Noch vor wenigen Tagen schienen die Meinungsverschiedenheiten in Rüstungsfragen zwischen Deutschland und Frankreich bei den beiden großen Vorhaben im Luft- und Landbereich eher zu wachsen als abzunehmen. Doch nach dem Regierungstreffen beider Staaten am Mittwoch in Toulouse sieht es so aus, als ob wesentliche Gegensätze ausgeräumt und die Projekte mit neuer Energie aufgeladen wurden. Zumindest, wenn man die Formulierungen aus der Mitteilung des französischen Verteidigungsministeriums zu den Ergebnissen des Treffens wörtlich nimmt.
Dort heißt es, dass Frankreich und Deutschland ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit im Bereich der Rüstungsindustrie bekräftigen, um gemeinsam fortschrittliche Verteidigungstechnologien und -systeme zu entwickeln, die sowohl den künftigen nationalen als auch den europäischen Verteidigungsbedürfnissen entsprechen.
Im Luftfahrtbereich wollen beide Länder ein Next Generation Weapon System innerhalb eines zukünftigen Luftkampfsystems (NGWS/FCAS) entwickeln. Forschungs- und Technologiearbeiten würden bis Ende Januar 2020 vertraglich vereinbart mit dem Ziel, einen flugfähigen Demonstrator eines Kampfjets der nächsten Generation bis 2026 zu entwickeln. Deutschland und Frankreich begrüßen dabei die Beteiligung Spaniens. Nachdem Deutschland im vergangenen Juni auf der Pariser Luftfahrtschau entsprechende Zusagen gemacht habe, beginne nun eine neue Phase der gemeinsamen Konzeptstudie. Das Vorhaben werde weiteren europäischen Staaten offenstehen, so der Text.
Wahrscheinlich geht es dabei um die so genannten Demonstrator-Studien, für Kernelemente des zukünftigen Kampfflugzeugs. Deutschland hatte bislang die Vergabe der Mittel in Höhe eines hohen zweistelligen Millionenbetrags an Fortschritte beim zukünftigen Main Ground Combat System (MGCS) gekoppelt, das bis vor kurzem aufgrund der fehlenden industriellen Einigung nicht vorangekommen war.
Laut Vereinbarung bekräftigen Frankreich und Deutschland nun aber ihre Zusage, bis 2035 gemeinsam ein MGCS zu entwickeln. Beide Staaten begrüßen daher die Unterzeichnung einer Absichtserklärung durch die wichtigsten französischen und deutschen Industriepartner über ihre Zusammenarbeit bei der ersten Studienphase des Vorhabens, wie es weiter heißt.
Anfang der Woche hatte die FAZ berichtet, dass Rheinmetall an einer neuen Projektgesellschaft für MGCS beteiligt werde. Während Nexter 50 Prozent daran übernehme, würden KMW und Rheinmetall jeweils 25 Prozent erhalten. Laut FAZ sollen alle drei Firmen zu je einem Drittel an neun Arbeitspaketen für MGCS beteiligt werden, wobei der Gesellschafterkreis der KNDS-Holding gleich bleibe und Rheinmetall nicht daran beteiligt werde. Von KMW war zu den Aussagen keine Stellungnahme zu erhalten.
Die Technologie-Demonstrator-Phase bei MGCS werde Anfang 2020 mit einer Studie zur Systemarchitektur für das Projekt beginnen, heißt es in der Vereinbarung weiter. Darüber hinaus würden Frankreich und Deutschland Schritte zur weiteren Konsolidierung und Weiterentwicklung ihrer Landsystemindustrien prüfen. Das Vorhaben soll demnach weiteren europäischen Staaten offenstehen. Beobachter sind gespannt, ob sich beide Staaten bei MGCS auf ein gemeinsames Konzept einigen werden. Denn wie sich beim zweiten bilateralen Projekt auf Landsystemebene – dem Common Indirect Fire System oder CIFS – schnell gezeigt hat, divergieren die Anforderungen beider Streitkräfte erheblich voneinander. Das Vorhaben wurde deshalb in den Tiefschlaf versetzt.
Darüber hinaus haben laut Text beide Parteien bekräftigt, Anfang 2020 eine Machbarkeitsstudie für das als Maritime Airborne Warfare System (MAWS) bezeichnete Seefernaufklärungssystem zu vereinbaren. Dem Vernehmen nach soll hier anders als bei FCAS nicht die zukünftige fliegende Plattform, sondern die Sensorik in einem ersten Schritt untersucht werden.
Abschließend führt der Text auf, dass gemäß Artikel 4 des Vertrags von Aachen vom 22. Januar 2019 Deutschland und Frankreich vereinbart haben, eine gemeinsame Position zum Export gemeiner Rüstungsprojekte zu entwickeln. Beide Staaten hätten demnach ihre Verhandlungen zu einem rechtlich bindenden Abkommen abgeschlossen, dessen letzte Schritte so bald wie möglich umgesetzt werden sollen.
Presseberichten zufolge soll gemäß diesem Abkommen für grenzüberschreitende Zulieferungen ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren genutzt werden, wenn der Zulieferanteil unter 20 Prozent liegt. Bei bilateralen Rüstungsvorhaben wie FCAS oder MGCS dagegen solle dagegen die Ausfuhr nur unterbunden werden können, wenn das direkte Interesse eines Partnerlandes betroffen oder die nationale Sicherheit bedroht sei.
lah/12/18.10.2019