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Russische Industrie reagiert mit Finanzvehikel auf Drohnenangriffe

Kristóf Nagy

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Der staatliche russische Rüstungsverbund Rostec, zu dem wehrtechnische Unternehmen wie der Kalaschnikow-Konzern oder die Panzerschmiede Uralwagonsawod gehören, hat ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Abwehr ukrainischer Wirkmittel und der Beseitigung von Angriffsschäden innerhalb der eigenen Unternehmensgruppe angekündigt. Dies gab der Konzern in einer Pressemitteilung am 6. März bekannt. Die Ankündigung ist als Reaktion auf die sich in letzter Zeit häufenden offenkundig erfolgreichen und als strategisch zu bezeichnenden Angriffe der Ukraine auf die russische Industrie zu bewerten.

Die strategische Nutzung von ballistischen Raketen, Marschflugkörpern oder unbemannten Systemen wie der Flugbombe Shahed-136 war seit Anbeginn des Ukrainekrieges ein Mittel der russischen Kriegsführung. So wurde insbesondere unter Nutzung der kostengünstigen Drohnen aus dem Iran im ersten Kriegswinter versucht, das ukrainische Strom- und Fernwärmenetz dauerhaft zu beschädigen. Auch die ukrainische Seite unternahm bereits im letzten Jahr Versuche, mit umgebauten Drohnen als Ladungsträger nicht nur militärische Ziele auf der Krim, sondern auch Industrieanlagen tief im russischen Hinterland zu treffen. In Erinnerung blieb der mutmaßliche Angriff auf den Kreml, welcher jedoch kaum Schaden anrichtete.

Folgt man den Medienberichten zu dem Thema, so nimmt die Intensität und auch der Erfolg der ukrainischen Angriffe seit dem Jahreswechsel zu. Im Januar traf es die Erdölraffinerie von Tuapse, welche zum mächtigen Ölkonzern Rosneft gehört. Anfang Februar folgte der Angriff auf die Raffinerie in Wolgograd. Ende Februar wurde bekannt, dass in der zentralrussischen Stadt Lipezk ein Stahlwerk durch den Einschlag einer Flugbombe in Brand geriet. Diesen Donnerstag traf es das Stahlwerk Severstal in der nordrussischen Stadt Tscherepowez. Die Ukraine versucht offenkundig nicht nur die Treibstoffversorgung der russischen Streitkräfte zu erschweren, sondern auch die Versorgung der Rüstungsindustrie mit Stahl. Die aktuelle Ankündigung von Rostec deutet daher darauf hin, dass die Angriffe nicht ohne Wirkung bleiben.

Laut Rostec soll ein speziell gegründetes Unternehmen die Firmen innerhalb der Gruppe auf unterschiedlichen Ebenen bei der Gefahrenabwehr und Schadensregulierung unterstützen. Die 2021 als gemeinsamer Versicherungsträger entstandene Vereinigung umfasse bereits 250 Unternehmen des Rüstungsverbundes. Im Falle eines erfolgten Angriffs sollen durch eine optimierte Schadensregulierung seitens der konzerneigenen Versicherung die Finanzmittel für die zügige Instandsetzung der Industrieanlagen bereitgestellt werden, um den Produktionsausfall zu reduzieren. Außerdem soll die Finanzierung von Schutzmaßnahmen wie automatisierten Anlagen zur Branddetektion und Löschsysteme, sowie Wirkmittel zur Drohnenabwehr finanziert werden. Igor Egorov, der Direktor für Risikobewertung bei der konzerneigenen Versicherung, brachte es auf den Punkt, als er verlauten ließ: „Unsere Aufgabe ist es, Anlagenstillstände zu verhindern.“
Demnach hat die Ukraine trotz der weiterhin vorherrschenden deutlichen Überlegenheit der russischen Seite an konventionellen strategischen Waffen einen Weg gefunden, die gegnerische Industrie so effektiv zu treffen, dass Maßnahmen zur Abwehr und Schadensminimierung auf russischer Seite notwendig werden.

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 Die Stellungnahme kann auch als Versuch der Beruhigung nach innen angesehen werden. Der Adressat der Pressemitteilungen ist offenkundig die eigene Bevölkerung und die zur gesellschaftlichen Elite gehörenden Unternehmenslenker der russischen Rüstungsindustrie. Dass die Ukraine den eingeschlagenen Weg fortsetzen wird, zeigt die Mitte Februar von Seiten des ukrainischen Ministers für digitale Transformation, Mykhaylo Fedorov, herausgegebene Erklärung, dass unter der Einbindung von zehn Unternehmen im Laufe des Jahres tausende einfache und kostengünstige Langstreckendrohnen gefertigt und gegen Russland zum Einsatz gebracht werden sollen. Fedorov hob dabei hervor, dass die Ukraine auch in Reichweitenkategorien jenseits der 1000 km denke.

Kristóf Nagy