Anzeige

FCAS und MGCS endgültig entkoppelt

Die in den vergangenen Jahren insbesondere von Vertretern der Luftfahrtindustrie geäußerte Sorge, dass die Verknüpfung des Future Combat Air System (FCAS) mit dem Main Ground Combat System (MGCS) ein Hemmnis für ein schnelles Vorankommen bei dem trinationalen Luftfahrtprojekt darstellen könnte, war offensichtlich unbegründet. Denn obwohl die Vertreter von Union und SPD im Haushaltsausschuss im Rahmen eines so genannten Maßgabebeschlusses die Parallelität von beiden Projekten eingefordert sowie eine ressortübergreifende industriepolitische Steuerung verlangt hatten, wurde dies in der Praxis nicht umgesetzt.

So findet sich auf der Tagesordnung für die letzte Sitzung des Haushaltsausschusses vor der Sommerpause am morgigen Mittwoch lediglich das New Generation Weapon System (NGWS) in einem FCAS – beim NGWS handelt es sich um ein aus einem neuen Kampfflugzeug und unbemannten Drohnen bestehendes System. Das MGCS sucht man dagegen vergebens, obwohl es noch im April auf der damaligen Übersichtsliste für die Behandlung in der 25. Kalenderwoche stand.

Dafür weist die für FCAS erarbeitete 25-Mio-Vorlage im Volumen von rund 4,47 Milliarden Euro zwei Besonderheiten auf: Erstens ist der Vertrag für die Studienphasen 1B und 2 nicht fertig verhandelt und zweitens war das Geld für das Projekt im Einzelplan 14 zunächst gar nicht eingeplant. Dazu kommt, dass die neuen Studienphasen beauftragt werden sollen, während die ersten Studien noch laufen, mithin ein Ergebnis fehlt. Zur vom Parlament geforderten Verbindung zwischen FCAS und MGCS heißt es in der Vorlage lapidar, ein paralleler Fortschritt sei nicht erkennbar, da MGCS derzeit in Deutschland nicht haushaltsreif sei. Damit ist die Sache offenbar vom Tisch. Der Vorgang wirft allerdings ein Schlaglicht auf die Bedeutung von Maßgabebeschlüssen zu Rüstungsprojekten.

Viel wichtiger als die Vorgaben des Bundestages werden dagegen offensichtlich die Wünsche des französischen Partners gewertet: „Im Hinblick auf die Fortführung des Vorhabens ist derzeit festzuhalten, dass, bedingt durch die Verzögerungen aufgrund der Covid-19-Pandemie, weder die Konzeptstudie noch die Phase 1A bisher beendet werden konnten und abschließende Ergebnisse insofern nicht vorliegen“, heißt es in der Vorlage. Frankreich lehne gleichwohl ein „Bridging Phase“ kategorisch ab und dringe auf einen unverzüglichen Abschluss des Implementing Arrangements 3, das die Phasen 1b und 2 umfasst.

Während in den vergangenen Monaten beim Projekt FCAS hektische Verhandlungen zwischen den drei beteiligten Regierungen und den Industrien der Partnerländer geführt wurden, um noch vor der Bundestags-Sommerpause zu Ergebnissen zu gelangen, blieb es dagegen beim MGCS medial ruhig. Dabei scheint es hier in einigen Punkten sogar zum Stillstand der Gespräche gekommen zu sein.

Dem Vernehmen nach konnten sich das deutsche Verteidigungsministerium und die französische Beschaffungsbehörde DGA bis zuletzt nicht in strittigen Fragen des Projekts einigen. In der Folge wurde keine 25-Mio-Vorlage für diese Studienphase am 19. Mai dem Bundesfinanzministerium zugeleitet. Gut informierten Kreisen zufolge wurden die drei beteiligten Industriepartner Nexter, KMW und Rheinmetall noch nicht einmal zur Abgabe eines Angebotes für die nächsten Studienphasen aufgefordert. Warum das Vorhaben dann überhaupt auf der April-Übersichtsliste stand, erschließt sich Beobachtern nicht.

Gegenwärtig arbeiten die drei an MGCS beteiligten Unternehmen Nexter auf französischer sowie KMW und Rheinmetall auf deutscher Seite an einer Systemarchitekturstudie (System Architecture Definition Study oder kurz SADS) Teil 1 für MGCS, deren Abschluss aufgrund der Corona-Pandemie ins kommende Jahr verschoben wurde. Daran soll sich laut den bisherigen Planungen eine Folgestudie zur Systemarchitektur anschließen und bis Ende der Technologiedemonstratorphase (TDP) laufen.

