„Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif“, so die Überschrift des jüngsten Tagesbefehls des Generalinspekteurs der Bundeswehr (GI) vom 17. Juli 2024, in dem sich der GI auf die Verabschiedung des Haushaltsentwurfs 2025 und den Finanzplan der Bundesregierung bis 2028 bezieht. Die Beratungen im Bundestag sind für den September angesetzt, die Verabschiedung dann voraussichtlich im November. So zumindest der Plan, welcher, wie man auf Grund der jüngsten „Querelen“ zwischen der FDP und der SPD sehen kann, recht wackelig erscheint. Die Entwürfe sehen einen Anstieg des Verteidigungshaushaltes in Höhe von jeweils 1,25 Milliarden Euro für 2025 und 2026 sowie 1,6 Milliarden Euro in 2027 vor, was nach Ansicht der meisten Experten nicht einmal für den Inflationsausgleich ausreicht. Der Entwurf sieht also eine reale Kürzung des Einzelplans 14 vor. Aushilfe soll das mittlerweile verplante, nach Ansicht vieler Beobachter sogar überplante Sondervermögen Bundeswehr schaffen, bis 2028 der Einzelplan 14 dann magischerweise auf 80 Milliarden Euro anwachsen soll.
In dem Tagesbefehl verweist der GI darauf, dass die aktuellen Entwürfe zwar sicherstellen würden, dass Deutschland die 2-Prozent-Quote der NATO erfüllen wird, beklagt aber zugleich, dass dies nicht genug sei. „Trotzdem kann uns das Ergebnis der Haushaltsverhandlungen vor dem Hintergrund der Bedrohungen und der Anforderungen, die an die Bundeswehr gestellt werden, nicht zufriedenstellen. Russland kann seine Streitkräfte vermutlich innerhalb weniger Jahre so weit aufstellen, dass es NATO-Territorium angreifen könnte. Darauf müssen wir uns ab sofort vorbereiten“, so die Weisung des obersten Soldaten der Bundeswehr. „Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif. Allein im Haushalt 2025 hätten wir einen Aufwuchs von über sechs Milliarden Euro benötigt, um die Bundeswehr mit dem auszustatten, was sie angesichts der Zeitenwende braucht“, heißt es in dem Tagesbefehl weiter. Als Resultat der Unterfinanzierung verweist der GI darauf, dass jetzt nicht alle Vorhaben angestoßen werden können, die die Bedrohungslage erfordert. „Auch in den Folgejahren liegen unsere Bedarfe deutlich über dem jetzigen Ansatz im Finanzplan.“ Er verspricht seinen Soldatinnen und Soldaten allerdings, dass er weiter für den Anstieg des Verteidigungshaushaltes kämpfen wird. Soweit deckt sich die Aussage von General Carsten Breuer mit den medialen Äußerungen des Verteidigungsministers Boris Pistorius im Anschluss an die Regierungsverabschiedung des Haushaltsentwurfes.
Niemand kann anzweifeln, dass sowohl Breuer als auch Pistorius es ernst meinen, wenn sie ankündigen, für den Anstieg des Einzelplan 14 kämpfen zu wollen. Niemand, der den Zustand der Streitkräfte auch nur oberflächlich kennt, kann zudem ernsthaft widersprechen, dass die Truppe massiv unterfinanziert ist. Wohl aber kann bestritten werden, dass die Bundeswehr das Beste aus ihrer misslichen Finanzlage macht.
