Nach Einschätzung von Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), kommt es in erster Linie auf den Willen der EU-Mitgliedsländer an, gemeinsame Vorhaben im Rüstungsbereich umzusetzen. „Der Fördertopf allein ist nicht so attraktiv, dass er Projekte in Gang setzt“, sagt Atzpodien mit Blick auf den im Aufbau befindlichen Europäischen Verteidigungsfonds und das darin enthaltene European Defence Industrial Development Programme (EDIDP). Seiner Aussage zufolge gibt es überdies eine Reihe von administrativen Auflagen für die Teilnahme am EDIDP. So müssten etwa die umfassenden bürokratischen Vorstellungen der EU erfüllt werden.
Wer über die Zulassung von Unternehmen zum Förderprogramm entscheide, ist laut Atzpodien im Augenblick „nebulös“. Vorgesehen sei ein Entscheidungsgremium, bei dem auch die EDA eine Mitgestaltungsmöglichkeit haben soll.
Änderungsvorschläge des Rates
Nachdem die EU-Kommission Mitte des Jahres den Entwurf zum Aufbau eines EU-Verteidigungsfonds und des European Defence Industrial Development Programme für die Jahre 2019 bis 2020 auf den Tisch gelegt hat, sind auch das EU-Parlament sowie der Rat in den Gesetzgebungsprozess eingestiegen. Beide haben erste Änderungsvorschläge zu den Regularien gemacht. Die Änderungsvorschläge der estnischen Ratspräsidentschaft für das EDIDP sehen vor, dass einerseits die Zahl der Nutznießer nicht mehr so eng gezogen wird, wie anfangs festgelegt. Anderseits kann das Fördervolumen für einzelne Vorhaben erhöht werden, wenn diese kompatibel mit der gemeinsamen strukturierten Zusammenarbeit (Pesco) sind sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eingebunden werden.
So steht in dem im Sommer veröffentlichten Vorschlagstext der Kommission, dass Nutznießer des Fonds ihren Sitz in der EU haben und im Besitz von Personen oder Staaten aus der Europäischen Union sein müssen. In dem Papier der Ratspräsidentschaft vom vergangenen Monat heißt es jetzt dagegen, dass auch „Entitäten“, die diese Kriterien nicht erfüllen, teilnahmeberechtigt sein können. Dafür muss der EU-Mitgliedsstaat, in dem die Entität – beispielsweise ein Unternehmen – seinen Sitz hat, eine ausreichende Zusicherung geben, dass nicht gegen die Sicherheit und die Verteidigungsinteressen der Union und ihrer Mitgliedstaaten verstoßen wird. Damit könnte beispielsweise auch der deutsche Sensorhersteller Hensoldt, der sich mehrheitlich im Besitz des US-Investmentunternehmens KKR befindet, von den EU-Mitteln profitieren.
Nutzung von ausländischen Anlagen möglich
Darüber hinaus können laut dem Papier Begünstige des Förderprogramms und deren Unterauftragnehmer auch Anlagen, Infrastruktur und Ressourcen in Nicht-EU-Staaten nutzen, wenn es auf dem Territorium der EU keine Substitute gibt oder wenn die Anlagen auf EU-Territorium liegen aber von EU-Ausländern kontrolliert werden. Auch soll im Rahmen des Programms eine Kooperation mit nicht EU-Rechtspersönlichkeiten möglich sein. Deren Kosten werden jedoch nach dem Willen der Ratspräsidentschaft nicht gefördert.
Unverändert soll dagegen weiterhin gelten, dass aus dem EDIDP nur solche Vorhaben gesponsert werden, zu denen sich mindestens drei Entitäten aus mindestens zwei EU-Mitgliedstaaten zusammenfinden.
Der Vorschlag der estnischen Ratspräsidentschaft sieht bei den Förderraten eine Erhöhung über den Basissatz von 20 Prozent für die Einbindung kleiner und mittlerer Unternehmen vor. So soll der Fördersatz um maximal 8 Prozentpunkte erhöht werden, wenn mindestens 5 Prozent der förderungsfähigen Kosten auf ein KMU entfallen. Das gleiche soll auch für so genannte Mid-caps mit einer Belegschaft bis 3.000 Mitarbeitern gelten. Wenn ein KMU in ein Konsortium von Nicht-KMU außerhalb von deren Heimatländern eingebunden wird, soll der zusätzliche Fördersatz auf das Doppelte des Kostenanteils des KMU angehoben werden.
Fokus auf Pesco ermöglicht mehr Fördermittel
Sollte ein Konsortium ein Vorhaben im Kontext von Pesco vorantreiben, werden zum Basissatz von 20 Prozent weitere 10 Prozentpunkte aufgeschlagen. Und schließlich können bei einem Konsortium, das in mehr als zwei Staaten ansässig ist, auch noch einmal 5 Prozentpunkte zusätzlich gefördert werden.
Dass im Entwurf der estnischen Ratspräsidentschaft verstärkt KMU grenzüberschreitend eingebunden werden sollen, hält der BDSV-Experte Atzpodien für „politisch verständlich, aber industriell bedenklich“. Denn Systemhäuser verfügen seinen Worten zufolge bereits über Zulieferketten mit Mittelständlern, die jedoch nicht unbedingt aus den Ländern kommen, die gefördert werden sollen. Es bestehe deshalb ein Risiko, die falschen Partner mit ins Boot zu holen.
Atzpodien verweist darauf, dass sich die Fördersätze nicht auf ein Gesamtprogramm beziehen, sondern nur auf bestimmte „Actions“. Was diese umfasse, sei jedoch noch „schwammig“. Kurzfristig erwartet er durch die Förderprogramme keine Konsolidierung der europäischen Rüstungsbranche. Zumal eher Konsortialstrukturen gefördert würden. Langfristig könne dadurch jedoch durchaus ein europäischer Konsolidierungsprozess vorangetrieben werden.
lah/7.12.2017