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Bundeswehr darf taktische Sprechsätze nur unter strengen Auflagen beschaffen

Waldemar Geiger

In seiner Sitzung vom 20. März hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages der Beschaffung von sogenannten Sprechsätzen mit Gehörschutzfunktion im Wert von bis zu 430 Millionen Euro nur unter Auflagen zugestimmt. Mit der Billigung der entsprechenden 25-Mio-Vorlage darf die Bundeswehr nun einen Rahmenvereinbarung mit der Rheinmetall Electronics GmbH über die Beschaffung von bis zu 191.000 Sprechsätzen mit Gehörschutz (SMG) mit Zubehör inklusive eines Mindestabrufes von 60.000 Systemen – bestehend aus 44.000 Soldaten- und 16.000 Führungs-SMG – schließen. Bei den im Wettbewerb als Sieger hervorgegangen Systemen, die Rheinmetall als Generalunternehmer anbietet, handelt es sich um die Hör-Sprechgarnitur mit Gehörschutzfunktion des Typs ComTac VIII von 3M sowie den PTT-Sprechtasten der Typen CT-MultiPTT 1C (Soldaten-PTT) und CT-MultiPTT 3C (Führungs-PTT) von CeoTronics.

Ein erster Abruf von 30.000 SMG und der gleichen Anzahl an Kabeln soll noch 2024 im Wert von 81 Millionen Euro erfolgen. Die Finanzierung des Vorhabens erfolgt aus dem Sondervermögen Bundeswehr. In den Folgejahren, bis 2030 einschließlich, können unter Berücksichtigung des Maßgabebeschlusses bis zu 50.000 Systeme pro Jahr abgerufen werden.

Maßgabebeschluss

Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat der SMG-Beschaffung zwar zugestimmt, jedoch nicht ohne strenge Vorgaben. Zunächst billigt der Ausschuss die Beschaffung von 30.000 SMGs samt Kabeln, fordert das Bundesministerium für Verteidigung jedoch auf, die Verwendung der folgenden 30.000 Systeme genau aufzuschlüsseln. Zudem wird dem BMVg untersagt weitere SMG-Abrufe – auch unterhalbt der 25-Mio-Schwelle – aus dem Vertrag zu tätigen, ohne dass der Haushaltsausschuss zustimmt. Zudem wird das BMVg angewiesen zu prüfen, ob eine Vollausstattung der gesamten Bundeswehr tatsächlich notwendig ist sowie eine erneute Marktsichtung bezüglich marktverfügbarer Lösungen zu tätigen. Dem Vernehmen nach stellen die Haushälter den Sinn einer Vollausstattung in Frage. Als Beispiel für diese Bedenken werden Insidern zufolge immer wieder U-Boot-Besatzungen angeführt, die zwar ebenfalls mit SMGs ausgestattet werden sollen, aber die Fähigkeit des Systems qua Funktion und Auftrag gar nicht nutzen können.

Die genauen Vorgaben des durch die Koalitionsfraktionen initiierten Maßgabebeschlusses, welcher hartpunkt vorliegt, lauten wie folgt.

Der Haushaltsausschuss möge beschließen und fordert das Bundesministerium der Verteidigung auf:

