Die PSM Projekt System & Management GmbH, ein Joint Venture von KNDS Deutschland und Rheinmetall, hat vergangene Woche im Rahmen der Messe Eurosatory in Paris die modernste Ausbaustufe des Schützenpanzers Puma samt des weiteren Entwicklungspotenzials gezeigt. Ausgestellt war ein Puma, der weitgehend dem neuen Konstruktions-Stand S1 – wie er derzeit an die Bundeswehr ausgeliefert wird – entspricht, ergänzt um eine Turmunabhängige Sekundärwaffenanlage (TSWA). Zudem wurde der Puma erstmals mit dem neuen abstandsaktiven Softkill-Schutzsystem vom Typ MUSS 2.0 (Multifunctional Self-Protection System) gezeigt.
Auch im Kampfraum des Schützenpanzers, von dem das Heer noch 61 Systeme – in der Zahl sind auch Fahrschulpanzer enthalten – bis zur Vollausstattung benötigt, gab es „eine kleine, aber feine“ Änderung zu betrachten. Der ausgestellte Schützenpanzer verfügte über neue Sitze, die mit einer Lasche mehr zum Absenken der Sitze ausgestattet sind. Alle Fahrzeuge des Konstruktionsstandes S1 werden über solche Sitze verfügen. Nach Aussage von PSM hätten eigene Untersuchungen ergeben, dass so bei drei der sechs Sitze im Kampfraum eine „Perzentilerhöhung“ möglich sei. Damit wäre es technisch möglich, Soldaten mit einer Körpergröße von bis zu 1,91 Metern aufzunehmen, ohne dass diese bei einer Ansprengung durch das Anstoßen an das Kampfraumdach mit ungewollten Sekundärverletzungen rechnen müssen.
Eine Freigabe durch die Bundeswehr ist aber offenbar noch nicht erfolgt, das Ergebnis wird wohl noch bewertet. Grund dafür ist dem Vernehmen nach der Umstand, dass die Sitzabsenkung nicht für alle Sitzplätze realisiert werden kann und die Bundeswehr die Philosophie verfolgt, dass alle Soldaten des Schützentrupps aus taktischen Gründen auch auf jedem Sitz im Kampfraum Platz nehmen können. Sollte die Freigabe nicht erfolgen, wäre die maximal Körpergröße für die Panzergrenadiere weiterhin auf maximal 1,84 Meter begrenzt.
Selbstschutzsystem MUSS 2.0
Nach Aussagen eines Bundeswehrvertreters in Paris soll die gesamte Puma-Schützenpanzerflotte des Heeres sukzessive mit dem neuen Schutzsystem MUSS 2.0 von Hensoldt ausgestattet werden. Absicht ist es offenbar, ältere, „verschlissene“ Schutzsysteme im Rahmen von Instandsetzungsmaßnahmen zu ersetzen. So werden über kurz oder lang alle älteren MUSS durch die modernere Variante ersetzt. Alle derzeit im Rahmen des zweiten Loses gebauten Puma werden von Werk aus mit MUSS 2.0 ausgestattet. Gegenüber der Vorgängerversion zeichnet sich MUSS 2.0 durch weniger Gewicht und einer kleineren Silhouette bei gleichzeitiger Steigerung der Fähigkeiten aus.
Das System besteht aus vier passiven Sensorköpfen mit jeweils einem Raketen- und Laser-Warnsensor, einer Zentraleinheit, einem weiterentwickelten Laser-basierten Infrarot-Störsender (engl. IR-Jammer) sowie einer Gegenmaßnahmen-Einheit zum Ausstoß von pyrotechnischen Täuschkörpern.
Mit dem Sensorverbund kann das System nach Angaben von Hensoldt neben Bedrohungen wie draht- und lasergelenkten Panzerabwehrlenkflugkörper nun auch Leuchtspurgeschosse, Panzerfäuste, Mündungsfeuer und Beschuss durch Wuchtgeschosse detektieren.
