Die Haushaltspolitiker des Bundestages haben in ihrer letzten Sitzung in diesem Jahr den Weg frei gemacht für den Einstieg in die Beschaffung von neuen Fregatten der Klasse 127. In der heute gebilligten 25-Mio-Euro-Vorlage sind 44,5 Millionen Euro vorgesehen für einen „Foreign Military Sales (FMS)“-Vertrag über sogenannte realisierungsvorbereitende Maßnahmen für die Next Generation Frigate-Air Defence.
Da das amerikanische Führungs- und Waffeneinsatzsystem (FüWES) AEGIS den technischen Kern der Luftverteidigungskapazität der neuen Fregatten bilden soll, müssen aufgrund des engen Zeitplans für das Rüstungsprojekt möglichst bald Machbarkeitsuntersuchungen und ingenieursbezogene Studien für die Integration erfolgen. Andernfalls können die deutschen Schiffbauer im kommenden Jahr kein valides Angebot abgeben. Für diese Studien bedarf es jedoch der technischen Daten aus dem FMS-Vertrag, der mit der US-Regierung abgeschlossen werden soll. Wie es heißt, kann Deutschland jedoch weiterhin aus der AEGIS-Beschaffung aussteigen, etwa wenn das Fregattenprojekt abgebrochen werden sollte. Allerdings wären dann die investierten 48 Millionen Dollar verloren.
Wie es heißt, soll das AEGIS-System mit Radaren des Typs Spy-6 oder Spy-7 auf dem Entwurf von thyssenkrupp Marine Systems (tkMS) mit der Bezeichnung MEKO A-400 AMD realisiert werden. Die beiden Werften tkMS und NVL haben zur Umsetzung des Vorhabens bereits ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet, bei dem tkMS eine deutliche Mehrheit der Anteile hält, wie aus gut informierten Kreisen zu vernehmen ist. Beobachter rechnen mit weiteren Details dazu im kommenden Jahr.
Die Kosten für die Umsetzung des Projektes F127 sowie der Munitionsbeschaffung für die Schiffe werden im Augenblick auf etwas über 15 Milliarden Euro geschätzt. Wie es heißt, sind diese noch nicht haushaltsplanerisch berücksichtigt, während die Mittel für die aktuelle 25-Mio-Vorlage, die in den kommenden beiden Jahren ausgegeben werden, aus dem Sondervermögen kommen. Die langfristige Finanzierung des Projektes obliegt damit der nächsten Bundesregierung.
Der Zeitplan für die F127 sieht vor, dass die sogenannte Auswahlentscheidung Anfang 2025 erfolgen und bis Jahresende ein finales Angebot der Auftragnehmer vorliegen soll. Die 25-Mio-Vorlage mit einem endverhandelten Vertrag des Multi-Milliarden-Projektes wird dann voraussichtlich im Jahr 2026 ins Parlament gebracht. Danach würde der Vertrag mit der US-Seite für die Beschaffung von AEGIS und Radaren geschlossen.
Überdies ist Deutschland daran interessiert, sich im Rahmen eines FMS-Vertrages an der Obsoleszenzbeseitigung für die von Raytheon hergestellten Lenkflugkörper SM-2 IIICU und SM-6 in einem separaten Vertrag zu beteiligen. Die F127 soll offenbar mit diesen Lenkwaffen ausgestattet werden.
Wie an dieser Stelle bereits berichtet, plant die Bundeswehr neben der Einführung des AEGIS-Systems, das für die Luftverteidigung optimiert ist, mit dem CMS 330 von Lockheed Martin Canada eine zweites FüWES auf der F127 einzurüsten, das die restlichen Aufgaben übernimmt. Ein Vorteil des CMS 330 dürfte unter anderem darin liegen, dass es eine offene System-Architektur aufweist und sich, da aus dem Hause Lockheed Martin, leicht an AEGIS anbinden lässt. Dem Vernehmen nach wird es auch als potenzielles Standard-FüWES der Marine diskutiert. Bekanntlich nutzen die deutschen Seestreitkräfte mehr als ein Dutzend FüWES-Varianten, die kaum noch zu managen sind.
