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Zusatzberichte zu Air2030 vorgelegt

Die Schweiz befindet sich gegenwärtig im Beschaffungsprozess für neue Kampfflugzeuge und eine bodengebundene Luftverteidigung großer Reichweite im Rahmen des Rüstungsvorhabens Air2030. Die erst seit einigen Monaten amtierende  Verteidigungsministerin,  Bundesrätin Viola Amherd, lässt gegenwärtig die Grundlagen dieses Projektes im Volumen von acht Mrd CHF überprüfen und hat dazu Ende vergangener Woche drei Zusatzberichte erhalten, die sie in Auftrag gegeben hatte.

Wie das Schweizer Verteidigungsministerium VBS in einer Mitteilung weiter schreibt,  handelt es sich um eine Zweitmeinung des Luft- und Raumfahrt-Experten Claude Nicollier zum Expertenbericht „Luftverteidigung der Zukunft“, eine Beurteilung der im Rahmen von Air2030 geforderten Kompensationsgeschäfte – so genannter Offsets –  des externen Beraters Kurt Grüter sowie eine Analyse der Bedrohungslage, die innerhalb des VBS erstellt wurde.

Nicollier empfiehlt neuen Planungsbeschlussentwurf

In seiner unabhängigen Stellungnahme zum Expertenbericht „Luftverteidigung der Zukunft“ hält Nicollier fest,   dass die Qualität des Expertenberichts außergewöhnlich hoch sei und der sachliche Inhalt von äußerst professioneller Arbeit zeuge. Er ist der Ansicht, dass der Inhalt des Berichts als Grundlage für sämtliche nachgelagerten Arbeiten im Zusammenhang mit dem Programm Air2030 anerkannt werden sollte.

Zudem empfiehlt er, einen neuen Planungsbeschlussentwurf vorzuschlagen. Dieser Entwurf soll nur die Kampfflugzeuge beinhalten und festlegen, dass der Entscheid des Bundesrates über den Flugzeugtyp unter keinen Umständen getroffen werde, bevor die Ergebnisse eines möglichen fakultativen Referendums bekannt seien.

Von den vier im Bericht vorgestellten Optionen empfiehlt Claude Nicollier nachdrücklich Option 2 zu bevorzugen, nämlich den Ersatz der derzeitigen Kampfflugzeugflotte durch rund 40 moderne Kampfflugzeuge und die Erneuerung der Boden-Luft-Verteidigung. Dabei sei alles daran zu setzen, dieser Option innerhalb des verfügbaren Finanzrahmens bestmöglich zu entsprechen. Der Bericht geht davon aus, dass bei dieser Lösung der politisch vorgegeben Kostenrahmen von acht Mrd CHF überschritten würde.

Darüber hinaus gibt der Ex-Astronaut Nicollier auch Empfehlungen zu den Kriterien für die Flugzeugauswahl ab. Soll sollten die zukünftigen Jets der Schweizer Armee über eine hohe Konnektivität verfügen –  insbesondere, um ins schweizerische Luftraummanagementsystem eingebunden zu werden. Darüber hinaus müsse für den Betreiber ein   angemessenes Maß an Autonomie beim Management und bei möglichen Änderungen der Software von Computersystemen gewährleistet sein. Als dritte Empfehlung zählt Nicollier die Fähigkeit des Flugzeugs auf,  Biokraftstoff zu verwenden. Zumindest sollte nachgewiesen werden, dass diese Fähigkeit erworben werden soll. Vor dem Hintergrund einer Nutzung der Flugzeuge von 40 Jahren sei diese Fähigkeit unerlässlich.

Als vierten Punkt fordert Nicollier gewisse Stealth-Fähigkeiten des neuen Flugzeugs.   Dieses Merkmal sei beim Luftpolizeidienst in einer aktuell eher ruhigen Situation von geringerer Bedeutung, würde aber in einer Spannungslage an Bedeutung gewinnen.

VBS sieht erhöhten Handlungsbedarf

Der Bericht über die Bedrohungslage entstand der Mitteilung des Ministeriums zufolge unter Federführung von Pälvi Pulli, Chefin Sicherheitspolitik VBS. Er enthält eine aktuelle Einschätzung der Bedrohungslage und zieht den Vergleich mit Analysen der letzten Jahre, die als Grundlage für die bisherigen Entscheide zur Erneuerung der Mittel für den Schutz des Luftraumes gedient haben. Der Bericht kommt zum Schluss, dass sich keine markanten Entwicklungen ergeben haben, die beim Bedarf an neuen Mitteln für den Schutz des Luftraumes wesentliche Änderungen nahelegen würden. Die Analyse bestätigt den Schluss, dass es auch künftig eine genügend große Anzahl Kampfflugzeuge und bodengestützte Mittel benötigt werden, um den Schweizer Luftraum wirksam schützen und verteidigen zu können. Die negativen Entwicklungen der internationalen Sicherheitslage in den vergangenen zwei Jahren und die zeitlichen Verhältnisse für diese Beschaffungsprojekte erhöhen den Handlungsbedarf.

Bericht empfiehlt geringere Offset-Forderungen  

Der externe Experte Kurt Grüter fordert in seinem Bericht, mehr Transparenz in die Offsetgeschäfte zu bringen. Außerdem hält er fest, dass Offset gegen das Prinzip des freien Außenhandels verstoße. Es solle deshalb ausschließlich und gezielt für die Stärkung der Industriebasis eingesetzt werden, die für die Sicherheit und Verteidigung der Schweiz unerlässlich sei. Zudem seien lediglich das direkte Offset sowie das auf die sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis ausgerichtete indirekte Offset maßgeblich. Auf indirektes Offset darüber hinaus sei zu verzichten. Eine Kompensation von 100 Prozent sei vor diesem Hintergrund und angesichts der Größenordnung von sechs bis sieben Mrd CHF Franken kaum zu realisieren.

Direkte Offsets in der Größenordnung von 20 Prozent und auf die sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis ausgerichtete indirekte Offsets von zusätzlichen 40 Prozent seien eher machbar, unter der Voraussetzung, dass bei der Bewertung der Offerten die Qualität der sicherheitsrelevanten Industrieprogramme sorgfältig evaluiert werden.

Wie das VBS in seiner Mitteilung schreibt, hat Verteidigungsministerin Amherd die Berichte zur Kenntnis genommen und wird die Ergebnisse in die weiteren Arbeiten im Programm Air2030 einbeziehen. Es sei vorgesehen, dass die Schweizer Regierung – der Bundesrat – noch vor dem Sommer darüber entscheidet, in welcher Form er die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge und eines neuen Systems zur bodengestützten Luftverteidigung dem Parlament vorschlägt. Auf der technischen Ebene läuft zurzeit die Flug- und Bodenerprobung der fünf Kandidaten für das neue Kampfflugzeug.
lah/12/6.5.2019

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