Die Bundesregierung geht offenbar von keiner schnellen Umsetzung eines von Teilen der Wirtschaft geforderten Weltraumbahnhofs in Deutschland zum Start von so genannten Microlaunchern aus. Unter anderem promotet der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) eine Abschussplattform für Kleinraketen in der Nordsee zum Transport von kleinen Nutzlasten in den Orbit und hatte ein kurzfristige Entscheidung angemahnt.
Wie es in der Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion heißt, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt und auf der Basis der noch am Beginn stehenden Diskussion eine Bewertung der Idee einer Offshore-Abschussplattform oder eines Weltraumbahnhofs insbesondere für Microlauncher noch nicht belastbar möglich, da noch zahlreiche Fragen ungeklärt seien.
„Insbesondere sind bei einer Startplattform in der Nordsee die Genehmigungsfähigkeit und weitere regulatorische Aspekte ebenso wie mögliche Konflikte mit anderen Nutzungen (insbesondere Windenergie auf See, Luftfahrt, Schifffahrt und die einschlägigen Umweltaspekte wie Meeresumwelt-, Klima- und Naturschutz) umfassend und unter Einbeziehung zahlreicher Stellen zu prüfen“, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort. Nach ihrer Meinung wird das Potenzial eines Weltraumbahnhofs wesentlich von der Frage abhängen, ob ein ausreichender Bedarf besteht, der einen wirtschaftlich aus eigener Kraft tragfähigen Betrieb erlaubt.
Eine Positionierung der Bundesregierung zu einem Abschussplatz für Miniraketen in der Nordsee sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich, heißt es weiter. „Hierfür ist zunächst der Abschluss der Prüfungen im Ressortkreis abzuwarten.“
Nach Einschätzung der Bundesregierung gibt es aktuell mehrere europäische Projekte zum Aufbau von Startplätzen für Microlauncher. Dazu zählten die Bestrebungen auf den Azoren (Portugal), ein Startplatz in Schottland, auf den Shetland-Inseln (Vereinigtes Königreich), in Andøya in Norwegen und Esrange in Schweden. Zudem gebe es weitere Vorschläge zur Nutzung von ausgewählten Flugplätzen für horizontal startende Systeme. „Darüber hinaus gibt es den schon operationellen europäischen Weltraumbahnhof in Französisch Guyana, der grundsätzlich auch als Startplatz für deutsche Microlauncher in Frage kommt und von der Bundesregierung mitfinanziert wird.“
Eine Machbarkeitsstudie, die das DLR im Auftrag des Ministeriums für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung des Landes Mecklenburg-Vorpommern sowie des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern erstellt habe, zeige eine grundsätzliche Eignung des Flughafens Rostock-Laage für den Airlaunch von Raketen und Raumfahrzeugen für orbitale und suborbitale Missionen sowie die Rückkehr wiederverwendbarer Raumfahrzeuge auf. „Der Flughafen bringt nach dieser Studie die Grundvoraussetzungen zur Einrichtung eines Weltraumflughafens mit“, so die Bundesregierung.
Deutsche Unternehmen bzw. Industrie und Forschungsinstitutionen und -organisationen sind nach derzeitigem Kenntnisstand der Bundesregierung nicht grundsätzlich auf einen Startplatz in Deutschland angewiesen. Die der Bundesregierung bekannten Aktivitäten im Bereich Kleinsatelliten und Microlauncher würden mit der Absicht eines kommerziellen Betriebs und Gewinnerzielung entwickelt. „Der Startplatz muss deshalb den Bedingungen der Wirtschaftlichkeit genügen und für den Endkunden Teil einer attraktiven Startdienstleistung sein“, heißt es in der Antwort. Ein europäischer Startplatz auf dem Territorium der EU (europäischer Kontinent, Inseln und Französisch-Guyana) erscheine im Hinblick auf wirtschaftlich-technische Aspekte attraktiv.
Gegenwärtig arbeiten mindestens drei deutsche Unternehmen an Microlaunchern. Es handelt sich dabei um Hylmpulse Technologies GmbH, Isar Aerospace GmbH sowie Rocket Factory Augsburg AG.
lah/12/15.10.2020