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Vollausstattung bei abgestuften Qualitätsniveaus angestrebt

Das deutsche Heer soll nach den Worten seines Inspekteurs Jörg Vollmer quantitativ mit dem in der aktuellen Struktur festgelegten Material und Waffen vollständig ausgestattet werden, während bei der qualitativen Ausrüstung Abstufungen zwischen einzelnen Verbänden vorgesehen sind. Wie der General in seinem Vortrag während der Jahresanfangskonferenz der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik am Mittwoch in Bonn weiter erläuterte, wird die Bundeswehr deshalb noch viele Jahre mit altbekannten Fahrzeugen wie dem Fuchs oder dem Marder auskommen müssen.

Im vergangenen Jahr hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen das Ende des so genannten dynamischen Verfügbarkeitsmanagements angekündigt, bei dem die Truppe nur zu 70 Prozent mit dem benötigten Material ausgestattet wurde.

Ungeschützte Fahrzeuge für die Reserve

Vollmer verdeutlichte den Ansatz der abgestuften qualitativen Ausstattung anhand eines Divisionsgefechtsstreifens: Die zwei direkt an der Front eingesetzten Brigaden werden seinen Worten zufolge mit voll geschützten Fahrzeugen ausgestattet sein, während die dritte als Reserve zurückgehaltene Brigade zum Teil mit ungeschützten Fahrzeugen auskommen müsse. Je weiter von der Front entfernt, desto geringer die Schutzstufe.

Da es acht bis zehn Jahre dauern werde, bis der Schützenpanzer Puma vollständig in der Truppe eingeführt sei, werden laut Vollmer in den kommenden Jahren vier Panzergrenadierbataillone mit dem Marder ausgestattet bleiben, während fünf auf Puma umgerüstet werden. Gemischte Bataillone aus Mardern und Puma lehnt der Heeresinspekteur ab – das sei aufgrund der großen technischen Unterschiede beider Kampffahrzeuge nicht praktikabel. Auch der Transportpanzer Fuchs werde noch lange im Einsatz bleibe, da es noch nicht genug Boxer gebe.

Leopard-Umrüstung könnte drei Jahre dauern

Bereits im Dezember (siehe Artikel vom 18.12.2015) hatte Vollmer angekündigt, dass von den zukünftig sechs aktiven Panzerbataillonen nur zwei mit der modernsten Variante des Kampfpanzers Leopard 2, dem A7, ausgestattet werden. Für die Umrüstung der von der Industrie zurückzukaufenden Leoparden auf diesen Stand veranschlagt der General etwa drei Jahre.

„Wir brauchen Liefertreue“, forderte der Heeresinspekteur von den anwesenden Industrievertretern. Wenn Altmaterial bei der Bundeswehr plangemäß ausgesondert, aber neue Technik nicht wie vereinbart ausgeliefert werde, treibe dies einen Keil in die Truppe und stelle die Verlässlichkeit des Heeres in Frage. Auch müsse die Einsatzreife neuer Fahrzeuge früher hergestellt werden – die Zeitspanne von Auslieferung bis zur Einsatzreife sei oftmals zu lang, kritisierte Vollmer. So könne beispielsweise der Transportpanzer Boxer noch immer nicht bundeswehrintern gewartet werden, weil Elektronik-Zertifizierungen fehlten.

Frühe Information über Lieferverzögerungen gefordert

Vollmer wünscht sich überdies mehr „Ehrlichkeit und Transparenz“ von den Partnern der Wirtschaft. Denn aufgrund der Jährlichkeit der Bundeswehr-Haushaltsplanung müsse die Industrie möglichst im ersten Quartal mitteilen, wenn Lieferfristen nicht gehalten werden. Nur so könne man Haushaltsmittel noch auf andere Projekte umleiten. „Jetzt sind im Prinzip die entscheidenden Wochen des Jahres“, so der General.

In der Vergangenheit waren für die Verteidigung vorgesehene Haushaltsmittel wiederholt nicht abgeflossen, weil sich Rüstungsprojekte verzögert hatten. Die liefernden Unternehmen hatten dies aber zu spät mitgeteilt, so dass eine Umsteuerung nicht mehr möglich war.

Der Heeres-Inspekteur sieht im Augenblick eine ganze Liste von Gütern, die beschaffungsreif sind und kurzfristig eingekauft werden könnten – gerade im Fall von Lieferverzögerungen bei anderen Rüstungsprojekten. So hält der die schnelle Beschaffung von Panzerbrücken des Typs Leguan für erforderlich, da die Panzerschnellbrücke Biber den modernisierten Leopard 2 nicht trägt.

Spike könnte beschafft werden

Aufgrund der Lieferungen von Panzerabwehrraketen Milan an die kurdischen Peschmerga wünscht sich Vollmer kurzfristig den Zulauf der Panzerabwehrrakete Spike für den abgesessenen Einsatz – die gleiche Rakete ist im Rahmen des Waffenlage Mells für den Puma vorgesehen, aufgrund von Problemen mit der Startvorrichtung allerdings noch nicht operativ. Auch bei der Beschaffung von Munition, Ersatzteilen und dem System Infanterist der Zukunft – erweitertes System sieht Vollmer Handlungsbedarf.

Auf der Brigadeebene fehlt es laut Vollmer gegenwärtig an zusätzlichen Joint-Fire-Support-Teams, die die streitkräftegemeinsame Feuerunterstützung lenken können. Eine Lücke klaffe auch bei der Sperrfähigkeit. Hier sei zumindest die Verschrottung von Minenwerfern des Typs Skorpion und anderer Minenleger gestoppt worden – eine Aktivierung erfordere jedoch zusätzliche Finanzmittel. Eine „Herkulesaufgabe“ sieht der General in der Modernisierung der in wenigen Jahren obsoleten SEM-Funkgeräte der Bundeswehr. Hier müsse in „großen Kategorien“ gedacht werden.
lah/20.1.2016

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