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Wird der Schützenpanzer Puma Opfer des Sparkurses?

Dem Verteidigungsministerium fehlen die Mittel, um alle in den kommenden Jahren geplanten Rüstungsvorhaben aus dem Einzelplan 14 zu finanzieren. Dies geht aus einer kürzlich vom BMVg an den Bundestag übermittelten Liste mit 35 Rüstungsprojekten hervor, bei denen in 16 Fällen die Finanzierung nicht gesichert ist. Das für diese Vorhaben benötigte Geld soll nach den Vorstellungen des Ministeriums aus dem Bundeshaushalt kommen.

Allerdings ist fraglich, ob sich das BMVg mit seinen Vorstellungen durchsetzen kann. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, welche Projekte nicht fortgeführt werden können. Wie es in einem kürzlich veröffentlichten Beitrag der Wirtschaftswoche heißt, könnte die Modernisierung des Schützenpanzers Puma womöglich ganz oben auf der Streichliste stehen. Diese Einschätzung wird in Fachkreisen geteilt.

Im Rahmen einer geplanten Modernisierung sollten die rund 350 Pumas des ersten Loses eigentlich auf den Stand VJTF 2023 gebracht werden. In dieser Konfiguration war dem Kampffahrzeug Anfang des Jahres die „Kriegstauglichkeit“ bescheinigt worden. Dabei geht es unter anderem darum, den Puma so auszustatten, dass er im Verbund mit den abgesessenen Soldaten als System Panzergrenadier agieren kann. Geschieht dies nicht, bleiben die Panzergrenadiere operativ weit unter ihren Möglichkeiten hinsichtlich Führung und Kommunikation zurück – quasi auf dem alten Niveau. Bei der Übernahme des Pumas in die Truppe vor einigen Jahren war deshalb von Anfang an klar, dass der Panzer in der ersten Ausbaustufe nur für die Ausbildung bis auf Zugebene eingesetzt werden konnte, wie es aus Kreisen der Bundeswehr heißt.

Nur ein Teil der Panzer wird modernisiert

Die Hochrüstung des gesamten ersten Loses scheint jedoch auszufallen. Denn die Kassenlage ist im Augenblick so angespannt, dass nur 154 Pumas für rund 1,05 Milliarden modernisiert werden können. Ein endverhandelter Vertrag dafür soll vorliegen. Für weitere 143 Panzer besteht lediglich eine Option.

Das Problem, dem sich das Bundesverteidigungsministerium gegenübersieht, sind die zahlreichen Rüstungsprojekte bei fallenden langfristigen Budgetlinien. „Die Finanzierungsprobleme ergeben sich insbesondere aus dem im Eckwertebeschluss vorgesehenen starken Rückgang der Haushaltsmittel nach dem Jahr 2022“, heißt es dazu in dem Papier des Verteidigungsministeriums.

Zwar führen die Experten des Bendler-Blocks auch eine Reihe von Vorhaben mit ausländischen Partnern in der Liste als nicht finanziert – darunter das U-Boot 212 CD mit Norwegen, die Beschaffung von Naval Strike Missiles, den Nachfolger für den Seefernaufklärer P-3C sowie FCAS und MGCS. Aufgrund der Bedeutung dieser Projekte für Deutschlands Ansehen als zuverlässiger Kooperationspartner, halten es Beobachter jedoch für wahrscheinlich, dass diese in den regulären Einzelplan 14 überführt werden. Dann müssten jedoch womöglich andere Vorhaben weichen. Wobei es dann leichter fallen dürfte, die Axt an ein rein nationales Rüstungsprojekt zu legen, wie es bei der Puma-Modernisierung der Fall ist – obwohl dieses im Einzelplan 14 abgebildet ist. Dabei dürfte gerade bei diesem Vorhaben die positive Auswirkung auf die nationale Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Know-how-Erhalt besonders groß sein.

Die Zeit wird knapp

Fraglich ist im Augenblick überdies, ob die 25-Mio-Vorlage für die Puma-Modernisierung überhaupt noch in den verbleibenden drei Sitzungsterminen durch die Ausschüsse des Bundestags gebracht werden kann. Denn nach augenblicklicher Planung ist die parlamentarische Behandlung in der 25. Kalenderwoche – dem letzten Termin vor der Sommerpause – zusammen mit 17 anderen Rüstungsvorhaben vorgesehen.

Die Beschaffung eines zweiten Loses Puma mit einer Stückzahl von knapp 230 Einheiten, um alle Panzergrenadierbataillone auszurüsten und den altersschwachen Marder abzulösen, wurde bereits in die nächste Legislaturperiode verschoben. Ob der Kauf überhaupt noch realistisch ist, bleibt eine offene Frage. Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, stellt die Industrie gegenwärtig dennoch ein Angebot unter Beteiligung der Unterauftragnehmer zusammen, damit nach der Wahl gegebenenfalls schnell gehandelt werden kann, um Lieferketten nicht abreißen zu lassen. Schätzungen zufolge könnten die Kosten für das zweite Los bei knapp über 3,4 Milliarden Euro liegen.

