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Wird das Mehrzweckkampfschiff 180 überdimensioniert?

Eigentlich wollte die Bundeswehr nach Aussage des Verteidigungsministeriums in Zukunft auf so genannte Goldrandlösungen verzichten, um Rüstungsprojekte im geplanten Zeit- und Kostenrahmen zu realisieren. Ob dieses Ziel jedoch auch für das neue Mehrzweckkampfschiff 180  gilt, halten Beobachter für fraglich.

Denn die Schiffe haben im Entwurfsstadium offenbar eine Größe erreicht, die sie zu den größten Kampf-Einheiten machen würde, die die Marine seit dem Zweiten Weltkrieg beschafft hat. Gut informierten Kreisen zufolge soll die projektierte Verdrängung der MKS 180  laut Planungen der drei bietenden Konsortien in einer Größenordnung zwischen 9.500 bis rund 11.000 Tonnen und einer Länge bis zu 170 m liegen. Das wäre ungefähr die Klasse oder sogar darüber, in der sich die US-Ticonderoga-Kreuzer befinden. Eine MKS 180 würde damit mehr verdrängen als ein ganzes Los von Korvetten des Typs K130.

Bleibt es bei den Entwürfen, würde die deutsche Marine ein Schiff erhalten, das aufgrund der Größe, Komplexität und wahrscheinlich auch Kosten auf Auslandsmärkten kaum zu verkaufen sein dürfte. Die Aufwendungen für Konzeption und Entwicklung müssten somit auf die wenigen deutschen Einheiten – gegenwärtig sind bis zu sechs geplant – umgelegt werden. Andere Marinen, wie etwa die französische, achten dagegen darauf, dass ihre Schiffsentwürfe auch exportfähig sind. Das spart langfristig Kosten und hilft der nationalen Werftindustrie. Und selbst Großbritannien will neuerdings mit der preiswerten Klasse Type 31E ein Schiff einführen, das speziell mit Blick auf Auslandsmärkte entwickelt wird.

Keine internationale Kooperation

Dabei hätte es nach Expertenaussagen durchaus die Möglichkeit gegeben, beim MKS 180 mit den Niederlanden zu kooperieren – ähnlich wie seinerzeit bei den Fregatten der Bremen-Klasse. Die Marinestreitkräfte des Nachbarlandes haben aber offenbar schon frühzeitig klar gemacht, dass sie deutlich kleinere Einheiten beschaffen wollen. Angeblich war von niederländischer Seite auch keine allzu große Bereitschaft vorhanden, Know-how zu teilen.

Auch die Zusammenarbeit mit Großbritannien, das neue Fregatten vom Type 26 einführen wird, ist offenbar von deutschen Planern erwogen worden. Vor diesem Hintergrund kann die Kooperation zwischen German Naval Yards Kiel (GNYK) als Hauptbieter und dem britischen Schiffbauer BAE Systems gesehen werden. Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, gehen beide Unternehmen jedoch mittlerweile getrennte Wege. Dem Vernehmen nach soll den Briten bitter aufgestoßen sein, dass sich die deutschen Beschaffer nach anfänglichem Interesse an einer  möglichst hohen Design-Übereinstimmung zwischen Type 26 und MKS 180 wieder verstärkt auf deutsche Sonderlösungen fokussiert haben. Den Kreisen zufolge arbeitet GNYK deshalb bereits  mit dem US-Engineering-Unternehmen Alion zusammen. Alion hat nach eigenen Angaben umfangreiche Erfahrungen mit  Bauvorhaben von Großkampfschiffen der US-Navy.

U-Boot-Jagd eine wichtige Aufgabe

Die Größe des MKS 180 dürfte jedoch kein Selbstzweck sein, sondern ist den umfangreichen Fähigkeiten geschuldet, über die das Schiff verfügen soll. Eine Hauptaufgabe wird nach Aussage der Marine die U-Boot-Bekämpfung sein – im Verbund mit Hubschraubern, Seefernaufklärern und eigenen U-Booten. Dazu müssen dem Vernehmen nach spezielle Vorrichtungen für ein Schleppsonar entwickelt werden. Allerdings scheint ein Bugsonar nicht vorgesehen zu sein, weil dies der geforderten Eisklasse entgegenstehen würde.

