Der Kampfpanzer T-14 Armata galt sowohl als Galionsfigur der Modernisierung der russischen Streitkräfte als auch als Beleg für den hohen Entwicklungsstand der nationalen Rüstungsindustrie. Diesen Eindruck vermittelten ab der Vorstellung des Fahrzeuges im Mai 2015 auch zahlreiche westlichen Medien. Da von dem anfänglichen Nimbus des Panzers und dem daraus resultierend Alarmismus knapp neun Jahre später nicht mehr viel übriggeblieben ist, wird es Zeit für eine Analyse.
Drei Nachrichten brachten den Kampfpanzer erneut in den Fokus der medialen Aufmerksamkeit. Anfang März sagte Sergei Tschemesow, der Geschäftsführer des staatlichen russischen Mischkonzerns Rostec, dass der T-14 dauerhaft aus dem Einsatz, insbesondere in der Ukraine genommen wurde. Faktisch handelt es sich um eine Erweiterung der bereits im September 2023 erfolgten Ankündigung, dass der Armata nach nur wenigen Wochen von der Front in der Ukraine abgezogen wurde. Ob eine Gefechtsverwendung des Panzers im Sommer 2023 tatsächlich stattgefunden hat, lässt sich unabhängig nicht bestätigen. Als Grund für die Entscheidung führte Tschemesow nicht etwa ein Versagen des Panzers unter Gefechtsbedingungen an. Vielmehr betonte er die überdurchschnittlichen Systemkosten. Demnach ist die Fertigung neuer T-90-Panzer deutlich günstiger und vermutlich auch schneller durchzuführen. Eine unabhängige Analyse der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems Armata ist daher nicht möglich.
An diese Nachricht schließt sich die Antwort des ukrainischen Auslandsgeheimdienstes (GUR) an, welche Mitte März 2024 auf Grundlage einer Presseanfrage bekannt wurde. Demnach ist der Armata weit entfernt von einer Serienfertigung. Der GUR gibt an, dass bis dato gerade einmal 20 Fahrzeuge produziert wurden. Zudem sei der T-14 nicht als ein fertiges und eingeführtes System zu betrachten, da noch wichtige abschließende Erprobungen und Zertifizierungen seitens der russischen Streitkräfte ausstünden.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Einführung in die russischen Streitkräfte entgegen der im Westen wahrgenommenen Praxis nur die Möglichkeit für eine zukünftige Beschaffung bieten, diese aber nicht zwingend nach sich ziehen müssen. Dies kann an zahlreichen Beispielen von nie oder nur in Kleinstmengen beschaffter Ausrüstung und Waffensystemen nachvollzogen werden.
Weiterhin gibt der ukrainische Militärgeheimdienst an, dass die Produktion des T-14 stagniert. Die für 2023 geplante Charge von 29 Fahrzeugen sei vollständig in das nächste Jahr verschoben worden. Ob 2024 eine Produktion stattfinden wird, sei fraglich. Ergänzend ist hierzu die seitens des britischen Verteidigungsministeriums am 20. März 2024 über soziale Medien verbreitete Aussage zum Armata zu sehen. Diese widerspricht der ukrainischen Sicht nur dahingehend, dass eine Einführung innerhalb der russischen Streitkräfte bereits erfolgt sein soll. Auch diese Aussagen lassen sich nicht überprüfen und müssen im Rahmen der Kriegsführung, welche auch im Informationsraum stattfindet, kritisch betrachtet werden.
Es kann also festgehalten werden, dass der Armata entgegen den 2015 aufgekommenen Befürchtungen kein in Massen produzierter russischer Wunderpanzer ist. Dies ist insbesondere deswegen von Bedeutung, da die 2015 erfolgte Vorstellung des T-14 bereits deutlich vor dem Ukrainekrieg eine Diskussion über die konzeptionelle Ausgestaltung des westlichen Kampfpanzers der nächsten Generation angestoßen hat. Auch wenn Projekte wie das Main Ground Combat System bereits vorher initiiert wurden, hat die tatsächliche Entwicklung seitdem an Fahrt aufgenommen. Beispielhaft sei hier die häufig als Reaktion auf den Armata angesehene 130-mm-Waffenanlage L/51 bzw. der Kampfpanzer KF51 Panther von Rheinmetall angeführt. Daher ist im Rahmen der Neubewertung des T-14 die Frage durchaus gestattet, ob ein vollkommen neuer Kampfpanzer überhaupt notwendig ist. Zumal die These, dass die sich abzeichnende europaweite Verbreitung des Leopard 2A8 oder der Konkurrenz in Form des südkoreanischen K2 eine vollkommen adäquate, da nachweislich bewährte Lösung für die Begegnung der russischen Bedrohung auf dem Gefechtsfeld der nahen Zukunft darstellt, nicht abwegig erscheint.
Einführung des Armata im Augenblick nicht möglich
Die Neubewertung der Nachfolge von europäischen Kampfpanzern wie dem Leopard 2 oder dem Leclerc scheint angebracht. Es ist jedoch noch zu früh für Spott oder gar einen Schwanengesang auf den T-14. Insbesondere, wenn man die Entwicklung des Programms mit dem des MGCS und den erst kürzlich bekanntgewordenen Ungewissheiten betrachtet.
Die Entwicklung und die Einführung moderner Waffensysteme sind komplex und langwierig. Die entstandene Wahrnehmung, der Armata sei ein gefechtsbereites System mit all den damit verbundenen Aspekten einer zuverlässigen Betriebsumgebung ist sicherlich der russischen Propaganda geschuldet, die immer wieder diesen Eindruck vermittelte. Der T-14 ist mit aktuellem Stand noch weit davon entfernt, ein Beispiel für das Versagen der russischen wehrtechnischen Industrie darzustellen. Vielmehr ist es Beleg für die nüchterne Analyse auf russischer Seite. Die Umstellung der Produktion auf einen neuen Kampfpanzer mit all den Herausforderungen, angefangen von der Einrichtung einer Fertigungsstraße und dem Skalieren der Produktion bis hin zu einer gesicherten Ersatzteilversorgung und Umschulung des Personals ist im laufenden Konflikt nicht realistisch abbildbar. Von geeigneten Transport- und Bergemitteln ganz zu schweigen.
Nicht zuletzt gilt die technologische Reife des Armata in seiner Gesamtheit als unzureichend. Dennoch können Einzelkomponenten des T-14 bereits heute in die zügig umsetzbare Kampfwertsteigerung der in Fertigung befindlichen T-90, oder aufgearbeiteten T-72 und T-80 übernommen werden. Auch wenn die Zukunft der Armata als Gesamtsystem ebenso ungewiss ist wie die des MGCS, war die Entwicklung der einzelnen Technologien nicht umsonst und stellt auch einzeln betrachtet einen Wert für die russischen Streitkräfte dar.
Kristóf Nagy