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Kritik an Simulatoren-Nutzung und Fregatten-Modernisierung

Der Bundesrechnungshof hat in seinen heute veröffentlichten Bemerkungen für das Jahr 2017 das Verteidigungsministerium wegen der Verschwendung von Steuergeldern bei der Luftwaffe und der Marine kritisiert. So hat die Luftwaffe nach Angaben der Haushaltsprüfer bereits bezahlte Simulatoren-Stunden nicht abgerufen, während die Kosten bei der Modernisierung von Fregatten aus dem Ruder gelaufen seien.

Der Bundesrechnungshof stellt in seinem Bericht fest, dass kein Pilot im Durchschnitt der Jahre 2015 und 2016 mehr als 30 Flugstunden in Simulatoren absolviert hat. „Für das Jahr 2017 planten die Eurofighter-Geschwader bereitstehende und bezahlte Simulator-Stunden nicht mehr vollumfänglich für die fliegerische Ausbildung ein“, heißt es darin weiter. Zudem hätten  nicht genügend Eurofighter für die fliegerische Ausbildung zur Verfügung gestanden.

Im Durchschnitt nur 39 Eurofighter einsatzbereit

Laut dem Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft von Hauptwaffensystemen der Bundeswehr vom Februar verfügte die Luftwaffe  Ende des vergangenen Jahres über 128 Eurofighter. 2017  standen der Luftwaffe durchschnittlich 81 Maschinen dieses Typs zur Verfügung, von denen durchschnittlich 39 einsatzbereit waren. Die geringe Einsatzbereitschaft wird in erster Linie mit einem  umfangreichen Instandhaltungsaufwand und fehlenden Ersatzteilen begründet.

Der Bundesrechnungshof  kommt zu dem Schluss, dass die Pilotinnen und Piloten in der Folge kaum die NATO-Forderung von 180 Flugstunden pro Jahr erfüllten – bis zu 40 Stunden davon können im Simulator absolviert werden. „Fliegerische Fähigkeiten konnten dadurch nur eingeschränkt aufgebaut und erhalten werden“, heißt es in dem Bericht.

„Nach Einschätzung der Luftwaffe können die Eurofighter-Simulatoren die Komplexität des Eurofighter, der Umwelt sowie der Einsatzsituationen nahezu realitätsnah abbilden“, schreiben die Haushaltsprüfer. Die Luftwaffe nutze deshalb für die fliegerische Ausbildung ihrer Pilotinnen und Piloten bei allen vier Eurofighter-Geschwadern Simulatoren.

Das Kommando der Luftwaffe sieht dagegen deutliche Einschränkungen beim Einsatz von Simulatoren: „Maßstab für die Luftwaffe ist die bestmögliche Vorbereitung für die Einsatzerfordernisse, auf die unsere Piloten einen Anspruch haben. Simulatoren sind hierbei eine wichtige Ergänzung, ersetzen jedoch nicht gleichwertig die Realflugstunden wie beispielsweise die hohe körperliche Belastung im Luftkampf“, kommentiert das Kommando die Ausführungen des Rechnungshofes.

Am Beginn jeden Jahres werde ein Plan zur Auslastung der Simulatoren basierend auf einer Prognose der Personalverfügbarkeit entworfen. Dieser unterliege  in der Umsetzung dann ungeplanten und kurzfristigen Änderungen, wie z.B. höher priorisierte Aufgaben, die Abstellung von Personal für Auslandseinsätze, personelle Veränderungen beim fliegenden Personal oder technisch bedingte Umrüstungen der Simulatoren, so das Kommando Luftwaffe. „Sollte eine Abwägung notwendig sein, priorisiert die Luftwaffe in der täglichen Einsatzplanung in der Aus- und Weiterbildung ihrer Besatzungen dann grundsätzlich Realflugstunden höher als Simulator-Flugstunden.“

In der Summe führten diese Faktoren im zugrundeliegenden Betrachtungszeitraum des Bundesrechnungshofes zu einer Auslastung der Simulatoren von 50 bis 60 Prozent, wie die Luftwaffe schreibt. Das erkannte Verbesserungspotenzial werde bei den Planungsabläufen bereits in Teilen umgesetzt, heißt es weiter.