Wie Glenn Copeland, General Manager Lockheed Martin Canada, im vergangenen Monat bei einem Gespräch mit hartpunkt am Rande der Messe Euronaval Paris sagte, ist sein Unternehmen bereits sei etwa anderthalb Jahren beim Thema F127 in Gesprächen mit Deutschland. Deutsche Marinevertreter hätten auch bereits Kanada besucht, und mit Gesprächspartnern aus Politik, Streitkräften und Wirtschaft mehrfach das Thema CMS 330 diskutiert.
CMS 330 werde in Zukunft für die neuen kanadischen Fregatten der River-Klasse eingesetzt, sagte Copeland. Es sei aber auch für andere Plattformen geeignet, da verschiedene Varianten der Software existieren. Auch eine für arktische Patrouillenschiffe, die nur über eine Kanone verfügen. Gegenwärtig nutzen bis auf eine zur Ausmusterung anstehende Klasse alle kanadischen Kriegsschiffe eine Variante des CMS 330. Überdies wurde auf zwei neuseeländischen MEKO-Fregatten das FüWES eingerüstet.
Copeland zufolge kann das CMS 330 zu einem kompetitiven Preis angeboten werden und verfügt über eine hohe Leistungsfähigkeit bei der Datenfusion hervor. Es handele sich um ein „gut gemanagtes“ Produkt, betonte der Lockheed-Martin-Manager. Seit der Entwicklung des Software-Kerns im Jahr 2009 seien Multi-Million-Dollar-Investitionen in die Weiterentwicklung geflossen. Es handele sich also um ein ziemlich neues System.
Wie er weiter ausführte, unterliegt das CMS 330 nicht den ITAR-Exportregeln der USA – es sei in Kanada von Kanadiern entwickelt worden, betonte er. Aufgrund seines produktagnostischen Interfaces könne das FüWES auch mit dem Hensoldt-Radar TRS-4D oder anderen Sensoren und Effektoren interagieren.
Dem Lockheed-Martin-Manager zufolge liegen die Intellectual Property Rights für Kernfähigkeiten des CMS 330 bei der kanadischen Regierung. Es würde ihn nicht wundern, sollte die kanadische Regierung diese Rechte mit Deutschland teilen, sagte er. Deutschland habe den Wunsch nach einer Partnerschaft geäußert und das bilaterale Verhältnis bewertet er positiv.
Sollte sich die Marine für das CMS 330 entscheiden, kann sich Copeland für das Management von Änderungen, Pflege und Training an der Software die Einbindung von Unternehmen in Deutschland vorstellen. Hier gebe es mehrere potenzielle Kandidaten. Die Integration des FüWES auf der F127 würde ein Team von Lockheed Martin in Deutschland vornehmen, aber auch hier setze man auf lokale Partner, etwa die ESG. Das jetzt zu Hensoldt gehörende Unternehmen habe in der Vergangenheit bereits ein Software-Team nach Kanada geschickt, um sich das System anzuschauen und Integrations-Codes zu schreiben. Auf Nachfrage bestätigte Copeland, dass Lockheed Martin auch bereits ein Integrations-Labor in Wilhelmshaven zur Demonstration für den Kunden eingerichtet hat.
Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte den Einstieg in das Fregattenprogramm in den vergangenen Wochen wiederholt als eine seiner Top-Prioritäten genannt. Neben dem Signal, eine möglichst schnelle Ausstattung der Deutschen Marine mit den dringend benötigten Fähigkeiten voranzutreiben, dürfte die heute getroffene Entscheidung auch im Ausland mit Interesse wahrgenommen werden. So will Norwegen mit den USA, Frankreich, Großbritannien und Deutschland über eine mögliche Partnerschaft bei Beschaffung und Betrieb baugleicher Fregatten verhandeln. Pistorius hatte für einen Einstieg der Norweger in das F127-Programm geworben. Seine Position hat sich mit der heutigen Annahme der 25-Mio-Vorlage sicherlich nicht verschlechtert.
Lars Hoffmann