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Deutschen Werften führen Gespräche über Fusion

Die drei norddeutschen Werft-Gruppen Lürssen, tkMS und GNYK führen laut einem Bericht des NDR seit Anfang des Jahres  Gespräche über die mögliche Zusammenlegung ihrer Kapazitäten zum einem Unternehmen für Marineschiffbau. Diese Diskussion  hat  thyssenkrupp-Vorstand Oliver Burkhard auf seinem Twitter-Account mittlerweile bestätigt. Eine Konsolidierung mache gegebenenfalls Sinn, schreibt er. Allerdings sei eine klare Haltung des BMVg gegenüber der Industrie die Bedingung hierfür. Überdies müssten Fehler wie bei MKS 180 vermieden werden, so der Manager.

Ungewohnt offen zeigte sich auch Lürssen. Ein Sprecher des Unternehmens teilte auf Nachfrage mit: „Wir halten eine Konsolidierung der Systemhäuser im deutschen Marineschiffbau für sinnvoll und erforderlich, um dadurch nachhaltig die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.“ Unabhängig davon wünsche sich das Unternehmen einen zügigen Start der Projektumsetzung des MKS180, so der Sprecher weiter.

Die Vergabe des MKS könnte zur ersten Hürde für die Konsolidierung der Werftbranche  werden. Zu Jahresbeginn hatte das Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw einem Konsortium bestehend aus der niederländischen Damen-Werft und der zu Lürssen gehörenden Werft Blohm + Voss den Zuschlag für den Bau des MKS180 gegeben. Damit hatte erstmals seit mehr als fünf Jahrzehnten eine ausländische Werft den Auftrag für ein Großkampfschiff der deutschen Marine erhalten, was Schockwellen durch die heimische Industrie und Politik sendete.

Vergabekammer muss entscheiden

Das Nachsehen bei der MKS-Ausschreibung hatte die Werft German Naval Yards Kiel (GNYK), die mit einem US-Partner und thyssenkrupp Marine Systems (tkMS) als Unterauftragnehmer gegen Damen angetreten war. Das Angebot von GNYK wurde dem Vernehmen nach wegen Nichterfüllung einiger Anforderungen abgelehnt. Daraufhin beschritten die Kieler den Rechtsweg und rügten das Verfahren. GNYK hat angekündigt, notfalls bis zur letzten Instanz – dem Oberlandesgericht Düsseldorf – zu gehen, falls die Werft mit ihrer Beschwerde keinen Erfolg haben sollte. Gegenwärtig liegt der Vorgang jedoch noch bei der Vorinstanz, der Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt.  Presseberichten zufolge wird dort vermutlich nicht vor Juli eine Entscheidung fallen.

Nach Aussage von Jörg Herwig, CEO von GNYK, ist die Notwendigkeit einer deutschen Konsolidierung im Marineschiffbau in den vergangenen zwei Jahren sowohl von GNYK selbst, als auch vom Eigentümer, der Privinvest, immer wieder betont worden. „Nur ein starker deutscher Player wird künftig international wettbewerbsfähiger sein und den maritimen deutschen Hochtechnologiesektor sichern und ausbauen; zugleich ist es ein guter Weg zum Erhalt Tausender Arbeitsplätze und der Werft-Standorte in Deutschland“, so Herwig.

Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, befinden sich die Gespräche der drei Unternehmen noch am Anfang. So gibt es offenbar auch noch keine weiteren Details, wie ein Zusammenschluss aussehen könnte. In der Vergangenheit schien die Lürssen-Gruppe zwar durch den Kauf von Blohm + Voss und anderer Werften aktiv die Konsolidierung des Überwasser-Marineschiffbaus in Deutschland voranzutreiben. Allerdings wird dem Unternehmen nachgesagt, kein Interesse am U-Boot-Geschäft zu haben. Überdies bevorzugen es in Familienbesitz befindliche Werften wie Lürssen in der Regel,  selbst die Führung zu übernehmen. Ob dies bei einem deutschen Marineschiffbau-Konzern der Fall sein könnte, hinge von der gewählten Konstellation ab. Denn tkMS dürfte der größte der drei Partner sein mit rund 6.000 Mitarbeitern – wenn die Bremer Tochter Atlas Elektronik mitgezählt wird. Dabei ist tkMS fast vollständig auf das Militärgeschäft ausgerichtet, während die etwa 2.700 Mitarbeiter der Lürssen-Gruppe neben der Rüstungssparte auch im Zivilgeschäft tätig sind. Bei GNYK sollen rund 1.100 Mitarbeiter beschäftigt sein.

