Nachdem Union und SPD gestern angekündigt haben, Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für die Aufrüstung der Bundeswehr von der Schuldenbremse auszunehmen, wünscht sich die Rüstungsindustrie Vorgaben für das Hochfahren der Produktion.
„Die Industrie braucht jetzt klare Ansagen, von welchen Produkten man wie viel in welcher Zeit als Output erwartet“, fordert der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), Hans Christoph Atzpodien. Wenn dieses klar sei, werde die Industrie auch liefern.
„Damit wird die Industrie angehalten sein, ihre Kapazitäten jetzt nochmals deutlich zu erweitern. Vieles hat sie in dieser Richtung in den letzten drei Jahren schon geleistet und sie steht bereit, dies nun noch einmal verstärkt mit viel Engagement zu tun“, wird Atzpodien in einer Pressemitteilung seines Verbandes zitiert.
Gestern Abend hatten die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD die bisherigen Ergebnisse ihrer Sondierungsgespräche vorgestellt. Demnach werden Ausgaben für Verteidigung im Einzelplan 14, die ein Prozent des BIP überschreiten, nicht bei der Schuldenbremse angerechnet. Damit sind die Verteidigungsausgaben faktisch nicht mehr gedeckelt.
Zuvor hieß es noch, dass für Verteidigung ein Sondervermögen von rund 400 Milliarden Euro aufgelegt werden sollte. Die jetzt verkündete Ausnahme für Verteidigungsausgaben bietet gegenüber einem Sondervermögen jedoch einige Vorteile. So gibt es keine finanzielle oder zeitliche Beschränkung der Ausgaben, wie dies bei einem Sondervermögen der Fall ist. Offenbar sollen die für Verteidigung aufgenommenen Kredite sofort in die Bundeschuld überführt werden, so dass aus den bereitgestellten Mitteln keine Zinsen zu begleichen sind, wie dies beim Sondervermögen der Fall ist.
Durch die nicht begrenzte Ausnahme von der Schuldenbremse wird ein Zeichen an die Industrie gesendet, dass langfristig in Rüstung investiert wird und sich deshalb der Kapazitätsausbau lohnt. CDU-Chef Friedrich Merz sagte, bei Verteidigung gelte das Prinzip „whatever it takes“.
Überdies einigten sich Union und SPD auf ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur. Im Rahmen dieses über zehn Jahre laufenden Sondervermögens sollen Mittel unter anderem in den Ausbau der Verkehrs- und Energieinfrastruktur, Schulen und Krankenhäuser fließen.
Die Vorschläge sollen bereits am kommenden Montag dem Bundestag zugeleitet werden. Es ist geplant, die Gesetze, für die eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist, noch mit dem alten Bundestag zu beschließen.
BDSV-Hauptgeschäftsführer Atzpodien kommentiert die Ankündigung von Union und SPD mit den Worten: „Diese Entscheidung wirkt wie eine Art Befreiungsschlag. Denn gerade jetzt ist es wichtiger denn je, dass die Bundeswehr endlich aus dem Modus der Mangelverwaltung herausfindet, den sie trotz des unverzichtbaren ersten Sondervermögens auch seit 2022 nicht wirklich verlassen konnte.“
Seiner Meinung nach bietet das Freiwerden von Ressourcen im Automobil- und Automobilzulieferbereich in Deutschland besondere Chancen, Rüstungskapazitäten gerade im Bereich größerer Serien schnell hochzufahren. Es sollte versucht werden, Produktionseinrichtungen und vor allem Fachkräfte aus dem Automobilsektor möglichst verträglich in den Defence-Bereich zu überführen. Allerdings gebe es kritische „Bottlenecks“, die unbedingt beseitigt werden müssten, warnt der BDSV-Hauptgeschäftsführer.
„Beispielsweise benötigen Fachkräfte in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie zum Umgang mit geheimgeschützten Rüstungsinformationen vielfach eine sogenannte Sicherheitsermächtigung, die beim Bundesministerium für Wirtschaft beantragt werden muss“, so Atzpodien. Wegen der nötigen Bearbeitung durch Landesverfassungsschutzämter dauerten diese Verfahren heute von der Beantragung bis zur Erteilung der Genehmigung etliche Monate, manchmal sogar mehr als ein Jahr. „Dies können wir uns nicht mehr erlauben, wenn wir schnell geschultes Personal aus dem Autobereich für Rüstung einsetzen wollen.“
Im Übrigen müssten auch die Lieferketten im Blick behalten werden und knappe Ressourcen gesichert und bevorratet werden. Desweiteren fordert Atzpodien bessere regulatorische Rahmenbedingungen für neue Produktionskapazitäten.
lah