Anzeige

Großprojekte liegen hinter dem Zeitplan

In der Vergangenheit waren Rüstungsprogramme von zum Teil erheblichen Verzögerungen betroffen. Trotz Nachjustierung des Beschaffungsablaufs unter Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen scheint sich daran nichts Grundsätzliches geändert haben. Denn auch einige der  aktuell wichtigsten Großvorhaben der Bundeswehr liegen bereits außerhalb ihres Zeitplans, wie der gestern veröffentlichte Rüstungsbericht belegt.

So wird ein Vertrag für den neuen Schweren Transporthubschrauber der Bundeswehr nicht vor dem Jahr 2021 geschlossen. Wie es im Bericht heißt, sollen die beiden einzigen Wettbewerbsteilnehmer Sikorsky und Boeing Anfang kommenden Jahres – Insider sprechen von Mitte Januar – ihr indikatives Angebot abgeben.

Nach Auswertung der Angebote seien Vertragsverhandlungen mit den Bietern ab voraussichtlich März 2020 geplant. Mit dem Maßgabebeschluss vom 14. November 2019 habe der Haushaltsausschuss die Bundesregierung aufgefordert, ihn vor der Aufforderung zum „Best And Final Offer (BAFO)“ über die angebotenen Modelle für Betrieb, Wartung, Instandhaltung sowie Anpass- und Weiterentwicklung zu unterrichten. „Die Aufforderung zum BAFO ist für Oktober 2020 geplant“, schreiben die Autoren des Berichts weiter.

Mit dem vorgesehenen Vertragsschluss im ersten Quartal 2021 und der geplanten Parlamentsbefassung in der 16. Kalenderwoche 2021 sei eine zeitgerechte Ablösung der CH-53G weiterhin möglich, heißt es weiter. Aufgrund der Obsoleszenzen der gegenwärtig genutzten Maschinen erachtet die Bundeswehr den  Zulauf des Schweren Transporthubschrauber Mitte des kommenden Jahrzehnts für notwendig. Ursprünglich sollten die ersten Maschinen allerdings bereits  im Jahr 2022 oder 2023 zulaufen.

Nachbesserungsbedarf beim U-Boot-Vorhaben

Auch bei einem der wichtigsten Marine-Projekte, der Beschaffung von sechs identischen U-Booten der Klasse 212 CD durch die Marinen Norwegens und Deutschlands, wird der Vertrag nicht mehr wie ursprünglich vorgesehen im laufenden Jahr endverhandelt. „Der sehr ambitionierte Projektzeitplan in Verbindung mit dem erhöhten Abstimmungsaufwand mit Norwegen und dem Anbieter birgt das Risiko von weiteren Verzögerungen“, schreiben die Autoren des Berichts.  Die sachgerechte Projektfortführung auf Augenhöhe mit Norwegen sei auch weiterhin nur mit Personalunterstützung aus dem Nutzungsmanagement U212A sowie der WTD 71, des Marinearsenals und der Marine möglich. „Um eine technische Lösung zu finden, die im verfügbaren Budget liegt, kann es erforderlich sein, dass Änderungen an der Forderungslage vorgenommen werden müssen.“ Es komme allerdings auch darauf an, dass die Industrie der strategischen Bedeutung dieses Projekts entsprechendes Entgegenkommen zeigt. Nur so wird sich ein ausgewogenes Design auf der Basis eines für alle Seiten akzeptablen Vertrages erzielen lassen.

Übersetzt heißt dies, dass die Preisvorstellungen von tkMS als Bauwerft über dem Budget liegen, dass das norwegische Parlament ihrer Marine für den U-Boot-Kauf bereits fix zugebilligt hat. Ein erneuter Gang zum Storting soll offenbar vermieden werden und eine Preisreduktion lässt sich nur erreichen, wenn bei der Leistungsfähigkeit der Boote abgespeckt wird.

Im Bericht heißt es hierzu: „Im Projekt U212CD legen die beiden Partner derzeit gemeinsam mit der Industrie die Konfiguration fest, um schnellstmöglich eine optimale Leistungsfähigkeit der Boote im gegebenen Kostenrahmen zu verwirklichen. Auf dieser Basis soll der Vertrag im nächsten Jahr endverhandelt werden.“ Interessant in diesem Zusammenhang ist die noch laufende Diskussion in Norwegen, ob aufgrund der veränderten Sicherheitslage ein fünftes Boot beschafft werden soll.

MKS-Angebote werden noch ausgewertet

Auch bei der Ausschreibung für das Mehrzweckkampfschiff 180 (MKS 180) schiebt sich die Auswahl des Wettbewerbsgewinners entgegen der ursprünglichen Planung voraussichtlich in das kommende Jahr. Am 18. Juli hatten die beiden noch im Rennen befindlichen Konsortien um die niederländische Damen-Werft und German Naval Yards aus Kiel  das finale Angebot abgegeben. Dieser letzten Phase des Vergabeverfahrens waren zwei Angebotsrunden in einen Zeitraum von gut drei Jahren vorausgegangen.

Mit Eingang der BAFO begann die Auswertephase, die noch immer anhält. Das Ziel sei eine schnellstmögliche parlamentarische Befassung des nach Bewertung des BAAINBw zu bezuschlagenden Angebots, heißt es im Bericht. „Der Vertragsschluss ist für Anfang 2020 vorgesehen.“

TLVS auf einem kritischen Pfad

Auch beim größten Sorgenkind unter den bedeutendsten Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr, dem Taktischen Luftverteidigungssystem (TLVS), haben die Ankündigungen einer Vertragseinigung im laufenden Jahr  keinen Bestand mehr. Die Auswertung des zweiten Angebotes von Mitte des Jahres habe ergeben, dass das Angebot noch nicht den Anforderungen des öAG entspreche, „weil wesentliche, zum Teil bereits abschließend verhandelte Leistungen und Vertragsinhalte im Angebot nicht enthalten sind oder die Forderungen des öAG nicht

umgesetzt wurden“, heißt es im Bericht.   Der Auftraggeber führe  derzeit Gespräche mit der Industrie, um zügig eine diesbezügliche Klärung bis Ende des Jahres 2019 zu erreichen. Und weiter: „Das Projekt TLVS ist aufgrund der hohen technologischen und programmatischen Komplexität insgesamt fragil.“ Diese Aussage spiegelt die Stimmung in der betroffenen Rüstungsindustrie wider, wo teilweise schon spekuliert wird, dass das Vorhaben abgebrochen werden könnte.

Offenbar erwarten viele Beobachter bis Jahresende eine Grundsatzentscheidung. Im Rüstungsbericht heißt es dazu, es gebe weiterhin keinen „Entscheidungsautomatismus“. Der öAG werde eine kritische Bewertung des Gesamtpakets aus Leistung, Zeit, Kosten und Risikoverteilung vornehmen. Deren positiver Ausgang werde über die Fortsetzung des Vergabeverfahrens entscheiden.
lah/12/6.12.2019

.i.td-icon-menu-up { display: none; }