Konsolidierung sinnvoll

Nach Einschätzung von Beobachtern ist die Konsolidierung des deutschen Marineschiffbaus durchaus sinnvoll. Zum einen befinden sich die deutschen Werften im steigenden Wettbewerb mit staatlich kontrollierten und gestützten Werften in Südeuropa, wie der französische Naval Yards oder der italienischen Fincantieri, die miteinander verschmolzen werden sollen.  Zum anderen konkurrieren die drei heimischen Werftgruppen in unterschiedlicher Konstellation auch auf dem deutschen Markt, wie etwa bei der Ausschreibung für das MKS180. Dabei müssen alle drei Partner erhebliche Mittel für die Angebotserstellung aufwenden, die sie nicht zwangsläufig ersetzt bekommen. Dieses Geld fehlt dann womöglich bei anderen Projekten.

Dazu kommt, dass die Zusammenlegung von tkMS und GNYK betriebswirtschaftlich sinnvoll wäre, da beide Unternehmen auf dem gleichen Gelände in Kiel Gaarden ansässig sind und sich ergänzen würden. Schließlich haben beide Unternehmen einmal zusammengehört.  tkMS hatte vor rund einer Dekade  die Sparte des Überwasserschiffbaus aus dem Konzern ausgegliedert und an die Privinvest des französisch-libanesischen Unternehmers Iskandar Safa verkauft, woraus die GNYK hervorging. tkMS verfügt mittlerweile nur noch über Werftkapazitäten für U-Boote, so dass die vom Unternehmen ins Ausland verkauften Überwasserschiffe auf anderen Werften gebaut werden. Im Fall der Fregatten für Algerien direkt nebenan bei der GNYK, im Fall der Fregatten für Ägypten bei der Rönner-Gruppe. Die für den Überwasser-Schiffbau zuständigen Ingenieure von tkMS sind dagegen überwiegend in Hamburg angesiedelt, wo Lürssen die Werft Blohm + Voss betreibt. Auch hier wären Synergien denkbar.

Ein Zusammenschluss der Marinesparten würde auch die Position gegenüber dem nationalen Auftraggeber stärken und Abstimmungen vereinfachen. Schon in der Vergangenheit haben die  drei Unternehmen reichlich Erfahrung in der Zusammenarbeit gesammelt, etwa beim Bau der Korvetten K130 und Lürssen und tkMS bei Fregattenprojekten.  Eine Fusion könnte auch  zur Kostenreduktionen führen, etwa wenn Vorschiff- und Hinterschiff einer Fregatte nicht wie früher üblich von unterschiedlichen Werften gefertigt werden, um alle Player angemessen zu beteiligen. Ein großer Marineschiffkonzern hätte womöglich auch Vorteile am Finanzmarkt und bei der Gestellung von Bürgschaften.

Politik bereits involviert

Beobachter gehen davon aus, dass die Struktur eines neuen Konzerns zahlreiche Anforderungen berücksichtigen muss, um die Interessen der drei Partner zu berücksichtigen. Wobei mitunter spekuliert wird, dass Privinvest womöglich zum Verkauf von GNYK bereit sein könnte. Sollte eine Holding ins Auge gefasst werden, unter der die beiden Segmente Überwasserschiffbau sowie U-Boot-Bau hängen würden, könnten womöglich weitere Investoren einsteigen. Allerdings handelt es sich auch hierbei um reine Spekulationen.

Nach dem Brandbrief von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther und seinen Kollegen aus Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern  an die Bundesregierung gehen Insider davon aus, dass das Thema Konsolidierung des Marineschiffbaus auch in der höchsten politischen Ebene angekommen ist. Sollten deutsche Werften im militärischen Schiffbau weiterhin dem verzerrten europäischen Wettbewerb unterliegen und die Deutsche Marine ihre Aufträge nicht national vergeben, stehe der heimische Marineschiffbau vor einer „düsteren Zukunft“, hatte Günther Anfang Februar geschrieben und gefordert, den Marine-Schiffbau als nationale Schlüsseltechnologie einzustufen. Dies ist mittlerweile auch erfolgt.

Mittlerweile hat sich die Lage im deutschen Schiffbau aufgrund der Corona-Pandemie jedoch massiv verschlechtert, insbesondere der Bau von Kreuzfahrtschiffen steht vor einer großen Krise. Ob Megajachten, wie sie von Lürssen sein werden, auch betroffen sein werden, scheint noch nicht klar zu sein.

Vor dem Hintergrund der Corona-Krise  fordern sieben SPD-Abgeordnete aus den norddeutschen Bundesländern in einem aktuellen Positionspapier, dass die Bundesregierung  von ihrer Möglichkeit Gebrauch macht, Aufträge für Behördenschiffe, Forschungsschiffe und Marineschiffe zeitnah an deutsche Werften zu vergeben.  Dies müsse auch ohne nationale und europäische Ausschreibung möglich sein.  Öffentliche Aufträge könnten nach Meinung der Autoren als notwendiger Stabilitätsanker fungieren, um den maritimen Wirtschaftsstandort Deutschland langfristig zu sichern.
lah/16.4.2020

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