  1. Dem Abschluss des Rahmenvertrages unter folgenden Bedingungen zuzustimmen:
    • Einem ersten Abruf von 30.000 Sprechsätzen mit Gehörschutz wird zugestimmt. Bis zum 31.07.2024 ist nachzuweisen, in welche Organisationsbereiche die Geräte verteilt werden bzw. verteilt worden sind.
    • Den Berichterstattern des Einzelplans 14 ist spätestens am 30.08.2024 hierzu ein Bericht vorzulegen.
    • Nach Nachweis der Verteilung der ersten 30.000 Sprechsätze mit Gehörschutz in die Organisationseinheiten, können weitere Sprechsätze mit Gehörschutz im Rahmen der Mindestmenge des Rahmenvertrags abgerufen werden, wenn vorher nachgewiesen wird, welche Organisationseinheiten die Sprechsätze mit Gehörschutz benötigen. Dies kann auch vor dem 31.07.2024 geschehen, so der Nachweis für zusätzliche Bedarfe erbracht wurde.
    • Jeder weitere Abruf von Sprechsätzen mit Gehörschutz – auch unterhalb der 25 Mio. Euro-Vorlage-Grenze – muss dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nochmal einmal zur Einwilligung vorgelegt werden.
    • Weitere Abrufe aus dem Rahmenvertrag, die über die Mindestabnahmemengen hinausgehen, sind zur Bedarfsableitung im Sinne des Fähigkeitsprofils der Bundeswehr sowie zur Prioritätenreihenfolge innerhalb der Streitkräfte den Berichterstattern des Einzelplans 14 schriftlich zu erläutern.
    • In diesem Bericht ist nach Teilstreitkräften tabellarisch aufzuschlüsseln, welche Einheiten zu welchem Zeitpunkt einen Sprechsatz mit Gehörschutz erhalten sollen.
  2. Das BMVg hat ab 2025 zu prüfen, ob tatsächlich Sprechsätze mit Gehörschutz in der geplanten Menge angeschafft werden müssen. Zudem ist eine erneute Marktsichtung an marktverfügbaren Lösungen zu tätigen.
  3. Den Berichterstattern des Einzelplans 14 ist bis zum 30. Mai 2025 ein Bericht vorzulegen.
  4. Die Berichterstatter des Einzelplans 14 bitten zudem den Bundesrechnungshof, das Vorhaben weiterhin prüferisch zu begleiten.

Vorhaben „aufgabenorientierte Ausstattung“

Die Bundeswehr beabsichtigt, die Truppe im Rahmen des Vorhabens „aufgabenorientierte Ausstattung“ (aoA) querschnittlich mit moderner Kampfbekleidung, Schutzwesten, Schutzhelmen sowie taktischen Sprechsätzen auszustatten. Nachdem die Beschaffung von Kampfbekleidung, Schutzwesten und Schutzhelmen bereits im ersten Halbjahr 2022 begonnen wurde, sollen nun auch die Sprechsätze mit Gehörschutzfunktion folgen.

Unter der Begrifflichkeit SMG versteckt sich im Grunde eine Kombination aus Aktivgehörschutz (Kapselgehörschutz mit Außenmikrofonen und Sprechmikrofon) eine Push-to-Talk-Einheit (PTT) sowie Anschlusskabel für Funk- und weitere Peripheriegeräte. Eine entsprechender Teilnahmewettbewerb wurde im Frühjahr 2022 gestartet. Ausgeschrieben wurde ein Rahmenvertrag für die Beschaffung von bis zu 191.000 SMGs über eine Zeitdauer von sieben Jahren. Ein Teil der SMGs sollte mit einer Führungs-PTT beschafft werden, der Rest mit einer einfacheren Soldaten-PTT. Diese unterscheiden sich dadurch, dass die Führungs-PTT das gleichzeitige Halten und Betreiben mehrerer Funkkreise – unabhängig davon ob mit einem oder mehreren unterschiedlichen Funkgeräten – ermöglicht.

Die Bundeswehr rechnet mit einer Nutzungsdauer der Systeme von 28 Jahren. Da es sich bei dem Kapselgehörschutz um persönliche Schutzausrüstung handelt, ist es vorgeschrieben, dass diese periodisch ausgetauscht werden muss. Die Streitkräfte gehen daher davon aus, dass Nutzungskosten, welche aus dem regulären Haushalt finanziert werden sollen, von rund 2,4 Milliarden Euro anfallen können, wenn der gesamte Rahmenvertrag ausgereizt wird, es also zum Abruf aller Systeme kommt.

Waldemar Geiger

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