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Regierung verlängert „Ruhensanordnungen“

Die Bundesregierung hat nach einer erneuten Tagung des Bundessicherheitsrates das Quasi-Rüstungsembargo gegen Saudi-Arabien um ein halbes Jahr verlängert. Wie aus einer Mitteilung der Regierung hervorgeht, werden die so genannten Ruhensanordnungen für die Auslieferung genehmigter Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien über den 31. März hinaus um weitere sechs Monate bis zum 30. September 2019 verlängert. „Für diesen Zeitraum werden grundsätzlich auch keine Neuanträge genehmigt“, heißt es in der Meldung.

Und weiter: „Ausgelaufene Gemeinschaftsprogramme und die dazugehörigen Sammelausfuhrgenehmigungen mit Bezug zu Saudi-Arabien und den VAE werden um weitere neun Monate bis zum 31. Dezember 2019 unter der Maßgabe verlängert, dass in diesem Zeitraum mit den Partnern die vorgeschriebenen Konsultationen stattfinden.“ Die Bundesregierung werde sich in den Konsultationen gegenüber den Partnern dafür einsetzen, dass die gemeinsam produzierten Rüstungsgüter im Jemen-Krieg nicht zum Einsatz kommen und dass während der neunmonatigen Verlängerung keine endmontierten Rüstungsgüter aus diesen Gemeinschaftsprogrammen an Saudi-Arabien und die VAE ausgeliefert werden.

Den beteiligten Unternehmen werde zur Auflage gemacht, dass sie gegenüber den Vertragspartnern darauf bestehen, dass in diesem Zeitraum keine endmontierten Rüstungsgüter an Saudi-Arabien und die VAE ausgeliefert werden.

„Die Bundesregierung wird für die auf der Peene-Werft zu errichtenden Boote in Verhandlungen mit der Werft eine Lösung für Schadensminderung finden, die entweder den Bau der Boote ermöglicht, ohne sie derzeit auszuliefern, oder den Bau der Boote für eine inländische Nutzung vorsieht“, schreiben die Verfasser der Mitteilung.

Presseberichten zufolge enthält diese Embargo-Verlängerung jedoch eine Reihe von Ausnahmen. So gibt es nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters Ausnahmen für einige französische Firmen, die Gemeinschaftsgüter mit deutschen Bauteilen ausliefern dürfen. Die Bundesregierung sagte laut Reuters zu, dass von einer Liste von 16 beantragten Ausnahmen fünf genehmigt wurden. Dazu zählen laut Funke-Mediengruppe deutsche Drehkuppelungen für Radargeräte, Leistungsverstärker für Funkgeräte, aber auch ein bereits früher genehmigtes Artillerie-Ortungsradargerät vom Typ Cobra. Ein weiteres Cobra-System dürfe in die Vereinigten Arabischen Emirate geliefert werden. Berichten zufolge ist von den Ausnahmen ein Geschäftsvolumen von mehreren Hundert Mio EUR betroffen.

Der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) sieht die  Verlängerung des Rüstungsexportstopps der Bundesregierung sehr kritisch. „Mit der weiteren Verlängerung des Moratoriums verabschiedet Deutschland sich damit als Partner auf Augenhöhe von der Teilnahme an Europäischen Gemeinschaftsprojekten. Wir brauchen gemeinsame europäische Exportmaßstäbe, sonst funktioniert die Rüstungskooperation nicht“, wird Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des BDSV, in einer Mitteilung des Verbandes zitiert.

In vielen Fällen gehe es in diesen Fragen auch nur um die Zulieferung deutscher Teile, die in einem Rüstungsgut verbaut seien. „Damit unternimmt die Bundesregierung den Versuch unsere Partner ebenfalls zu einem Quasi-Embargo gegenüber Saudi-Arabien zu zwingen. In der Folge besteht die Gefahr, dass die deutsche Industrie ihre Fähigkeit zur Systemintegration und damit wesentliche, auch von der Politik erwünschte, industrielle Schlüsselfähigkeiten verliert“, so Atzpodien weiter.

Durch die Verlängerung des Exportstopps könnten außerdem Schadensersatzzahlungen auf die Bundesregierung zukommen, da bei einem Widerruf einer Exportgenehmigung der Bund vom betroffenen Unternehmen verklagt werden kann. Einen offiziellen Widerruf gibt es im Augenblick allerdings noch nicht, sondern lediglich die so genannten Ruhensanordnungen. Juristisch scheint auch noch nicht geklärt zu sein, ob die Bundesregierung Embargos gegen Staaten überhaupt verhängen darf, weil dieses Recht eigentlich der EU zusteht.

Presseberichten zufolge sind Lieferverträge von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien überdies mit staatlichen Hermes-Deckungen in der Größenordnung von 550 Mio EUR abgesichert. Unternehmen nutzen die  Hermes-Kreditversicherung als Mandatar des Bundes eigentlich, um sich gegen politische und wirtschaftliche Risiken im Bestellerland zu schützen. Einige Experten vertreten jedoch die Position,  dass Hermes auch im Fall des deutschen Saudi-Arabien-Embargos leisten müsste. Die Kosten trägt in diesem Fall  der Steuerzahler. Den betroffenen Firmen entgeht trotz Hermes-Deckung nicht nur der Gewinn, sondern sie müssen überdies einen Selbstbehalt aus eigener Tasche finanzieren.

Unklar ist offenbar auch, ob der Bund für vertraglich vereinbarte Strafzahlungen der Unternehmen wegen Lieferverzugs aufkommen muss. Denn aufgrund des Embargos dürften Pönale in Millionenhöhe auf eine Reihe von Firmen zukommen.
lah/12/29.3.2019

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