Im Gegensatz zu den in punkto Luftverteidigung nur schwach mit RAM bewaffneten Fregatten 125 wird die MKS 180 über die Fähigkeit für ein Second Layer Air Defence verfügen. Dafür soll die in Entwicklung befindliche Schiff-Luft-Rakete ESSM Block 2 eingerüstet werden. Trotz ihrer Größe werden die Schiffe offenbar über keine Anfangsbefähigung zur Abwehr ballistischer Raketen verfügen. Erst vor wenigen Monaten hatte das BMVg das Radar TRS-4D von Hensoldt als Weitbereichssensor festgelegt. Der aus dem Airbus-Konzern ausgegründete Sensor-Hersteller hat nach eigenen Angaben auch ein Feuerleitradar für die MKS in der Planung.  Ob der Kunde diese Lösung wählt, scheint gegenwärtig jedoch noch offen zu sein.

Als Waffe für die See- und Landzielbekämpfung  wurde in der Folge des U-Boot-Geschäftes mit Norwegen nach einigen Irritationen der Flugkörper Naval Strike Missile (NSM) von Kongsberg ausgewählt. Eine moderne Variante mit einem in seiner Sprengwirkung skalierbaren Gefechtskopf wird nach Einschätzung des Sprengkopfherstellers TDW bereits auf den ersten MKS 180 in den Einsatz kommen.

Skalierbarer Flugkörper sinnvoll?

Dabei stellt sich für Beobachter die Frage, welchen Sinn die Skalierbarkeit eines Flugkörpers gegen Seeziele haben soll. Denn auf See dürften im Gegensatz zu einem Landziel kaum Kollateralschäden an unbeteiligten Personen zu erwarten sein. Für die Bekämpfung von Landzielen mit der – zumindest im Augenblick noch – in ihrer Reichweite beschränkten NSM wäre die MKS 180 jedoch vermutlich nicht die optimale Plattform. Denn aufgrund ihrer Größe würde sie in Küstennähe ein hervorragend aufzuklärendes Ziel für die in den vergangenen Jahren deutlich verbesserten landbasierten Abwehrsysteme bieten. Eine Alternative wäre allerdings, als Plattform für die NSM die Bordhubschrauber zur Reichweitensteigerung zu nutzen.

Gegebenenfalls könnte die Panzerung des Schiffs erhöht werden, um die Resilienz in küstennahen Operationen zu erhöhen. Das würde allerdings das Gewicht, das durch zahlreiche automatische Systeme zur Personaleinsparung bereits erheblich sein dürfte, weiter erhöhen. Je größer und teurer ein Schiff, desto wahrscheinlicher ist es, dass nur eine begrenzte Zahl davon gebaut werden kann. Die Design-Entscheidungen für die MKS 180 wurden in Zeiten eines offenbar schnell wachsenden Verteidigungsbudgets getroffen. Das muss allerdings nicht so bleiben. Und dann ist es fraglich, ob alle sechs Schiffe wie geplant realisiert werden.

Sollte jedoch kurzfristig  von den drei Bietern gefordert werden, wieder Fähigkeiten abzuspecken, dürfte das zur zeitlichen Streckung führen – wie offenbar durch die nachträgliche Auswahl des Hensoldt-Radars bereits geschehen. Unabhängig davon rechnen Insider bereits mit der Verschiebung der Angebotsabgabe, die im Augenblick kurz vor dem Jahreswechsel terminiert ist, ins Jahr 2018.

Die Kosten des bereits Jahre dauernden Beschaffungsprozess  für die drei Bieter dürften bereits erheblich sein. Ob sie weitere Verzögerungen einfach hinnehmen würden, bleibt abzuwarten. Schon gibt es  vor dem Hintergrund des angestrebten Aufbaus eines staatlich kontrollierten italienisch-französischen Marinegiganten Forderungen, alle drei Bieter am Bau der Mehrzweckkampfschiffe zu beteiligen.

Und nicht zuletzt ist auch die politische Dimension neuer Schiffe  in Kreuzergröße nicht zu vernachlässigen. Schließlich sitzen im Bundestag Parteien, die eine moderne und quantitativ umfassende Ausstattung der Bundeswehr äußerst kritisch sehen. So war vor einigen Monaten selbst aus der großen Koalition zu hören, dass Deutschland die projizierten zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht für Verteidigung ausgeben könne, da gar keine Liegeplätze für eigen Flugzeugträger zur Verfügung stünden  – und diese Schiffe sind nicht unbedingt viel länger als ein MKS 180.
lah/6.10.17

 

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