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Steht Milliardengeschäft mit Deutschland bevor?

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Bundeskanzler Olaf Scholz wird in wenigen Tagen am 27. Oktober den griechischen Premierminister Kyriakos Mitsotakis in Athen treffen und sich mit ihm zu aktuellen wirtschafts- und europapolitischen Fragen austauschen. Dabei dürfte es auch um den Ukraine-Krieg und den mit Griechenland in diesem Zusammenhang vereinbarten Ringtausch gehen: Die Griechen liefern Schützenpanzer des Typs BMP-1 an die ukrainischen Streitkräfte und erhalten im Gegenzug Schützenpanzer Marder aus Deutschland. Die ersten Marder sollen Presseberichten zufolge möglichst bei der Parade zum griechischen Nationalfeiertag am 28. Oktober mitfahren.

Womöglich geht es bei den Gesprächen noch um wesentlich größere Rüstungsgeschäfte. Wie Medien berichten, plant Griechenland seine Kampfpanzer der Typen Leopard 1 und Leopard 2 zu modernisieren sowie die aus deutscher Fertigung stammenden vier MEKO-Fregatten der Hydra-Klasse einem Upgrade zu unterziehen. Darüber sollen rund 200 Schützenpanzer des Typs Lynx von Rheinmetall auf der Einkaufsliste stehen.

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Der Presse zufolge geht es konkret um die Modernisierung von 190 Leopard 1 sowie 183 Leopard 2, was mit bis zu zwei Milliarden Euro zu Buche schlagen soll.  Für 205 Schützenpanzer Lynx KF41 wird dagegen nur ein Wert von 1,4 Milliarden Euro kalkuliert, die Fregatten-Modernisierung soll bei 600 Millionen Euro liegen. Wobei der Wert eines potenziellen Lynx-Deals wohl deutlich höher liegen dürfte. So muss Ungarn, dass ebenfalls 209 Fahrzeuge dieses Typs beschafft, über zwei Milliarden Euro dafür aufwenden. Und dieser Vertrag wurde deutlich vor dem Ukraine Krieg und der damit einhergehenden Inflation geschlossen.

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In den Medien wird nur darüber spekuliert, dass beim Scholz-Besuch der Rüstungsdeal oder Teile davon verkündet werden könnten. Ob dies der Fall sein wird, scheint ungewiss. Denn zunächst muss die Finanzierung für ein solch großes Vorhaben sichergestellt werden. Dass Griechenland seine Streitkräfte dringend modernisieren will, dürfte an den sich verschlechternden Beziehungen zum Nachbarland Türkei und den Drohungen aus Ankara liegen. Beim Kauf von Waffen erhoffen sich Regierungen oftmals, damit auch die politische Unterstützung des Verkäuferlandes zu erhalten. Vermutlich gilt dies auch für Griechenland. So hat Athen in Frankreich 24 Rafale-Kampfflieger und drei Fregatten bestellt. Die USA sollen 20 Kampfflugzeuge des Typs F-35 liefern. Würde jetzt auch in Deutschland beschafft, würde dies ein Signal an das östliche Nachbarland senden.

Den Fakt, dass Athen an die Beschaffung von rund 200 Schützenpanzern Lynx Interesse hat, bestätige Rheinmetall-CEO Armin Papperger bereits in einem Analysten-Call Anfang August. Damals rechnete er jedoch mit Start eines griechischen Ausschreibungsverfahrens für Schützenpanzer im kommenden Jahr. Nach Aussage von Papperger vom August arbeiteten das Kanzleramt und Verteidigungsministerium seinerzeit noch an der Umsetzung des Ringtauschs. Griechenland habe einen Bedarf von 100 Mardern bis Jahresende, so der Rheinmetall-Chef damals. Da sich Athen mittlerweile dazu entschlossen hat, den Marder einzuführen, wird das von einigen Beobachtern als Präjudiz für die weitere Ausrichtung der Beschaffung gesehen.

Sollte es zu Vertragsschlüssen für die Landsysteme kommen, würde vermutlich ein Teil der Wertschöpfung in Griechenland erfolgen, so wie dies bereits bei der Lieferung von Leopard-2-Panzern erfolgt ist. Noch immer sind griechische Unternehmen in die Lieferkette für den Panzer eingebunden. So wurden die Wannen für die kürzlich nach Katar gelieferten Leoparden in Griechenland bei Metka geschweißt, wie aus Presseveröffentlichungen zu entnehmen ist. Der deutsche Panzerbauer KMW arbeitet mit der griechischen Firma EODH seit 20 Jahren zusammen und hat erst im Juni auf der Rüstungsmesse Eurosatory in Paris einen neuen Vertrag unterzeichnet. In dessen Rahmen könne EODH zum Beispiel Schutz-Upgrade-Pakete oder -Kits für Kampfpanzer entwickeln, bauen und anbieten, die auf den ASPIS NG Panzerungsmodulen und Schutztechnologien der neuen Generation von EODH basieren, wie das Unternehmen seinerzeit mitteilte.

Dem Vernehmen nach will Griechenland bereits seit längerer Zeit seine vier Hydra-Fregatten modernisieren, wobei allgemein ein Vertragsabschluss vor den Wahlen im kommenden Jahr erwartet wurde, was jedoch jetzt vorgezogen werden könnte. Hiervon würden höchstwahrscheinlich thyssenkurpp Marine Systems (tkMS) als Hersteller und Thales Niederlande profitieren, auch wenn sich vor wenigen Tagen Lockheed Martin aus den USA wieder ins Gespräch gebracht hat. Inwieweit diese Modernisierung wie auch die genannten Panzer-Projekte finanzierbar sind, bleibt jedoch offen. Denn wie es aus Fachkreisen heißt, steht die griechische Marine angeblich kurz davor, einen Milliarden-Vertrag mit der italienischen Werft Fincantieri zur Lieferung von vier Korvetten zu schließen. Im Wettbewerb um die Korvetten sollen sich außerdem noch Damen aus den Niederlanden und die französische Naval Group befinden.

Ein solcher Kauf könnte dazu führen, dass die Modernisierung der MEKO-Schiffe weiter nach hinten verschoben wird, weil die Mittel der Marine nicht für alle Pläne gleichzeitig ausreichen. Zumal Militärs oftmals neue Systeme der Runderneuerung alter Schiffe vorziehen. Dagegen steht allerdings, dass das Griechenland bereits in der Vergangenheit trotz schlechter Kassenlage immer wieder Wege gefunden hat, Rüstungsprojekte zu finanzieren. So wurden dem Vernehmen nach die in Deutschaland gekauften U-Boote über Kredite finanziert.

Sollte Fincantieri tatsächlich den Zuschlag für die Korvetten erhalten, wäre damit ein weiteres europäisches Land über ein Rüstungsprogramm mit Griechenland verbunden. Die italienische Staatswerft hat in den vergangenen Wochen Presseberichten zufolge schon damit begonnen, eine Reihe von Absichtserklärungen mit potenziellen griechischen Zulieferern zu schließen und soll bereit sein, einen dreistelligen Millionenbetrag in die Elefsis-Werft zu investieren, wo die Korvetten gebaut würden. Abzuwarten bleibt jedoch, wie sich die neue rechte Regierung in Italien unter Giorgia Meloni zu dem Korvetten-Geschäft positioniert und ob eine Finanzierungslösung gefunden wird.
lah/23.10.2022