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Keine Pflicht zur Tapferkeit in den sozialen Medien? – Bundeswehr verlässt den Informationsraum von „X

Waldemar Geiger

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Das Bundesverteidigungsministerium hat entschieden, X – ehemals Twitter – nicht mehr zu nutzen. Das ist eine falsche Maßnahme, die auch noch unsouverän kommuniziert und umgesetzt wurde. Leider musste die gesamte Bundeswehr dem falschen Entschluss folgen.

Das Verteidigungsministerium hat gestern die Entscheidung bekanntgegeben, den BMVg-Kanal sowie Kanäle aller nachgeordneten Bereiche der Bundeswehr auf der Plattform „X“ ab dem 15. Januar 2025 ruhen zu lassen „und auf absehbare Zeit nicht mehr proaktiv auf dem Kanal posten“. Als Begründung für den Exodus der Bundeswehrkanäle auf X wurde angegeben, „dass nach Bewertung des BMVg der sachliche Austausch von Argumenten zunehmend erschwert wird“. Zukünftig beabsichtigt das BMVg unter anderem, einen neu angelegten WhatsApp-Kanal zu nutzen, um über Neuigkeiten zu informieren.

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Diese Begründung überrascht, da insbesondere der BMVg-Kanal auf X – gleiches gilt für viele der anderen Bundeswehr-Accounts – nicht gerade dadurch aufgefallen ist, dass er an einen sachlichen Austausch von Argumenten mit der kommentierenden Community partizipiert hat. De facto wurden die Kanäle ausschließlich für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt, indem Inhalte der Streitkräfte oder des Ministeriums veröffentlicht wurden oder auf Artikel verwiesen wurde, die auf den regulären Webseiten des BMVg und der Bundeswehr erschienen sind. In Kombination mit dem Verweis auf den zukünftigen Auftritt auf WhatsApp, wo bis auf wenige vorgegebene Reaktionen mittels Emojis gar kein Austausch der Community mit dem Kanal möglich ist, erscheint die Begründung noch weniger glaubhaft.

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Man muss X nicht mögen, vieles an X ist „kaputt“ und die Diskussionen neigen in der Tat dazu, unsachlich, beleidigend und polemisch geführt zu werden. Es steht selbstverständlich auch jeder Institution, egal ob Behörde, Ministerium oder Unternehmen, und jedem Individuum frei, bestimmte soziale Medien zu nutzen oder auch nicht.  Aber es kann schon erwartet werden, dass ein solcher „Exodus“ besser erklärt wird, nachdem die Präsenz und Reichweite über Jahre hinweg und unter Einsatz von signifikanten Personalressourcen und Haushaltsmitteln (Steuergeld) aufgebaut wurden. Verwunderlich ist zudem, dass Kanäle anderer Ministerien sowie der offizielle Kanal des Bundeskanzlers weiter betrieben werden. Auch bei den Kanälen verbündeter Streitkräfte, der NATO sowie den jeweiligen Verteidigungsministerien ist weiterhin reger Betrieb zu beobachten. Was auch nachvollziehbar ist, da X zwar kein großes soziales Netzwerk ist – im Hinblick auf die Nutzerzahlen, insbesondere in Deutschland – dafür aber ein wichtiges, in dem sich viele Multiplikatoren „rumtreiben“. Auf X geteilte Inhalte werden dadurch innerhalb kürzester Zeit aufgenommen und in weiteren Medien (Print, Video und Radio) sowie sozialen Netzwerken geteilt und die Reichweite der Inhalte somit potenziert.

In Anbetracht dieser Beobachtungen drängt sich die Vermutung auf, dass die verordnete Ruhe auf X eher auf die jüngsten Aktionen des X-Eigentümers Elon Musk zurückzuführen ist, als dem nie betriebenen sachlichen Austausch mit der Leserschaft. Angesichts der Tatsache, dass moderne Kriege nicht mehr ausschließlich auf dem physischen Schlachtfeld stattfinden, sondern auch im Informationsraum geführt werden, erscheint der „kampflose“ Rückzug von X umso fataler. Denn die Inhalte des BMVg und der sonstigen Bundeswehr-Kanäle waren professionell, zeitgemäß und zahlreich. Hier wird eine Möglichkeit der Informationsarbeit aufgegeben, die nachweislich „Wirkung im Ziel“ erzielt und eine breite Öffentlichkeit erreicht hat.

Als wäre dies noch nicht genug, wirkt der Rückzug der Bundeswehr von X schlecht vorbereitet und wenig koordiniert, da scheinbar jeder Kanal für sich selbst entscheiden konnte, wo und wie zukünftig kommuniziert werden soll. Die Umsetzung mutet chaotisch an. Den Aktivitäten des BMVg wird man von nun an auf WhatsApp und Instagramm folgen können. Wie der Generalinspekteur oder die Inspekteure der jeweiligen Teilstreitkräfte kommunizieren werden, ist derzeit noch unklar, fraglich ist auch, wo man den Bereich Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr finden wird, auf dem das Bundeswehr-Beschaffungsamt rege kommuniziert hat. Die Luftwaffe hat hingegen entschieden, sich zukünftig auf WhatsApp, Instagramm und Bluesky engagieren zu wollen, während das Heer auf Instagramm, Threads und Mastodon zu finden sein wird. Eine zentrale Anlaufstelle, wo alle Kanäle der deutschen Streitkräfte zu finden sind, wird es also erstmal nicht geben.

Der Entschluss zeigt auf jeden Fall, dass die sonst für alle Soldatinnen und Soldaten geltende Pflicht zur Tapferkeit im Informationsraum der sozialen Medien keine Anwendung findet.

Waldemar Geiger