeit und die Standardisierung von Verteidigungsmaterial und -technologie entschieden haben“, schreibt tKMS in einem Statement. „Wir gratulieren Naval Group zu ihrem erfolgreichen Angebot und werden den Niederlanden auch weiterhin ein zuverlässiger Partner für die aktuellen und zukünftigen Bedarfe der Königlichen Niederländischen Marine und der niederländischen Regierung sein, sei es im Bereich der U-Boote oder der Überwasserschiffe.“
Nach Ansicht des deutschen Werftkonzerns hätten die Niederlande mit dem bereits verfügbaren U-Boot-Design 212CD und dank der Kooperation mit Deutschland und Norwegen nicht nur von Kosteneffizienzen profitiert, sondern auch einen rechtzeitigen Ersatz für die U-Boote der Walrus-Klasse ermöglicht.
„thyssenkrupp Marine Systems ist als Weltmarktführer im Bereich der konventionellen U-Boote für die nächsten Jahre gut aufgestellt und die Auftragsbücher sind gut gefüllt“, heißt es weiter. Die aktuelle Entscheidung im U-Boot-Programm der Niederlande habe weder Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation noch auf strategische Entscheidungen bei thyssenkrupp Marine Systems.
Der Fokus werde weiterhin auf die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen europäischen Ländern im Unter- und Überwasserbereich gerichtet sein, so tkMS. „Wir sind die Einzigen, die beides in Deutschland unter einem Dach haben und damit das Potenzial bieten, europäischer Champion zu werden. Die Verselbstständigung von Marine Systems ist dabei der Ausgangspunkt für eine nationale und europäische Konsolidierung.“
lah