MUSS 2.0 sei darüber hinaus in der Lage, Laser mit geringer Leistung, wie sie bei einer Leitstrahllenkung (engl. Beam-rider) und Laser- Entfernungsmesser der zweiten Generation vorkommen, richtungsgenau zu erfassen und zu klassifizieren. Speziell Panzerabwehrlenkflugkörper können nach Angaben des Herstellers durch den IR-Jammer gestört und damit abgewehrt werden. Die vom System gewonnenen Daten können demnach in das „Battle Management System“ eingespeist werden, um die Bedrohung besser bekämpfen zu können. MUSS 2.0 kann laut Hersteller dabei mehrere Bedrohungen gleichzeitig erfassen, gemäß Gefährdung priorisieren und semi-, bzw. vollautonom bekämpfen. Über die Möglichkeit einer Anpassung der Bedrohungsdatenbank sei eine kontinuierliche Kampfwertsteigerung sichergestellt, um auch zukünftigen Bedrohungen begegnen zu können.
Turmunabhängige Sekundärwaffenanlage
Neben dem Schutzsystem MUSS 2.0 war die an der rechten Heckseite des Schützenpanzers montierte Turmunabhängige Sekundärwaffenanlage erstmalig vor größerem Publikum gezeigt worden. PSM zufolge befindet sich die TSWA derzeit in der Serienreifmachung. Offenbar wurde die Waffe im Rahmen des zweiten Loses angeboten, aber die Beauftragung durch die Bundeswehr noch nicht ausgelöst.
Alle S1-Pumas sowie die VJTF-Pumas verfügen über eine Vorrüstung zur Aufnahme der TSWA, dabei handelt es sich quasi um eine unbemannte Waffenstation in Form eines 40-mm-Granatwerfers, der für den Eigenschutz des Fahrzeuges Nahbereich sorgen soll. Die TSWA kann dazu letale und nichtletale 40-mm-Granaten verschießen.
Die vollstabilisierte Waffe verfügt über eine eigene 360-Grad-Tag-und-Nachtsicht-Optik samt Laserentfernungsmesser. Die Kampfentfernung beträgt bis zu 400 Meter. Die Kadenz wird mit drei Schuss pro Sekunde angegeben.
Die Kampfbeladung der TSWA besteht aus 18 letalen sowie 18 nichtletalen Granaten, wobei die letalen Granaten in einer äußeren, sich drehenden Trommel der TSWA aufmunitioniert sind, während die nichtletalen Granaten (NLW) in einer fixen Trommel in der TSWA-Mitte untergebracht sind. Wobei das NLW-Modul PSM zufolge gegen Module mit anderer Funktion austauschbar ist. Als nichtletale Wirkmittel können beispielsweise Nebel-, CS- oder Flash-Bang-Granate – auch in Form einer Mischbewaffnung – zum Einsatz gebracht werden.
Nach Aussage von PSM ist die TSWA vorbereitet, um auch zukünftige Medium-Velocity-Munitionstypen der 40-mm-Granate (40 x 46 mm) verschießen zu können. Zudem besteht eine Upgrade-Fähigkeit zum Verschuss von tempierbarer 40-mm-Munition.
Entwicklungspotenzial
Wie ein PSM-Vertreter in Paris gegenüber hartpunkt bestätigt hat, wurde der Bundeswehr seitens PSM ein Änderungsvertrag unterbreitet, welcher unterschiedliche Weiterentwicklungsprojekte für den Schützenpanzer Puma beinhaltet. Die Industrie geht davon aus, dass die Verhandlungen über den genauen Umfang dieses Vertrages noch einige Monate andauern werden, man strebt jedoch eine Unterzeichnung für Ende 2024 an.
