Die vollkommen unzureichende Führungsfähigkeit der Landstreitkräfte stellt eine Achillesferse der Bundeswehr. Jetzt will das Bundesministerium der Verteidigung Abhilfe schaffen und hat das Ziel gesetzt, die Division 2027 mit einem Gesamtumfang von rund 10.000 Fahrzeugen bis Ende 2025 auf einen Konfigurations- und Ausbauzustand „D-LBO basic“ umzurüsten, wie Brigadegeneral Jürgen Schmidt, Abteilungsleiter Kampf im Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw, in einem Beitrag in der aktuellen Sonderausgabe des Wehrtechnischen Reports zum Herbstsymposium des Förderkreis Heer schreibt.
Hintergrund dieser Entscheidung sei der russische Überfall auf die Ukraine im Februar 2022, schreibt der General. Unter Inkaufnahme eines reduzierten Funktionsumfanges, könnten mit D-LBO basic, aufgrund des wesentlich geringeren Integrationsaufwandes und Finanzbedarfes, den Streitkräften wesentlich schneller digitale Funkgeräte zur Verfügung gestellt werden.
Die Division 2027 besteht den Angaben zufolge aus knapp 1.000 Kampffahrzeugen und gepanzerten Fahrzeugen, deren Projektverantwortung die Abteilung Kampf innehat. Diese 1.000 Fahrzeuge setzen sich aus elf Fahrzeugplattformen und einer Vielzahl von Fahrzeugvarianten zusammen.
Die wesentliche technische Änderung im Rahmen der Umrüstung auf D-LBO basic sei der Tausch der Funkgerätegeneration SEM80/90 gegen das Führungsfunkgerät D-LBO mit der Führungsapplikation Mission Enabling Service Bundeswehr (MESBw), heißt es in dem Beitrag. Des Weiteren sei ein Softwaretausch des Kommunikationsservers (KommServerBw) gegen die Schnittstelle „Tactical Core D-LBO“ vorgesehen.
„Weiterhin bestehende analoge Systeme, wie z.B. die Bordsprechverbindung werden mittels einer Adapterplatte an die digitalen Systeme angeschlossen. Somit kann die Verkabelung in den Fahrzeugen erhalten bleiben“, schreibt Schmidt. Dadurch sei der Aufwand deutlich geringer als eine mit einem erheblich höheren Aufwand erforderliche Vollintegration in die Fahrzeuge bei einem vollständig ausgebauten D-LBO.
Musterintegration ab 2023
„Durch die Zielsetzung mit Abschluss der Umrüstung bis Ende des Jahres 2025, muss die Musterintegration für alle Fahrzeugvarianten bis Ende 2023 erfolgen“, betont der Autor. Im Rahmen der Musterintegration müssten Dinge wie Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV), Systemsicherheit (System Safety), und vieles mehr für jede Fahrzeugvariante geprüft werden. „Dies stellt die Wehrtechnischen Dienststellen und die Industrie vor einen gewaltigen Arbeitsumfang, der nicht ohne Prioritätensetzung zu leisten ist. Was zur Folge hat, dass niedriger priorisierte Projekte sich deutlich verzögern.“
Die Serienintegration, beziehungsweise Umrüstung in der Truppe ist im Zeitraum von Ende 2023 bis Ende 2025 geplant. Weil die Umrüstung verbandsweise, beziehungsweise liegenschaftsweise erfolgen soll, sind pro Verband zwei Wochen für die Umrüstarbeiten vorgesehen. Was zur Folge habe, dass viele verschiedene Fahrzeugtypen und Fahrzeugvarianten zeitgleich umgerüstet werden müssten, so Schmidt.
Die Umrüstung dürfe darüber hinaus den Dienst- und Übungsbetrieb des Verbandes/der Liegenschaft nicht beeinflussen, schreibt der Autor. „Zusammenfassend verfolgen wir in diesem komplexen Projekt einen ambitionierten Zeitplan, der nur durch intensive Abstimmung aller beteiligten Mitwirkenden der Amtsseite, Industrie und Truppe sowie hohes Engagement Aller gelingen kann.“
Wie Schmidt in seiner Rede am Mittwoch auf dem FKH-Symposium in Bremen ausführte, wird das BAAINBw bei dem Projekt voraussichtlich auch die paritätisch von KMW und Rheinmetall besetzte ARGE für D-LBO einbinden. Zeitraum und Umfang scheinen im Augenblick jedoch noch unklar zu sein.
Durch die lange überfällige Digitalisierung der Landstreitkräfte verspricht sich die Bundeswehr einen erheblichen Fähigkeitsgewinn für die Landes- und Bündnisverteidigung. Die Volldigitalisierung sieht neue Funkgeräte, neue Computer/Hardware, neue Smartphones, neue (Führungs-)Software für einen Teil des Heeres bis 2030 vor.
Funkgerät noch nicht ausgewählt
Die Digitalisierung ermöglicht nach Angaben des Generals einen durchgängigen Informations- und Kommunikationsverbund, sowie die vernetze Operationsführung (NetOpFü) im mobilen taktischen Bereich. Diese reiche vom abgesessenen Soldaten bis zum verlegefähigen Gefechtsstand.
Schmidt räumte in seiner Rede in Bremen ein, dass die Auswahl eines digitalen Führungsfunkgerätes für D-LBO noch aussteht. Dabei handelt es sich um die Schlüsselkomponente, die zur Übertragung von Sprache und Daten erforderlich ist. Und ohne Funkgerät ist keine Musterintegration möglich. Dem Vernehmen nach wurde das vor langer Zeit angestoßene Ausschreibungsverfahren für das neue Funkgerät noch immer nicht abgeschlossen, offenbar steht sogar die Endauswahl der verbleibenden Anbieter noch aus. Beobachter vermuten, dass womöglich auch ein anderes Beschaffungsverfahren gewählt werden könnte, da aufgrund der Zeitvorgaben großer Handlungsdruck besteht.
Ungeklärt scheint auch noch zu sein, wer die benötigte Adapterplatte für D-LBO basic bauen wird. Dieser Adapter soll Insidern zufolge bereits von blackned, dem Hersteller des Tactical Core D-LBO, sowie Partnerunternehmen entwickelt worden sein. Hier bietet sich an, entweder den Lieferanten der Führungsfunkgeräte damit zu beauftragen oder die Fertigung auszuschreiben. Wobei eine Ausschreibung – so jedenfalls die Erfahrung der vergangenen Jahre – leicht zu Verzögerungen des Gesamtprojektes führen könnte. Bundeswehrkreisen zufolge, könnte D-LBO basic neben der Funktechnik womöglich noch eine weitere Technik-Komponente erhalten: LTE-Terminals. Allerdings scheint auch hier eine finale Entscheidung noch auszustehen.
lah/15.9.2022