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MBDA erwartet Forschungsvorhaben für Hyperschall-Technik

Nachdem in den vergangen Monaten vor allem Ländern wie China, Russland und die USA mit ihren Fortschritten in der Hyperschalltechnologie Schlagzeilen gemacht haben, will offenbar auch Deutschland mehr Ressourcen für die Erforschung der Technologie ausgeben.

Wie der Leiter  Vertrieb und Geschäftsentwicklung von MBDA Deutschland, Peter Heilmeier, am Dienstag in einem Pressegespräch in Schrobenhausen sagte, plant das Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw im Rahmen eines Technologievorhabens den Einsatz von Hyperschalltechnologie in Defensivwaffen zu untersuchen. Dabei gehe es zum einen um entsprechende Waffensysteme zur Panzerabwehr und zum anderen um solche für die Luftverteidigung.

Hyperschallwaffen erreichen mehr als die fünffache Schallgeschwindigkeit. Auf dieser Technologie basierende Panzerabwehrraketen wären so schnell, dass sie idealerweise die in letzter Zeit immer besser gewordenen abstandsaktiven Schutzsysteme überwinden könnten. Denn diesen würden nach der Detektion des anfliegenden Projektils keine Zeit bleiben, Gegenmaßnahmen auszulösen. Auch die neuen russischen Panzertypen T-14 und T-15 sollen mit dem abstandsaktiven Schutzsystem Afganit ausgestattet sein.

In der Luftverteidigung könnte die Technologie genutzt werden, um anfliegende Überschallwaffen abzufangen. Seit geraumer Zeit arbeiten insbesondere China und Russland an entsprechenden Angriffs-Flugkörpern. Dabei soll es den beiden Ländern unter anderem um die Entwicklung von so genannten Hypersonic Glide Vehicles gehen. Diese werde durch herkömmliche ballistische Raketen gestartet, verfolgen jedoch keine klassische Flugbahn. Beim Eintauchen in die Atmosphäre begeben sie sich vielmehr seitwärts in eine Flugbahn, die einer Schlangenlinie gleicht. Damit ist ihr Zielgebiet kaum zu projektieren und die Waffe schwer mit heute verfügbarer Technologie zu bekämpfen.

Bereits Mach 7 bei Tests erreicht

Nach Aussage von Heilmeier hat MBDA Anfang des Jahrtausends bereits erfolgreich Flugversuche über Land mit Hyperschallraketen absolviert. Bei diesen Tests 2003 in Meppen wurde offenbar eine Geschwindigkeit von Mach 7 erreicht. Das Vorhaben wurde allerdings später eingestellt.

Wie der MBDA-Manager weiter ausführte, werden die Machbarkeitstests –  bei denen auch Schießversuche geplant sind – rund drei Jahre in Anspruch nehmen und lediglich auf Forschung und Technologie konzentriert sein. Federführend bei der Antriebstechnik solle dabei die MBDA-Tochter Bayernchemie eingebunden werden, die das leistungsfähige Staustrahltriebwerk des Luft-Luft-Flugkörpers Meteor entwickelt hat und für das Vorhaben „das Kronjuwel“ darstelle. Neben MBDA würden bei dem rein deutschen Vorhaben voraussichtlich auch Unternehmen wie die IABG und Diehl eingebunden.

Heilmeier kann sich vorstellen, dass eine Panzerabwehrwaffe eine Reichweite von fünf Kilometern und eine Luftverteidigungsrakete eine Reichweite von 40 Kilometern und mehr aufweisen könnte. Denkbar ist offenbar auch ein zweistufiger Lenkflugkörper, dessen zweite Stufe in höheren und damit dünneren Luftschichten gezündet wird, um bei der Bekämpfung von Bedrohungen aus dem Weltraum ihre hohe Endgeschwindigkeit zu erreichen.