Ein finaler Änderungsvertrag könnte folgende Punkte enthalten:
- Integration eines Drohnenabwehr-Kits (über die Details dazu hat hartpunkt bereits berichtet: Drohnenabwehr-Kit für Puma-Turm ermöglicht Bekämpfung von Drohnenschwärmen)
- Ausstattung und Integration des Schützenpanzers mit einer Aufklärungsdrohne, welche unter Panzerschutz bedient werden und das Aufklärungsbild in das Datensystem des Pumas einspeisen kann. Dazu sollen unterschiedliche Modelle untersucht werden.
- Erprobung verschiedener Systeme zur akustischen Schützendetektion mit anschließender Integration in den Puma inklusive datentechnischer Anbindung in das Sensor-to-Shooter-Konzept des Schützenpanzers.
- Integration des MELLS/Spike LR2-Panzerabwehrlenkflugkörpers, wozu aufgrund der größeren Länge des Flugkörpers auch Anpassungen am Starter vorgenommen werden müssen. Die Integration des neuen Flugkörpers würde nicht nur die Bekämpfungsreichweite von 4 auf 5,5 Km steigern, sondern auch die neue Fähigkeit des Schießens auf Koordinaten beinhalten. In Verbindung mit einer integrierten Drohne zur Gewinnung von Zieldaten wäre der Puma selbstständig in der Lage, Ziele außerhalb der direkten Sichtlinie zu bekämpfen.
- Einbindung von sensorgestützten Assistenzsystemen, die die Fahrzeugbesatzung entlasten soll. So könnten beispielsweise Routinevorgänge automatisiert werden, indem die Informationsverteilung und Zielzuweisung automatisch erfolgt bzw. Sensor-Scans automatisiert ablaufen und Muster so selbstständig erkannt werden. Zudem könnte eine Fusion der mittels unterschiedlicher Sensoren gewonnen Daten ein aggregiertes Lagebild erzeugen. Darüber hinaus wäre es denkbar, kognitive Assistenzsysteme einzubinden, die bei der Entscheidungsunterstützung mitwirken, indem diese Bekämpfungsvorschläge unterbreiten oder eine automatisierte Missionsplanung- bzw. -durchführung ermöglichen.
Lufttransport im A400M
Last but not least war zu erfahren, dass die PSM an einem Transportkonzept für den Puma arbeitet, welches den Transport des Fahrzeuges über Straße, Schiene und Luft beinhaltet. Offenbar denkt die Bundeswehr weiterhin darüber nach, den Schützenpanzer bei Bedarf im Lufttransport mittels des A400M verbringen zu wollen, was ingenieurtechnisch weiterhin eine Herausforderung darstellt. Denn der A400M verfügt zwar nach offiziellen Angaben der Bundeswehr über eine maximale Nutzlast von 37 Tonnen, jedoch mit der Einschränkung, dass die offene Rampe des Transportflugzeuges mit maximal 32 Tonnen belastet werden kann. Da der Schützenpanzer zum Be- bzw. Entladen selbstständig in das Luftfahrzeug ein- und ausfahren muss, ist in der Schutzstufe A – Puma ohne abnehmbare Zusatzpanzerung – ein Maximalgewicht von 31,45 Tonnen vorgegeben.
Dies ist herausfordernd, weil jegliche zusätzliche Fähigkeiten des Schützenpanzers – wenn sie nicht ausschließlich mittels Softwareanpassung generiert werden – mit zusätzlichem Gewicht erkauft werden müssen.
Würde die Bundeswehr am Ziel des Lufttransportes in der A400M festhalten, wäre der Aufwuchsfähigkeit des Pumas eine „natürliche“ Grenze gesetzt, die nicht ohne weiteres überwunden werden kann. Es wäre zwar denkbar, neue Systeme – wie beispielsweise ein aktives Schutzsystem – so auszugestalten, dass diese modular und abnehmbar ausgelegt sind, dies würde wiederum zu einer höheren Komplexität samt höheren Preis führen.
Waldemar Geiger