Probleme beim MGCS

Laut dem jüngsten Rüstungsbericht haben sich Deutschland und Frankreich auf insgesamt 13 Technologiedemonstratoren bei MGCS geeinigt, in denen im Zuge der Technologiedemonstratorphase des Programms Forschung- und Technologie (F&T)-Aktivitäten durchgeführt werden. Die Identifikation der Prime Contractors und Main Partner Subcontractors für diese 13 Demonstratoren werde derzeit mit Frankreich abgestimmt, schreiben die Autoren des Berichts.

Ziel der TDP ist unter anderem die Erforschung und Entwicklung von Technologien, die Grundlage für einen Gesamtsystemdemonstrator in der folgenden Projektphase sein sollen. Im Anschluss an die TDP wird gemäß der Rahmenabsprache ein MGCS-Gesamtsystemdemonstrator zum grundsätzlichen Nachweis entwickelt, dass die Forderungen des deutschen und französischen Bedarfsträgers erfüllt werden.

Dem Vernehmen nach sollten laut bisheriger Planung zunächst acht der 13 definierten Technologiedemonstratoren für MGCS in diesem Jahr beauftragt werden. So ist vorgesehen, dass jeweils vier Demonstratoren von einem der beiden Länder geführt werden, wobei jeweils ein nationaler Champion und ein Unterauftragnehmer aus dem anderen Land die industrielle Partnerschaft darstellen. Blockiert wird der Programmfortgang  jedoch unter anderem beim Thema Kanone und der Frage welches Land und welches Unternehmen die Führung beim Systemdemonstrator für die Kanone erhält. Im Wettbewerb um die Hauptwaffe befinden sich Rheinmetall mit seiner 130mm-Waffe sowie Nexter mit einer Kanone im Kaliber von 140 mm. Der Hauptwaffe dürfte beim MGCS eine Schlüsselrolle zukommen. Wie es heißt, weist die von Rheinmetall entwickelte 130mm-Kanone einen höheren technischen Reifegrad als die von Nexter kürzlich vorgestellte 140mm-Waffe auf. Bis 2025 soll offenbar ein Technology Readiness Level (TDL) der Kategorie 6 erreicht werden. Beobachter sehen das bilaterale MGCS-Vorhaben im Augenblick in einer sehr kritischen Phase. Die deutsche und die französische Amtsseite planen für den Herbst – nach augenblicklichem Stand offenbar im November – eine 2. Informationskonferenz für interessierte Partnernationen. Ob sich danach neue Konstellationen ergeben, bleibt abzuwarten.

FCAS mit hohen Risiken für Deutschland

Während die Zukunft beim MGCS gegenwärtig ungewiss ist, häufen sich seit einigen Wochen die kritischen Pressebeiträge über die hohen Kosten und Risiken die mit FCAS für Deutschland verbunden sind. So bemängelte zuletzt der Bundesrechnungshof laut mehreren Beiträgen in der den Medien, dass die Nutzungsrechte an Studienergebnissen für eine Verwendung außerhalb des Programms eingeschränkt sind und kein „endverhandeltes Vertragswerk“ vorliegt. Damit ließen sich auch etwaige Risiken aus der Vertragsgestaltung nicht bewerten.

Schließlich kritisiert der Bundesrechnungshof auch, dass die Abgeordneten nicht abermals mit dem Projekt befasst werden sollen, sollte die zweite, optionale Phase des Projekts ausgelöst werden. So gliedert sich das Implementing Arrangement 3 in die Phase 1B von 2021 bis 2024 und die Phase 2 von 2024 bis 2027. Über den Einstieg in die Phase 2 wird gesondert mittels eines „Quality Gate“ entschieden werden, das bis 2024 definiert werden soll. Wie und wer es definiert, wird nicht erläutert.

Und auch die auf das Verteidigungsministerium zukommenden Kosten stehen in der Kritik: Neben den rund 3,3 Milliarden Euro für die Phasen 1b und 2, Beistell-Leistungen von 450 Millionen Euro sowie nochmal 750 Millionen Euro für „national begleitende Maßnahmen“ gehen die Planer von einem zusätzlichen Finanzbedarf für Deutschland von etwa 4 Milliarden Euro aus, wenn ab 2027 die Demonstratorphase mit weiteren Flugversuchen fortgesetzt wird. Zur Erinnerung: Die bis vor wenigen Wochen kursierenden Kostenansätze für die Phasen 1b und 2 lagen bei rund 2,5 Milliarden Euro.
lah/22.6.2021

.i.td-icon-menu-up { display: none; }