Das norwegische Verteidigungsministerium hat heute seine Absicht bekanntgegeben, die Regierungen Frankreichs, Deutschlands, Großbritanniens und der USA zur Aufnahme von Gesprächen über eine mögliche strategische Partnerschaft für die Lieferung neuer Fregatten einzuladen, die die derzeitige Fridtjof-Nansen-Klasse der Königlich Norwegischen Marine ersetzen sollen.
Norwegen verfügt gegenwärtig noch über vier Fregatten der Fridtjof-Nansen-Klasse, nachdem das fünfte Schiff, die Helge Ingstad, vor einigen Jahren nach einer Havarie abgewrackt wurde. Die Schiffe wurden Anfang der 2000er Jahre von der spanischen Staatswerft Navantia gebaut und nutzen bereits eine Version des Aegis-FüWes.
Wie aus einer Mitteilung des norwegischen Verteidigungsministeriums hervorgeht, werden die neuen Fregatten die größte Anschaffung darstellen, die die norwegischen Streitkräfte in den kommenden Jahren planen. „Norwegen ist eine wichtige maritime Nation in der NATO, und durch diese und andere maritime Investitionen werden wir sowohl die nationale als auch die verbündete Sicherheit stärken“, wird der norwegische Verteidigungsminister Bjørn Arild Gram in der Mitteilung zitiert.
Das norwegische Parlament verabschiedete im Juni 2024 einen neuen langfristigen Plan für die norwegische Verteidigung im Zeitraum 2025-2036, der auch die Beschaffung von mindestens fünf, optional sechs neuen Fregatten zur U-Boot-Jagd mit eingeschifften Hubschraubern vorsieht.
In dem Plan wird nach Angaben des norwegischen Verteidigungsministeriums betont, „dass die neuen Fregatten nicht als eigenständige Schiffe beschafft werden sollen, sondern im Rahmen einer langfristigen und für beide Seiten vorteilhaften strategischen Partnerschaft mit einem engen Verbündeten, dessen strategische Interessen eng mit denen Norwegens übereinstimmen“. Diese strategische Partnerschaft soll die gemeinsame Beschaffung, den Betrieb, die Wartung, die ständige Weiterentwicklung und die Modernisierung der neuen Fregatten während ihrer gesamten Lebensdauer umfassen. Um auf die Modernisierung der Fridtjof-Nansen-Klasse verzichten zu können, will Norwegen die Beschaffung der neuen Fregatten durch den Anschluss an eine bestehende Produktionslinie für solche Schiffe beschleunigen.
„Eine solide und vorhersehbare Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik wird das Herzstück der strategischen Partnerschaft sein, die wir uns vorstellen, und die alle Bereiche vom Streitkräfteaufwuchs bis zu Operationen und der gemeinsamen Entwicklung neuer Fähigkeiten umfassen wird. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass wir und unsere Partner die gleichen langfristigen Interessen verfolgen“, erklärte der norwegische Verteidigungsminister im Rahmen einer heutigen Pressekonferenz.
Die norwegische Regierung beabsichtigt, ihre endgültige Entscheidung über einen künftigen strategischen Partner im Laufe des Jahres 2025 zu treffen. In dem bevorstehenden Auswahlverfahren, betonte der Verteidigungsminister, sei es wichtig, potenzielle Möglichkeiten der industrriellen Kooperation zu ermitteln.
„Das Ziel der norwegischen Regierung ist es, dass unsere geplanten maritimen Investitionen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Möglichkeiten im ganzen Land beitragen. Ein wichtiger Gesichtspunkt wird daher die Fähigkeit der norwegischen Technologie und Industrie sein, zur Entwicklung und Instandhaltung sowohl unserer eigenen künftigen Fregatten als auch der Fregatten unseres ausgewählten strategischen Partners beizutragen“, erklärte Gram.
Ausbau der deutsch-norwegischen Marinekooperation?
