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Wird MBDA zum Radarhersteller?

Bei der industriellen Aufteilung der Arbeitspakete für das zukünftige Taktische Luftverteidigungssystem (TLVS) der  Luftwaffe könnten sich neue Konstellationen ergeben. Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, denkt das als Generalunternehmen fungierende Joint Venture von MBDA und Lockheed Martin ernsthaft über die Fertigung des Feuerleitradars MFCR für das TLVS-Projekt nach.

Ein MBDA-Sprecher bestätigte lediglich, dass die Systemintegration für das Radar bei dem vor kurzem gegründeten Gemeinschaftsunternehmen mit dem Namen TLVS GmbH liegen werde. Er wollte allerdings nicht ausschließen, dass auch die Endfertigung des MFCR im Rahmen des Joint Ventures erfolgen könnte. Dazu würden jedoch erst noch Gespräche geführt. Dem Vernehmen nach soll die TLVS GmbH noch im Mai zur Abgabe eines Angebotes vom Verteidigungsministerium aufgefordert werden.

Sollte tatsächlich die Produktion des MFCR von der TLVS GmbH übernommen werden, wären womöglich der deutsche Sensorhersteller Hensoldt und die italienische Leonardo – die beim damaligen MEADS-Projekt offenbar die Design Authority für das MFCR hatte – aus dem Rennen. Trifft es zu, dass für ein Radar mehr als 100 Mio EUR veranschlagt werden, wäre dies ein herber Geschäftsverlust für die beiden Unternehmen, die sich vermutlich mehr ausgerechnet haben. Schließlich sollen im Rahmen von TLVS insgesamt acht Feuerleitradare beschafft werden.

Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die Aussage von Hensoldt-CEO Thomas Müller auf einer Pressekonferenz vor einigen Wochen deuten, wonach sein Unternehmen mehr Verantwortung beim MFCR-Radar übernehmen wolle und eine Joint Venture mit einem europäischen Partner anstrebe. Gut informierten Kreisen zufolge handelt es sich bei dem Partner um Leonardo, mit dem Hensoldt offenbar während der Luftfahrtausstellung ILA ein Memorandum of Understanding unterschrieben hat.

Geht die Produktion des  MFCR an das Joint Venture, dürfte Hensoldt dennoch einen kleinen Anteil am Geschäft  behalten, da Komponenten für die Sende/Empfangs-Module des MFCR von United Monolithic Semiconductors (UMS) geliefert werden, einem Joint Venture von Hensoldt und Thales.

Und womöglich kommt das deutsche Sensorhaus auch bei einem anderen Bestandteil des MFCR zum Zuge: Dem so genannten Exciter, der für Impulsform und Frequenz sorgt. Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, will das BMVg nicht, dass dieses Element den ITAR-Regularien der USA unterliegt. Damit scheidet der von Lockheed Martin außerhalb des MEADS-Vorhabens entwickelte Exciter aus. Vielmehr müsste dem Vernehmen nach ein solches Bauteil von einem europäischen Unternehmen neu designt werden.

Da Deutschland die Sensortechnik als Schlüsseltechnologie eingestuft hat, wäre es eigentlich naheliegend Hensoldt mit der Entwicklung zu betrauen. Allerdings hat sich das BMVg offenbar bereits beim Weitbereichsradar des TLVS dazu entschlossen, drei Systeme bei Lockheed Martin einzukaufen. Und bislang wird  dem Vernehmen nach auch beim MFCR die nationale Karte – etwa nach Artikel 346 des Vertrages von Lissabon – nicht gespielt. Im Koalitionspapier haben sich Union und SPD zwar darauf geeinigt, zum Erhalt nationaler Souveränität bei Schlüsseltechnologien vergaberechtliche Spielräume konsequenter zu nutzen.  Dass die dafür angestrebten gesetzlichen Anpassungen allerdings  noch auf das TLVS-Projekt angewendet werden können, halten Parlamentarier für höchst unwahrscheinlich.

Ob die Herstellung des MFCR große technische Herausforderungen für MBDA – eigentlich ein Produzent von Lenkflugkörpern – mit sich bringen würde, ist nicht bekannt. Zumindest Lockheed Martin dürfte über ausreichend Erfahrung bei der Fertigung  verfügen. Auch über Kosten und Risiken kann nur spekuliert werden. Bei einer Vergabe des MFCR an die TLVS GmbH würde das Ministerium auf jeden Fall den Aufbau von zusätzlichen Radarkapazitäten in Deutschland unterstützen, was nicht unbedingt zur Stärkung  eines international wettbewerbsfähigen nationalen Players beitragen dürfte.
lah/18.5.2018

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