Der Bundesrechnungshof hat nach eigenen Angaben das BMVg aufgefordert, die Kapazitäten in den Eurofighter-Simulatoren bestmöglich für die fliegerische Ausbildung zu nutzen. „Das BMVg sollte bei unzureichender Verfügbarkeit der Eurofighter zumindest anstreben, die von der NATO für anrechenbar erklärten 40 Simulator-Stunden jährlich zu erreichen“, heißt es in dem Bericht.

Probleme bei Modernisierung der F123

Im Fall der Marine bemängelt der Bundesrechnungshof das schlechte Projektmanagement bei der Modernisierung der IT-Systeme von Fregatten der Klasse 123. In der Folge habe sich die Modernisierung um mehrere Jahre verzögert und die  Kosten pro Schiff sich von 6 auf 30 Mio EUR verfünffacht.

Wie es in dem Bericht heißt, steuert die Bundeswehr Sensoren – wie etwa Radaranlagen –  und Waffen auf ihren Schiffen mit IT-Einsatzsystemen. Zivile Auftragnehmer modernisieren diese Einsatzsysteme – in der Fachsprache Führungs- und Waffeneinsatzsysteme oder FüWES – regelmäßig. Bei der Modernisierung habe  die Bundeswehr zahlreiche Fehler im Projektmanagement gemacht. So sei die Leistung nicht hinreichend im Vertrag beschrieben worden, kein effektives  Qualitätsmanagement eingerichtet und wesentliche Bestandteile des Einsatzsystems erst nach der Abnahme getestet worden.

Laut Bundesrechnungshof hatte das BMVg im Jahr 2003 beschlossen, die Einsatzsysteme auf den zwölf Fregatten der Klassen 122 und 123 zu modernisieren und im September 2005 einen Vertrag dafür geschlossen. Demnach sollte der Auftragnehmer die Hardware des Einsatzsystems austauschen und eine neue Software entwickeln und bis 2011 implementieren.

Nach Angaben des Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw wurde der  Vertrag zur Fähigkeitsanpassung FüWES mit dem Firmen-Konsortium „FA FüWES F122/F123“, bestehend aus den Firmen Thales Deutschland GmbH und Thales Nederland B.V., geschlossen. Das für die Bundeswehr neu entwickelte FüWES Sabrina 21 basiert demnach auf dem Tacticos-System von Thales.

Im Jahr 2008 änderten die Bundeswehr und der Auftragnehmer den Vertrag, wie es weiter im Bericht des Rechnungshofes heißt. Statt zwölf Schiffe sollte der Auftragnehmer nur noch die vier Fregatten der Klasse 123 modernisieren. Außerdem vereinbarten die Vertragspartner zusätzliche Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Die Marine stellte 2010 dem Auftragnehmer das erste Schiff für die Arbeiten bereit, dessen FüWES Thales modernisierte und  zur Abnahme vorstellte. Die Bundeswehr prüfte das neue Einsatzsystem anhand der vorab entwickelten Szenarien und nahm im Juli 2011 das Einsatzsystem auf dem ersten Schiff ab. „Damit begann die Gewährleistungsfrist und die Beweislast für alle später festgestellten Mängel ging auf den Bund über“, schreiben die Haushaltprüfer. Die Bundeswehr bezahlte demnach alle für das erste Schiff vereinbarten Leistungen.

Anschließend testete die Marine das neue Einsatzsystem auf dem ersten Schiff unter einsatznahen Bedingungen. „Dabei verwendete sie auch andere als die vom Auftragnehmer entwickelten Szenarien. Diese Einsatzprüfung scheiterte, unter anderem wegen sicherheitsrelevanter Fehler in der Software.“ Daraufhin setzte die Bundeswehr laut Bericht die Modernisierung der Einsatzsysteme auf den drei weiteren Fregatten aus. „Der Auftragnehmer bemühte sich zunächst erfolglos, die Mängel abzustellen. Weitere Einsatzprüfungen in den Jahren 2012 und 2014 scheiterten“, schreiben die Haushaltsprüfer.

