Die Bedeutung der Weltrauminfrastruktur und Weltraumtechnologie wird für die Wirtschaft, Gesellschaft und Verteidigung immer größer. Vor diesem Hintergrund hat die SPD-Bundestagsfraktion heute ein Positionspapier zur zukünftigen Rolle Deutschlands im Weltraum mit einem umfangreichen Forderungskatalog verabschiedet. Darin mahnen die Politiker unter anderem an, das Budget für das nationale Raumfahrtprogramm so zu entwickeln, dass Deutschland „auf Augenhöhe“ mit seinen internationalen Partnern agieren kann.
„Für eine gute Raumfahrtpolitik braucht es heute Rechts- und Planungssicherheit für Unternehmen und Forschungseinrichtungen, wettbewerbsfähige Raumfahrtbudgets, auskömmliche Förderprogramme und Fähigkeiten, mit denen wir unsere Weltrauminfrastruktur schützen und überwachen können“, begründen die SPD-Politiker, warum sich die Bundesrepublik stärker mit der Thematik befassen sollte.
Die Politiker fordern die Bundesregierung auf, hoheitlich genutzte Weltrauminfrastruktur (Weltraum-, Bodensegment und Datenverbindungen) als kritische Infrastruktur anzuerkennen. Und weiter: „Deutschland benötigt, eingebettet in ein gemeinsames europäisches Vorgehen, unabhängigen Zugang zum Weltraum. Das heißt explizit, eigene Startkapazitäten und -plätze, sowie eigene Trägerraketen und Satelliten, die schnell Ausfälle kompensieren können.“ Deshalb begrüße man die Initiative zur Schaffung einer mobilen Startplattform in der deutschen Nordsee. „Eine europäische Zusammenarbeit mit Deutschland als Anlehnpartner bietet sich auf diesem Gebiet an.“
Nationales Weltraumgesetz gefordert
Die Bundesrepublik sollte nach Ansicht der SPD-Fraktion auf nationaler Ebene mit der Erarbeitung eines Weltraumgesetzes beginnen, mit dem die Anforderungen des Völkerrechts erfüllt, die Rechtssicherheit gestärkt und gleichzeitig Investitionssicherheit geschaffen werde.
Gleichzeitig warnen die Politiker davor, mit einem entsprechenden nationalen Gesetz die deutsche Raumfahrtlandschaft zu stark zu belasten. Andernfalls werde dies im internationalen Vergleich zum Nachteil, „aber gerade Haftungs- Genehmigungs-, und Versicherungsfragen bedürfen der rechtlichen Klarstellung“. Darüber hinaus plädiert die SPD-Fraktion für die Einrichtung einer Stabsstelle Raumfahrt im Kanzleramt.
Mit Blick auf die Wirtschaft schreiben die SPD-Politiker: „Die Bundesrepublik sollte nach dem Vorbild der USA die Rolle als Ankerkunde der Industrie einnehmen. Die direkte Auftragsvergabe an die Unternehmen eignet sich dazu, Risiken zu minimieren und Investitionsfreude zu wecken und gezielt Innovationen zu fördern und so ein Level-Playing-Field auf internationaler Ebene zu schaffen.“
Großen Raum nimmt in dem Positionspapier auch das Thema Sicherheit ein. „Um die Resilienz unserer kritischen Weltrauminfrastruktur zu erhöhen, müssen deren Bestandteile redundant und in rollierender Beschaffung verfügbar sein“, heißt es darin. Deutschland benötige die Fähigkeit, Satelliten, die hoheitliche Aufgaben erledigen, schnell ersetzen zu können, gegebenenfalls im Verbund mit den europäischen und internationalen Partnern. Für die Resilienz der kritischen Weltrauminfrastruktur sei es außerdem notwendig, den zivilen und militärischen Aufwuchs der Weltraumlagefähigkeiten sicherzustellen. „Wir müssen zu jeder Zeit die Möglichkeit haben, mit unseren Satelliten der kritischen Infrastruktur zu kommunizieren. Dafür bedarf es einer engen Kooperation mit Partnerstaaten“, schreiben die Politiker.
Die SPD-Fraktion sieht in einer weiteren europäischen Integration der nationalstaatlichen Weltraumprogramme im EU Satellite Centre (SatCen), der EU Space Programme Agency (EUSPA) sowie der Gründung eines EU Information Sharing and Analysis Centre (EU Space ISAC) und der Koordinierung der nationalstaatlichen Strategien über die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) wichtige Schritte zur Stärkung einer gemeinsamen, souveränen europäischen Sicherheitsarchitektur.
„Die Bundeswehr sollte über Fähigkeiten verfügen, die nicht-kinetisch und reversibel sind, keinen Weltraumschrott erzeugen und trotzdem eine Wirkung im Weltraum erzielen können. Deutsche und europäische Weltrauminfrastruktur ist schützenswert und wird von systemischen Konkurrenten als Hochwertziel definiert“, heißt es im Positionspapier mit Blick auf die nationale Verteidigung. Die Rolle von zivilen Beschäftigten in der Produktion und dem Betrieb der Weltrauminfrastruktur müsse für den Landesverteidigungs- bzw. Bündnisfall geregelt sein. „Dies kann über den Reservedienst geregelt werden, inkludiert aber in jedem Fall eine enge zivil-militärische Zusammenarbeit.“
Kevin Leiser, Berichterstatter für die Themen Weltraum, Cybersicherheit, Elektronischer Kampf und Kommando CIR der SPD-Bundestagsfraktion im Verteidigungsausschuss und einer der Verfasser des Papiers betont, dass Satelliten, Datenverbindungen und Bodensegmente zur kritischen Infrastruktur gehören und deshalb einem besonderen Schutz unterliegen müssen. „Weltrauminfrastruktur ist das Rückgrat unserer Informationsgesellschaft. Sie ist in besonderem Maße systemrelevant“, sagt er.
Dies bezieht er auch auf die Bundeswehr: “Der Krieg in der Ukraine zeigt, wer die besten Lagebilder hat, ist im Vorteil. Diese Lagebilder entstehen mit Hilfe von Satelliten. Die Bundeswehr ist in diesem Bereich gut, kann aber noch besser werden.“
Der SPD-Politiker weist darauf hin, dass das Bundeswehr-Sondervermögen auch Mittel für den Ausbau des Weltraumlagezentrums vorsieht. „Ich bin sehr froh, dass bereits im Oktober das Personal im Weltraumkommando aufwächst“, so Leiser.
Beobachter gehen davon aus, dass das Positionspapier auch in die Formulierung einer neuen Weltraumstrategie der Bundesregierung einfließen wird, die dem Vernehmen nach zum Sommer ins Kabinett gehen soll.
lah/25.4.2023