Ein heute von der Bundeswehr veröffentlichtes Video zeigt neues, im Rahmen der Entwicklung erstelltes Bild- und Videomaterial des Enforcer von MBDA Deutschland, welcher derzeit bei den Spezialkräften der Bundeswehr unter der Bezeichnung Leichtes Wirkmittel 1800+ eingeführt wird. Das an der Wehrtechnischen Dienstelle 91 in Meppen aufgenommene Video zeigt unter anderem die Systembestandteile der neuen schultergestützten Mehrzweckwaffe sowie die unterschiedlichen Wirkeffekte des Mehrzweckgefechtskopfes. Das Zielspektrum umfasst leicht gepanzerte Fahrzeuge und Ziele hinter Deckungen – auch in urbanen Einsätzen.
Erprobt wurden unter anderem die Funktionalität, der Wirkung, der Zünder, der Raketenmotor, die Verpackung sowie der elektromagnetischen Effekte.
Beim Leichten Wirkmittel 1800+ respektive dem Enforcer handelt es sich um einen leichte, schultergestützte Fire-and-Forget-Mehrzweckpräzisionseffektor, welcher auf Basis von Anforderungen deutscher Spezialkräfte entwickelt wurde. Grundlage für die Forderungen waren die Erfahrungen der Bundeswehr und befreundeter Streitkräfte. Insbesondere im abgesessenen Einsatz verfügte die Truppe über keine Waffensysteme, die es ihr erlaubt hätten, mit schweren Maschinengewehren ausgerüstete Feindgruppierungen, deren effektive Waffenreichweite bei rund zwei Kilometern liegt, auf weitere Entfernungen gezielt zu bekämpfen und auch hinter Deckung wirken zu können.
MBDA Deutschland hatte das Konzept für die Waffe bereits vor rund einem Jahrzehnt vorgestellt, war jedoch erst Ende Dezember 2019 mit der Entwicklung beauftragt worden. Mittlerweile befindet sich das Waffensystem in Serienfertigung und konnte sogar schon einen ersten Exportkunden gewinnen, hartpunkt berichtete.
Der Hersteller MBDA Deutschland hat erst vor wenigen Wochen auf der Plattform LinkedIn ein Video von der Truppenerprobung des Wirkmittels veröffentlicht.
Sowohl die Bundeswehr, als auch der Exportkunde setzen den Enforcer in Kombination mit dem Feuerleitvisier Dynahawk von Hensoldt ein. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, den Enforcer über das von Aimpoint neu entwickelte Mulitfunktionsfeuerleitvisier „Fire Control Sight 14“ (FCS 14) zu verschießen, was die Exportchancen der Waffe noch weitern steigern dürfte. Interessant in diesem Zusammenhang ist der Umstand, dass die EU-Kommission im März 2024 vorgeschlagen hat, die Steigerung der Enforcer-Produktionskapazitäten im Rahmen des ASAP-Programms (Act in Support of Ammunition Support) der EU zu fördern.
Enforcer / Leichtes Wirkmittel 1800+
Das Gesamtgewicht des Enforcers mit Dynhawk liegt bei rund zwölf Kilogramm. Deshalb kann er auch von einer Person getragen und abgefeuert werden. Das Waffensystem wurde MBDA-Angaben zufolge dahingehend konzipiert, um abgesessenen Kräften eine schnelle und präzise Wirkung auch gegen sich bewegende Ziele in einer Entfernung bis zu 2.000 Metern zu liefern.
Nach Angaben des Unternehmens konnte der Enforcer im Rahmen von unterschiedlichen Schießversuchen mit gelenkten Schüssen auf bis zu 2.000 Meter mehrere sehr genaue Treffer in allen drei Zündermodi erzielen. Auf veröffentlichten Demovideos sind mittige Treffer auf einer 2×2 Meter großen Zielscheibe, welche sich in 1.500 Metern Entfernung befunden hat, zu erkennen. Auch leicht gepanzerte Ziele können mit dem Enforcer präzise bekämpft werden.
MBDA gibt die Fähigkeiten des Enforcer wie folgt an:
- Reichweite 2000 m +
- Fire-and-Forget-System
- Passive 24h-Fähigkeit
- Lock-On Before Launch (LOBL)
- Höchste Präzision über die gesamte Reichweite
- Multi-Effekt-Gefechtskopf mit Multimode-Zünder
- Airburst-Fähigkeit (Luftsprengpunkt)
- Einsatz aus umschlossenen Räumen
- Ein-Mann-Bedienung
Weiterentwicklung
MBDA Deutschland plant seit geraumer Zeit eine breite Effektorfamilie auf Basis des Enforcers zu realisieren. Zu nennen wäre die als Enforcer X bezeichnete Panzerabwehrvariante der Waffe sowie ein noch nicht final benannter und auf die Abwehr von Drohnen spezialisierter Boden-Luft-Flugkörper.
Im Gegensatz zum Enforcer, welcher über einen Multi-Effekt-Gefechtskopf mit Multimode-Zünder verfügt, ist für den Enforcer X ein Gefechtskopf mit einer Tandem-Hohlladung vorgesehen. Damit wäre die Panzerabwehrvariante des Lenkflugkörpers in der Lage, auch stark gepanzerte sowie mit Reaktivschutz der dritten Generation versehene Gefechtsfahrzeuge – auch in der Bewegung – auf Distanzen bis zu 2.000 Metern bekämpfen zu können.
Der Drohnenabwehrlenkflugkörper soll im Vergleich zum ursprünglichen Enforcer-Flugkörper reichweitengesteigert und mit einem speziellen Suchkopf gegen Ziele in der Luft versehen werden.
Beide Flugkörper sollen Elemente des Enforcers enthalten, was die Entwicklung und Produktion erheblich vereinfachen soll. Auch Synergien in Ausbildung und Logistik sollen damit gehoben werden können.
Waldemar Geiger