Wenn es der Truppe an allem mangelt, kann sich beispielsweise zurecht die Frage gestellt werden, wieso man in den nächsten Jahren einen hohen dreistelligen Millionenbetrag für neue Dienstanzüge ausgeben will, wo andere beschaffungsreife Projekte – wie beispielsweise die Beschaffung einer neuen querschnittlichen Back-Up-Waffe – keine Finanzierungszusage bekommen. Auch die jüngste Berichterstattung zur „Operation Helden- und Materialklau“ – auch bekannt unter der Bezeichnung Aufstellung der Litauenbrigade – zeigt, dass die Truppe die Mittel an anderer Stelle sicherlich dringender nötig hätte. Zum Beispiel für den schnelleren Materialersatz der abgebenden Verbände. Geldbedarf gibt es Medienberichten zufolge auch beim Personal. So bestätigte das Verteidigungsministerium vor wenigen Tagen, dass derzeit Weiterverpflichtungsanträge von Offizieren abgelehnt werden, weil man dafür keine zusätzlichen Haushaltsmittel bekommen hat. Eine Erhöhung der Planstellen für 2025 kann dem BMVg zufolge derzeit nicht angenommen werden.
Hingegen sind niemals Klagen der Truppe bekannt geworden, wonach man ungenügend Dienstanzüge habe, oder der Zustand der jetzigen „Ausgehuniform“ die Erreichung der Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr massiv behindere. Anders kann man sich nicht erklären, wieso in Zeiten knapper Haushaltslagen Gelder für solche Projekte ausgegeben werden. Scheinbar haben nicht alle zuständigen Entscheider im BMVg mitbekommen, dass die mit Paradeuniformen vollgestopften Gefechtsfahrzeuge der russischen Truppen den Vormarsch auf Kiew nicht wesentlich gefördert haben.
Natürlich verdient die Truppe einen moderneren Dienstanzug, den die Masse der Soldatinnen und Soldaten dann vielleicht auch gerne anzieht und öffentlich trägt. Derzeit verstauben die Uniformen in den allermeisten Spinden und werden, wenn überhaupt, nur bei wenigen Gelegenheiten im Jahr angezogen. Ist das aber wirklich die Fähigkeitslücke, die die Bundeswehr derzeit am dringendsten schließen muss? Es kann bezweifelt werden.
Darüber hinaus kann auf Grund der jüngst erfolgten Trageversuche angezweifelt werden, dass der „neue“ Dienstanzug tatsächlich geeignet ist, die Zielvorgaben zu erfüllen. Das maßgeblich Neue beschränkt sich im Großen und Ganzen auf einen anderen Stoff, am unattraktiven Erscheinungsbild soll sich nach derzeitigen Planungen, so wissen es Insider zu berichten, nicht wirklich etwas ändern.
Nun wird der Verzicht auf dieses Vorhaben die klaffende Finanzlücke in den Streitkräften sicherlich nicht schließen, sie ist aber Wasser auf die Mühlen der Bundeswehrkritiker, die der festen Meinung sind, dass die Bundeswehr nicht zu wenig Geld bekommt, sondern dieses ineffizient ausgibt. Ein solches Vorhaben, von denen es sicherlich noch einige mehr gibt, wenn man genau hinschaut, nimmt der Argumentation des Verteidigungsministers den Wind aus den Segeln, wonach der zusätzliche Finanzbedarf gut begründet sei. Was Finanzminister Lindner in einem Sommerinterview vor wenigen Wochen abgestritten hat.
Es kann niemand ernsthaft davon ausgehen, dass die Bundesregierung in der aktuellen Verfasstheit zusätzliche Priorität auf die Verteidigung legen kann und wird, wenn die Bundeswehr selbst nicht zur internen Priorisierung fähig erscheint. Populistischen Parolen und Häme, wonach es doch OK sei, wenn Rentner frieren und Geringverdiener hungern, Hauptsache die Soldaten sehen schick aus, sind vorprogrammiert. Unter Umständen wäre es in der aktuellen Lage ratsamer, einen Orientierungshalt einzulegen und die Prioritäten noch einmal zu überdenken. Andernfalls wird man es schwer haben mit der Begründung zusätzlicher Haushaltsmittel. „Jetzt ist erst mal schwitzen angesagt“, um es mit den Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz zu sagen.
Waldemar Geiger