Nach der gemeinsamen Beschaffung von U-Booten der Klasse 212CD und der Entwicklung des zukünftigen norwegisch-deutschen Flugkörpers Tyrfing würde ein gemeinsamer Kauf von Fregatten ein weiteres wichtiges Marine-Projekt darstellen, das die beiden Länder innerhalb der letzten 10 Jahre auf den Weg gebracht haben. Zudem haben die beiden Länder im Mai 2024 Kanada eine strategische Partnerschaft im maritimen Bereich vorgeschlagen, hartpunkt berichtete.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hatte bereits im Rahmen eines Norwegenbesuchs im März 2024 eine mögliche Zusammenarbeit mit Norwegen bei der zukünftigen Fregatte der Deutschen Marine des Typs 127 ins Spiel gebracht. Auch wenn die F127 als ein auf die Luftverteidigung spezialisiertes Schiff entwickelt wird, gehen Beobachter davon aus, dass die U-Jagd-Fähigkeiten der F127 in Verbindung mit U-Jagd-Bordhubschraubern die Bedürfnisse der norwegischen Marine erfüllen können.
Deutschland plant, in der nächsten Dekade bis zu sechs Schiffe des Typs F127 zu beschaffen, die die Fregatten der Sachsen-Klasse ersetzen sollen und besonders auf die Luftverteidigung ausgelegt sein werden. Die zukünftigen Fregatten sollen auch für die Abwehr ballistischer Flugkörper ausgerichtet werden. Dafür wird die Beschaffung des Führungs- und Waffeneinsatzsystems (FüWes) Aegis von Lockheed Martin in den USA angestrebt. Außerdem wird gefordert, dass die Schiffe über eine sogenannte Maritime Precision Strike Capability – Long Range verfügen sollen. Realisierungsvorbereitende Maßnahmen für die Beschaffung der F127 werden noch in diesem Jahr erwartet. Der Fahrplan für die F 127 sieht vor, dass die sogenannte Auswahlentscheidung Anfang des kommenden Jahres erfolgen und bis Jahresende ein finales Angebot der Auftragnehmer vorliegen soll. Die 25-Mio-Vorlage mit einem endverhandelten Vertrag des Multi-Milliarden-Projektes wird dann voraussichtlich im Jahr 2026 ins Parlament gebracht.
Als Favorit für die Realisierung der F127 gilt das MEKO A-400 AMD Design von thyssenkrupp Marine Systems (tkMS), den die Werft Anfang Juli vorgestellt hat. Dabei steht AMD für Air & Missile Defense.
Die Stärke der MEKO A-400 AMD liege im Einsatz gegen Bedrohungen aus der Luft, als Teil des Wirkverbunds für boden- und luftgestützte Luftverteidigung und das Schiff leiste überdies einen Beitrag zur territorialen Flugkörperabwehr. Darüber hinaus könne die MEKO A-400 AMD auch gegen U-Boote eingesetzt werden, schreibt tkMS auf seiner Homepage, wobei diese Aufgabe wahrscheinlich von den Bordhubschraubern übernommen wird.
tkMS sieht sich als die einzige deutsche Werft, die einen für den Bau einer derart hochkomplexen Fregatte erforderlichen Konstruktionsentwurf verfügbar hat, der in der erforderlichen zeitlichen Vorgabe realisiert werden kann. Allerdings bleibt abzuwarten, ob die Werft letztendlich den Bau alleine umsetzen wird oder wie bei vergangenen Projekten für die Deutsche Marine eine Arbeitsgemeinschaft mit NVL und gegebenenfalls weiteren Partnern eingehen wird.
Der Werftkonzern nennt als Kerndaten seines Fregattenentwurfs eine Länge von 160 Metern, eine Breite von 21 Metern und einen Tiefgang von 5,5 Metern. Damit kommt das Schiff auf eine Einsatzverdrängung von 10.000 Tonnen. Die Seeausdauer soll bei mehr als 30 Tagen liegen, wobei bis zu 4.000 Seemeilen zurückgelegt werden können.
Die Höchstgeschwindigkeit liegt laut tkMS bei mehr als 31 Knoten. Weitere Details zum Antrieb werden nicht gegeben. Womöglich könnte eine Konfiguration gewählt werden, bei der im Dauerbetrieb Dieselmotoren mehrere Elektro-Generatoren antreiben, die auf die Antriebswellen wirken, und für die schnelle Fahrt Gasturbinen genutzt werden. Die Besatzung besteht laut tkMS aus 150 Männern und Frauen, weitere 75 Kojen stehen für Einschiffungskontingente zur Verfügung.
