Am Dienstag verkündete der US-Präsident Donald Trump in den sozialen Medien, er habe ein „äußerst produktives“ Gespräch mit Wladimir Putin über den Krieg in der Ukraine geführt. Aus europäischer Perspektive liest sich Trumps Darstellung des Telefonats – Putin schmeichelnd und über die Köpfe der Ukrainer hinweggehend – wie ein Worst-Case-Szenario.
Die frühen Hoffnungen, Trump könnte den Druck auf Russland erhöhen, erweisen sich nun als unbegründet. Mehr denn je scheint er entschlossen, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden – selbst wenn das bedeutet, die Interessen der Ukraine und der europäischen Verbündeten zu übergehen.
Das Problem ist, dass Trump den Krieg als Verhandlungsmasse betrachtet, um eine geopolitische Unannehmlichkeit zu beseitigen und innenpolitisch zu punkten, während Europäer – und vor allem Ukrainer – mit einem Ergebnis konfrontiert sind, das ihre Sicherheit für Jahrzehnte prägen könnte, mit potenziell katastrophalen Folgen für den Kontinent.
Der derzeitige amerikanische Friedensplan, der Russland die Kontrolle über seit Februar 2022 eroberte Gebiete belässt und die Sanktionen schrittweise lockert, drängt die Ukraine in eine Vereinbarung, die Russlands Macht weitgehend bewahrt und seine imperialen Ambitionen belohnt – während sich die USA gleichzeitig aus Europa zurückziehen. Unter diesen Bedingungen erscheint ein erneuter Krieg in der Ukraine innerhalb der nächsten fünf Jahre – sei es zur weiteren Eroberung oder zur politischen Kontrolle über Kiew – sehr wahrscheinlich.
Eines muss klar sein: Die USA haben politisch jedes Recht, sich aus ihrer Führungsrolle in Europa zurückzuziehen und eine isolationistische Politik zu verfolgen. Doch es ist Europas Verantwortung, ein Ergebnis zu verhindern, bei dem ein gestärktes Russland sowohl die Mittel als auch den Anreiz behält, seine Aggression fortzusetzen.
Ebenso sollte mittlerweile offensichtlich sein, dass jedes Abkommen mit Putins Russland, das auf gegenseitigem Vertrauen basiert, faktisch wertlos ist. Putin hat die europäische Sicherheitsarchitektur mit der Invasion Georgiens 2008 verraten, mit der Annexion der Krim und dem Angriff auf die Ostukraine 2014 untergraben und sie seit Februar 2022 vollständig zerstört. Solange die russische Gesellschaft nicht selbst grundlegende Veränderungen fordert und eine russische Regierung diese umsetzt, wird ein dauerhafter Frieden in Europa kurz- bis mittelfristig nur gegen Russland aufrechterhalten werden können, nicht mit ihm.
Die Suche nach einer Einigung um jeden Preis ist zudem verfrüht. Auf der strategischen Ebene bleibt das Kräfteverhältnis für die Ukraine weit günstiger, selbst wenn die USA ihre Unterstützung vollständig einstellen sollten.
Die nominale Wirtschaftsleistung der EU allein ist zehnmal so groß wie das von Russland. Europas industrielle Produktionskapazitäten – und noch mehr sein Potenzial – übersteigen alles, was Russland jemals zustande bringen könnte. Während Russlands Kriegsindustrie auf Hochtouren läuft, überhitzt die russische Wirtschaft durch Inflation und kämpft gleichzeitig mit Rekordzinsen und rasant wachsender Unternehmensverschuldung. Europas Industriegiganten, allen voran Deutschland, beginnen hingegen erst jetzt, ihre wirtschaftliche Schlagkraft auszuspielen – wenn auch weiterhin deutlich zu zaghaft und zu langsam.
Diese Realität im Blick zu behalten, ist entscheidend, wenn über eine mögliche Einigung für die Ukraine gesprochen wird. Die Ukraine wird diesen Krieg nicht verlieren – im Sinne einer Kapitulation vor den meisten oder allen russischen Forderungen – weil Russland militärisch oder wirtschaftlich erdrückend überlegen ist. Das einzige Szenario, in dem die Ukraine verliert, ist, wenn sie entscheidet, dass die Kosten des weiteren Widerstands die Kosten der Konzessionen übersteigen. Das ist in erster Linie eine politische Entscheidung, keine materielle Unvermeidbarkeit.
Falls nötig, könnte die Ukraine sogar einen langwierigen Guerillakrieg führen und den Konflikt für Russland zu einem „Super-Vietnam“ machen, selbst ohne amerikanische oder europäische Unterstützung. Das wäre ein schreckliches Szenario, und Deutschland sowie seine Partner sollten alles daransetzen, dass die Ukraine nicht zu solchen Mitteln greifen muss. Aber die Annahme, dass die Ukraine den Krieg durch vollständige militärische Erschöpfung verlieren könnte, ist grundlegend falsch.
Deutschland und Europa sollten als Mindestziel für einen ukrainischen Sieg klarmachen, dass Russland, unabhängig von der Dauer des Krieges, mit nachhaltiger europäischer Unterstützung für die Ukraine rechnen muss. Denn solange die Ukraine nicht allein kämpft, spielt die Zeit gegen Russland – etwas, das Moskau genau versteht, weshalb es so sehr bemüht ist, den Westen von der Aussichtslosigkeit der ukrainischen Lage zu überzeugen.
Was diese Episode mehr als alles andere zeigt, ist, dass Europas Hauptproblem angesichts des amerikanischen Rückzugs nicht ein Mangel an militärischen Fähigkeiten ist – auch wenn das sicherlich eine Rolle spielt – sondern ein Versagen der eigenen Haltung. Das eigentliche Problem ist Europas völlige Unfähigkeit und mangelnder Wille, seine eigenen Interessen zu definieren und durchzusetzen. Der Kontinent verhält sich wie ein verwöhnter junger Erwachsener, der es nicht gewohnt ist, für sich selbst zu denken.
Doch ob es uns gefällt oder nicht, die Realität hat uns eingeholt. Deutschland und seine europäischen Partner stehen nun vor einer Wahl: Russland in der Ukraine entgegentreten oder riskieren, es später eventuell auf dem Schlachtfeld tun zu müssen. Je mehr Russland aus einem ungerechten und unverdienten Friedensabkommen herausholen kann, das möglicherweise von einem isolationistischen Amerika diktiert wird, desto wahrscheinlicher wird Letzteres.
Autor: Fabian Hoffmann ist Doktorand am Oslo Nuclear Project an der Universität Oslo. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Verteidigungspolitik, Flugkörpertechnologie und Nuklearstrategie. Der Beitrag erschien erstmalig am 13.02.2025 in englischer Sprache im „Missile Matters“ Newsletter auf Substack.