Eine Hochrüstung von rund 150 Panzern wäre zwar ein Anfang, mit dem die Industrie vermutlich eine gewisse Grundauslastung gewährleisten kann. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass nur einige Komponenten neu beschafft werden müssen und Zulieferer von Teilen für Wanne und Fahrwerk keine Aufträge erhalten.

Auch das Heer würde bei einem Teil-Upgrade vor neue Herausforderungen gestellt. Denn zusammen mit den 44 Pumas, die im Rahmen der VJTF 2023 bereits fest für das Upgrade vorgesehen sind, würde nur etwa mehr als die Hälfte des Puma-Bestands auf die moderne Variante aufgerüstet. Die restlichen müssten auf wesentliche Fähigkeiten verzichten. Etwa bei der Panzerabwehr: Der VJTF-Puma verfügt über einen Werfer mit zwei MELLS-Flugkörpern, der Puma 1. Los nicht. Auch bei der Digitalisierung sind beide Puma Varianten weit voneinander entfernt. Und nur der modernere Puma hat die abstandsaktive Schutzanlage MUSS.

Heer müsste drei Panzer-Varianten nutzen

Im Ergebnis muss das Heer mit drei verschiedenen Schützenpanzern auskommen: Den beiden Puma-Varianten plus dem mittlerweile 50 Jahre alten Marder. Das hätte erhebliche Auswirkungen auf die Ausbildung, heißt es aus Bundeswehr-Kreisen. Denn die zwei Varianten des Schützenpanzers verfügen über unterschiedliche Subsysteme. Während die Führung der Infanterie-Gruppe aus dem Standard-Puma nur wenig moderner ist als beim Marder, ist der VJTF-Puma so weit digitalisiert, dass er nach Meinung von Insidern selbst vergleichbaren US-Systemen überlegen ist. Und auch die Aufstellung von gemischten Puma-Verbänden ist aufgrund der unterschiedlichen Logistik und abweichender Funktechnik kaum möglich. Experten halten des deshalb für widersinnig, zunächst Milliarden für einen modernen Schützenpanzer auszugeben und dann die – vergleichsweise günstige –  Hochrüstung zur vollen Einsatzreife zu verweigern.

Auch der Verteidigungsexperte der Grünen im Bundestag, Tobias Lindner, sieht die Entwicklung kritisch: „Annegret Kramp-Karrenbauer fährt im Umgang mit dem Puma einen Schlingerkurs statt eine nachvollziehbare Strategie“, sagt er. Einerseits werde die gelungene Ertüchtigung eines Teils der Pumas für die VJTF abgefeiert, andererseits gebe es nun Zweifel, ob auch die restlichen Schützenpanzer auf diesen Konstruktionsstand gebracht werden sollen. „Natürlich müssen wir darüber diskutieren, ob ein zweites Los des Pumas wirklich Sinn macht. Ich habe angesichts einer Lage, in der hybride Bedrohungen immer höhere Priorität haben, Zweifel daran, ob mehr Pumas darauf wirklich die Antwort sind“, sagt Lindner. „Ich kann jedoch nicht nachvollziehen, wieso jetzt nicht alle Schützenpanzer auf den gleichen Konstruktionsstand gebracht werden sollen. Vor allem bleibt das Ministerium die Antwort schuldig, wofür dann die nicht hochgerüsteten Panzer eigentlich verwendet werden sollen“, kritisiert der Grünen-Abgeordnete.

Zur Abwehr von Drohnen  geeignet

Neben seinen Fähigkeiten als Schützenpanzer spricht noch ein anderer Fakt für den Puma: Womöglich könnte er mit geringen Mittel zur Abwehr von Drohnen ertüchtigt werden. So verfügt er über eine leistungsfähige Bordmaschinenkanone mit programmierbarer Munition und eine moderne Feuerleitung. Würde in einen Teil der Panzer ein Sensor eingerüstet, der anfliegende Drohnen detektiert und Lagedaten liefert, hätte die Truppe einen großen Sprung bei der Abwehr dieser immer größer werdenden Bedrohung gemacht.

Erste Tests sind dem Vernehmen nach bereits vielversprechend verlaufen. Dabei soll ein Puma mit einem passiven Sensor anfliegende Drohnen erkannt und auf Entfernungen von 800 Metern mit ein bis zwei Schuss zum Absturz gebracht haben. Insider gehen davon aus, dass die Bekämpfungsreichweite auf 2.000 Meter ausgeweitet werden kann und eine Vernetzung mit weiteren Sensoren – etwa dem Radar des für die qualifizierte Fliegerabwehr vorgesehenen Boxer – möglich ist.

Nach den Erkenntnissen des Bergkarabach-Konfliktes, der die Verwundbarkeit des deutschen Heeres gehen Drohnenangriffe deutlich gemacht hat, und dem Verlust der Heeresflugabwehr könnte der Puma einen wichtigen Beitrag zum Fähigkeitsaufbau in diesem Segment leisten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass genügend und moderne Panzer vorhanden sind.
lah/11.5.2021