Zur Waffenausstattung schreibt das Unternehmen lediglich, dass ein Mix von modernen Raketen und Rohrwaffen möglich sei. Auf den im Internet präsentierten Grafiken der Fregatte sind auf dem Vorschiff eine 127mm-Kanone sowie in erhöhter Position dahinter ein RAM-Werfer zu erkennen. Ein zweiter RAM-Werfer befindet sich am Heck auf dem Hangar.
Zwischen dem vorderen RAM-Werfer und der Brücke sind 32 Zellen eines Vertical Launch Systems zu erkennen, bei dem es sich um den Mk41-Launcher von Lockheed Martin handeln dürfte. Vor dem Schornstein in der zweiten Schiffshälfte sind nochmal 32 Zellen eines VLS untergebracht. Direkt davor in vertiefter Position stehen acht Kanister, vermutlich für Seezielflugkörper des Typs Naval Strike Missile.
Perspektivisch soll auch der norwegisch-deutsche Flugkörper Tyrfing eingerüstet werden, der allerdings für den Verschuss aus einem VLS ausgelegt wird. Es soll darüber hinaus Überlegungen geben für die Aufgabe des Long Strike, Marschflugkörper des Typs Tomahawk einzurüsten, die ebenfalls aus dem Mk 41 gestartet werden.
Die Mk41-Launcher sind in der Strike-Version auch für die Aufnahme von Boden-Luft-Flugkörpern der Typen SM-3, SM-6, SM-2 sowie ESSM geeignet. Wobei die SM-3-Flugkörper dem Vernehmen nach nicht sofort beschafft werden sollen, die Fregatten diese bei Bedarf jedoch einsetzen könnten. Darüber hinaus arbeiten gegenwärtig zwei Konsortien im Rahmen des European Defence Fund an Konzepten für Hyperschall-Abfangflugkörper. Dieser neue Flugkörper wird perspektivisch womöglich ebenfalls zu integrieren sein.
Auf Höhe des hintern VLS auf Bordhöhe ist ein Kanonensystem zu sehen, das dem gegenwärtig genutzten 27mm-Geschütz ähnelt. Insidern zufolge spricht jedoch einiges dafür, das Mk38-Modell von MSI mit einer 30mm Kanone sowie einem 12,7 mm MG einzurüsten, da es bereits für Aegis in der Abwehr von Luftzielen qualifiziert ist. Ein MSI-Geschütz wurde auch für die modernisierten Fregatten der Klasse F123 ausgewählt. Allerdings steht die Entscheidung für die Nachfolge des Marineleichtgeschützes noch aus, was Einfluss auf die Ausstattung der F127 haben könnte. Überdies scheinen in der Grafik zwei Laser-Systeme eingerüstet zu sein.
Des Weiteren weist der Entwurf der MEKO A-400 AMD vier Radar-Panele auf, die denen des AN/SPY-6-Radars von Raytheon ähneln. Neben dem SPY 6 kommt als Radarlösung für das Schiff auch das SPY 7 von Lockheed Martin in Frage, das auf kanadischen, spanischen und japanischen Schiffen zum Einsatz kommen soll. Die Auswahl des SPY 6 würde für die Marine allerdings den Vorteil mit sich bringen, mit der U.S. Navy als weltweit größtem Nutzer von AESA-Radaren dieser Klasse kompatibel zu sein. Dort wird das SPY 6 in vier verschiedenen Konfigurationen in unterschiedlichen Schiffsklassen eingeführt.
Am Heck des tkMS-Entwurfs befindet sich ein Hubschrauberlandedeck mit Hangar, der vermutlich für zwei Hubschrauber der Klasse Sea Lion ausreicht. Das augenfälligste Merkmal des Schiffes dürfte jedoch der so genannte Dreadnought-Bug sein, der invers zu herkömmlichen Bug-Linien verläuft.
Bei dem im Internet gezeigten Design handelt es sich offenkundig um die Vorstellungen der Werft, die nicht zwangsläufig mit denen der Marine übereinstimmen müssen. Allerdings scheinen zahlreiche Design-Merkmale mit den bislang bekannt gewordenen Forderungen an die F 127 übereinzustimmen, da zahlreiche FüWES-Komponenten auf Basis des Foreign-Military-Sales-Prozesses (FMS) in den USA beschafft werden.
Waldemar Geiger und Lars Hoffmann