Und weiter: „Im Jahr 2013 prüfte die Bundeswehr, ob sie die Modernisierung abbrechen soll. Sie hielt eine Rückabwicklung des Projektes jedoch für aussichtslos.“  Schadenersatzansprüche gegen den Auftragnehmer könne sie nicht geltend machen, weil die Anforderungen an die Software nur unzureichend beschrieben seien und Interpretationsspielräume bei der Umsetzung zuließen. „Die Bundeswehr führte das Projekt daher weiter.“

Keine eigene Software-Kompetenz

Womöglich zeigt die vom Rechnungshof bemängelte Anforderungsbeschreibung an die Software ein bis heute nicht abgestelltes Problem des deutschen Beschaffungswesens. Wie es aus Kreisen tut informierten Kreisen heißt, tut sich das BAAINBw auch bei neuen Vorhaben schwer damit, Leistungsanforderungen präzise zu definieren. Dazu kommt, dass sich die Marine bei der Software-Entwicklung nur auf die Industrie abstützen kann, während beispielsweise die niederländischen See- und Landstreitkräfte eigene FüWes entwickeln konnten.

Nach den Angaben des Rechnungshofes war schließlich die vierte Einsatzprüfung im Mai 2016 erfolgreich. Noch verbliebene Mängel – so genannte Restpunkte – sollen bis zum Jahr 2018 abgestellt werden. Im Lauf der Zeit seien die  Kosten von 69 auf 120 Mio EUR für das Vorhaben gestiegen. „Da die Bundeswehr statt der geplanten zwölf Schiffe nur vier modernisierte, erhöhten sich die Kosten pro Schiff um das Fünffache. Die Bundeswehr konnte den Auftragnehmer dafür nicht belangen, weil sie die Leistung im Vertrag unzureichend beschrieben hatte“, heißt es in dem Bericht. Das BMVg habe  die Fehlentwicklungen überwiegend auf mangelhafte Leistungen des Auftragnehmers zurückgeführt, wolle  sein Projektmanagement aber verbessern, schreiben die Haushaltsprüfer. Thales wollte zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen.

„Der Bundesrechnungshof sieht Mängel in der Gestaltung von Verträgen bei der Marine, die über diesen Einzelfall hinausgehen“, heißt es weiter. Er empfiehlt, bei künftigen Rüstungsprojekten ein besseres Projektmanagement sicherzustellen. So seien die durch den Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen eindeutig zu beschreiben und ein ausreichendes Qualitätsmanagement zu vereinbaren. Außerdem solle die Bundeswehr Schiffe vor der Abnahme intensiver testen. Hierfür bietet sich offenbar noch ausreichend Gelegenheit, denn die Marine beabsichtig laut Bericht,  die Fregatten der Klasse 123 bis zum Jahr 2030 zu nutzen und rechne für weitere Modernisierungen dieser Schiffsklasse  mit Ausgaben von rund 250 Mio EUR.

Der Verteidigungsexperte der Grünen im Bundestag, Tobias Lindner, kritisiert vor dem Hintergrund der Ausführungen des Bundesrechnungshofes das BMVg: „Der Bundesrechnungshof führt einmal mehr vor Augen, dass Anspruch und Wirklichkeit im Verteidigungsministerium immer weiter auseinanderdriften. Wenn 900 Flugstunden für die fliegerische Ausbildung nicht genutzt werden, ist es nicht verwunderlich, dass immer weniger Pilotinnen und Piloten die NATO-Anforderungen nicht mehr erfüllen.“

Wo bezahlte Leistungen nicht abgerufen würden und verfallen, sei die Forderung nach mehr Geld vermessen. „Kostensteigerungen und ineffektives Qualitätsmanagement ziehen sich wie ein roter Faden durch fast alle Projekte. Die durch von der Leyen versprochene Besserung lässt weiter auf sich warten“, so Lindner.
lah/12/24.04.2018

 

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