Deutschland leistet sich laut den Zahlen der European Defence Agency (EDA) von allen EU-Ländern die meisten Zivilbeschäftigten im Bereich Verteidigung. Wie aus einem Anfang der Woche veröffentlichten EDA-Bericht hervorgeht, hatte das deutsche Verteidigungsministerium im Jahr 2014 rund 85.300 Zivilangestellte auf der Gehaltsliste. Dagegen kamen Frankreich mit 61.000 und Großbritannien mit 58.200 auf deutlich geringere Zahlen – obwohl Frankreich mit 39,2 Mrd EUR und Großbritannien mit 48,2 Mrd EUR erheblich mehr für die Verteidigung ausgaben als die Bundesrepublik mit 34,7 Mrd EUR. Frankreichs Truppenstärke belief sich im Berichtsjahr auf rund 213.000 Männer und Frauen. Für Großbritannien wurden etwa 160.000 gezählt, während für Deutschland 184.000 militärische Dienstposten veranschlagt werden.
Der Anteil zivilen zu militärischen Dienstposten in der Bundesrepublik beträgt den EDA-Zahlen für 2014 zufolge 32 zu 68 Prozent. Nur Finnland (39/61 Prozent) und die Slovakei (34/66) erreichen höhere Werte bei ihren nicht-militärischen Stellen. Die EDA bildet die Daten für alle EU-Staaten außer Dänemark ab.
Tobias Lindner, Verteidigungs- und Haushaltsexperte der Grünen im Bundestag, hält den hohen Anteil der Zivilbediensteten für unkritisch. Dies sei zum Teil auf die im Gegensatz zu anderen Armeen striktere Trennung von Zivil- und Militäraufgaben und mehr Kontrolle in den Händen von Zivilisten zurückzuführen, sagte er am Mittwoch in Berlin.
Lindner kritisiert Verstoß gehen Haushaltsgrundsätze
Er kritisiert jedoch, dass die Personalausgaben des Verteidigungsressorts seiner Beobachtung nach seit Jahren zur gering angesetzt werden. So wurden laut Lindner von den 482 Mio EUR, die vergangenes Jahr nicht wie geplant in Beschaffungen geflossen sind, allein 151 Mio EUR dazu genutzt, um Löcher bei Personaltiteln wie Beihilfe, Entgelten und Trennungsgeld zu stopfen.
Darüber hinaus hat der Grünen-Abgeordnete untersucht, welche Verschiebungen es zur Verstärkung von Personaltiteln – der so genannten Hauptgruppe 4 – über Kapitelgrenzen hinweg gegeben hat. Nach Berechnung von Lindner wurden Titel der Hauptgruppe 4 mit insgesamt 974 Mio EUR aus anderen Kapiteln verstärkt. Der Großteil davon stamme aus den Verstärkermitteln, die in Einzelplan 6002 eingestellt waren (649 Mio EUR). Neben den Beschaffungsmitteln wurden dem Grünen-Politiker zufolge vor allem Minderausgaben beim Betriebsstoff (50 Mio EUR), der Entwicklung des Eurofighters (50 Mio EUR), den Beiträgen zur Nutzung von NATO-Anlagen (26 Mio EUR) und dem Betrieb der Fahrzeugen des Flottenmanagements (26 Mio EUR) genutzt, um Personaltitel zu verstärken.
Vor dem Hintergrund dieser Unterdeckung kritisiert Lindner die Politik des BMVg: „Die Personaltitel sind deutlich zu gering veranschlagt. Die Verteidigungsministerin muss quasi auf Probleme und Minderabflüsse in anderen Bereichen hoffen, weil sie sonst die Soldatinnen und Soldaten nicht bezahlen kann.“ Das Ministerium veranschlage die Mittel nicht bedarfsgerecht, rügte der Grünen-Politiker. Das habe mit Haushaltsklarheit und -wahrheit nichts mehr zu tun.
Bei Forschung und Entwicklung deutlich abgeschlagen
Auch wenn das deutsche Verteidigungsministerium in Europa den größten Stamm von Zivilisten beschäftigt, dürfte davon nur eine überschaubare Zahl im Segment Forschung und Entwicklung eingesetzt sein. Denn beim Vergleich mit dem Vereinigten Königreich und Frankreich – den beiden anderen großen europäischen Militärmächten – gibt das BMVg deutlich weniger für den Bereich aus, wie aus den EDA-Zahlen hervorgeht. So kalkuliert die Agentur für 2014 mit einem Wert von 846 Mio EUR für Deutschland, während Frankreich im gleichen Zeitraum 3,56 Mrd EUR und Großbritannien 3,75 Mrd EUR in F&E gesteckt haben. Gemessen an den gesamten Verteidigungsausgaben hat Deutschland demnach nur 2,4 Prozent für F&E investiert. Für Großbritannien errechnet die EDA hingegen den Wert von 4,5 Prozent und für Frankreich sogar 9,1 Prozent.
lah/12/22.6.2016