Sollte sich Europa entscheiden, eine Rakete zur Abwehr ballistischer Flugkörper mit ähnlichen oder besseren Leistungsdaten als die PAC-3 MSE von Lockheed Martin zu entwickeln, hätte Deutschland schon wichtige Erkenntnisse gesammelt. Der MBDA-Manager kann sich langfristig durchaus einen gemeinsamen europäischen Hyperschall-Abfangflugkörper für neue Bedrohungen vorstellen.

Angebotsabgabe für TLVS noch im Juni

Während es sich bei der Entwicklung von Hyperschallwaffen noch um Zukunftsmusik handelt, steht MBDA im Augenblick kurz vor der Abgabe des finalen Angebotes für das Taktische Luftverteidigungssystem TLVS. MBDA-Deutschland-Geschäftsführer Thoma Gottschild betonte am Dienstag, dass die TLVS GmbH, das Joint Venture von MBDA und Lockheed Martin, noch im Juni dem BAAINBw das Angebot übermitteln werde. Die parlamentarische Befassung sei dann noch im vierten Quartal dieses Jahres vorgesehen und das erste operative System solle 2027 zulaufen. Damit hat  die Luftwaffe nach Einschätzung des MBDA-Chefs genug Zeit, sich auf die neue Technik einzustellen, bis 2030 das bis dahin genutzte System Patriot ausgemustert wird.

Gottschild betonte, dass Deutschland mit dem TLVS – anders als mit Patriot – als Anlehnungspartner im Framework-Nations-Konzept in der Luftverteidigung über Technologie in nationaler Hoheit verfüge. So will Deutschland eine so genannte Bedrohungsdatenbank selbst aufbauen und in eigener Regie betreiben. Die entsprechende Datenbank des Patriot-Systems soll dagegen unter US-Kontrolle stehen. Die Qualität dieser Datenbank und die Übersetzung der darin enthaltenen Informationen in die Feuerleitung der von den USA entwickelten PAC-3-Abfangrakete dürfte von entscheidender Bedeutung für den Missionserfolg von TLVS sein.

Dem Vernehmen nach haben insbesondere Italien – ein Mitentwicklerstaat des vorangegangenen MEADS-Vorhabens – sowie Ungarn Interesse gezeigt, beim TLVS-Projekt eine Beobachterrolle einzunehmen. Die entsprechenden Vereinbarungen sollen in Vorbereitung sein.

Mittelbereichsradar weiter offen

Mit Spannung wird überdies beobachtet, welches Mittelbereichsradar MBDA für TLVS vorschlägt. Mit diesem Sensor soll nach augenblicklichem Stand der neben der PAC-3 MSE vorgesehene Zweitflugkörper Iris-T SL, der über einen passiven IR-Sensor verfügt, geleitet werden. Ob die Iris-T auch direkt über das sehr leistungsfähige Feuerleitradar MFCR gesteuert wird, bleibt abzuwarten. Dem Vernehmen nach hat es dazu bislang keine Schießversuche gegeben. Als Anbieter für den Mittelbereichssensor kommen  die Konzerne Thales, Saab und Hensoldt in Frage.

Letzteres Unternehmen hätte auch wesentliche Anteile am MFCR und würde die Schlüsselkomponente des Radars, den so genannten Exciter, entwickeln. Dieser stellt bislang eine „Black Box“ dar, da es sich um ein US-Produkt handelt. Die Design-Hoheit für das MFCR soll bislang bei der italienischen Leonardo liegen. Hensoldt und Leonardo wollen aber womöglich beim Bau des MFCR eng zusammenarbeiten. Von Bestrebungen, ein  auf das TLVS-Projekt bezogenes Joint Venture zwischen beiden Konzernen zu gründen, war zuletzt wenig zu hören.  Das MFCR  soll besser als  andere Radare in der Lage sein, Bedrohungen wie Hyperschall-Waffen zu folgen und die PAC-3 MSE ins Ziel zu bringen. Vorausgesetzt, der Bundestag bewilligt die Mittel zur Umsetzung von TLVS.
lah/5.6.2019

 

 

 

 

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