Die polnischen Streitkräfte wollen in Zukunft neue Transport-, Tank- und Kampfflugzeuge beschaffen. Hierzulande hatte erstmals Verteidigungsminister Boris Pistorius während seines Besuchs bei Airbus in Bremen Ende Januar gesagt, dass Polen „konkretes Interesse“ an der Beschaffung des Transportflugzeuges A400M habe. Insider gehen von einem Bedarf von weniger als zehn Maschinen aus. Seitdem haben Medien darüber berichtet, dass Polen auch ein Interesse an der Beschaffung von zwei bis vier Tankflugzeugen des Typs A330 MRTT haben soll.
Nach Aussage von Michael Schöllhorn, CEO von Airbus Defence and Space, befindet sich sein Unternehmen gegenwärtig in Gesprächen mit Polen. Man sei daran interessiert, einen Beitrag zur Ausstattung der polnischen Streitkräfte zu leisten, sagte er am Dienstag am Rande einer DWT-Veranstaltung in Berlin. Weitere Details nannte er nicht.
Sollte sich Polen tatsächlich für den A400M entscheiden, würden damit der Druck etwas gemindert, der von den beabsichtigen Bestell-Stornierungen der französischen und spanischen Streitkräfte für das Flugzeug ausgeht. Die avisierten Abbestellungen der beiden Länder könnten dazu führen, dass die Fertigungslinie bereits in wenigen Jahren geschlossen werden muss.
Eine Verlängerung der Produktion könnte jedoch erfolgen, falls das BMVg eine wichtige Weichenstellung vornehmen sollte. Wie aus gut informierten Kreisen zu vernehmen ist, steht die Entscheidung bevor, welches Luftfahrzeug die Bundeswehr für die Entwicklung eines sogenannten Stand-Off-Jammers im Rahmen des Vorhabens LuWES (Luftgestützte Wirkung im elektromagnetischen Spektrum) nutzen will. Neben einem Business-Jet, einem Airbus-Passagierflugzeug befindet sich auch der A400M in der engeren Wahl. Fachleute halten dabei den A400M für die beste Option, da er eine Reihe von Vorteilen mit sich bringt und die Umbauarbeiten geringer ausfallen dürften als bei einem Passagierflugzeug. Sollte tatsächlich dieses Muster den Zuschlag erhalten, könnte womöglich eine Stückzahl oberhalb des polnischen Bedarfs benötigt werden.
Für die polnischen Beschaffungsvorhaben im Bereich Lufttransport und Betankung dürften neben Airbus aber noch andere Wettbewerber als Lieferanten in Frage kommen. So hat auch Boeing ein Interesse, einen Vertrag für sein Tankflugzeug des Typs KC-46 zu schließen.
Anfang dieser Woche hatte der CEO des brasilianischen Flugzeugherstellers Embraer, Francisco Gomes Neto, einen Termin im polnischen Verteidigungsministerium. Das Unternehmen möchte sein taktisches Transportflugzeug KC-390, das bereits an mehrere Streitkräfte in Europa verkauft wurde, auch in Polen zu platzieren. Gomes Neto machte dann auch konkrete Vorschläge für die industrielle Kooperation.
Wie Embraer in einer Mitteilung schreibt, sucht das Unternehmen nach Partnern für die Teileproduktion und eine mögliche Endfertigungslinie für die KC-390. Embraer sehe in Polen den richtigen strategischen Partner, um seine Kräfte zu bündeln, hochmoderne Militärausrüstung der neuesten Generation zu bauen und hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen, schreibt der brasilianische Konzern. Die Flugzeugmontage und das damit verbundene Ökosystem des Anschlussmarktes – einschließlich Wartung und Schulung – könnten nach Einschätzung von Embraer zu einer Wertschöpfung von fast einer Milliarde US-Dollar und 600 Arbeitsplätzen in Polen führen.
Eurofighter mit im Rennen
Die polnische Luftwaffe interessiert sich nicht nur für Tanker und Transporter, sondern auch für Kampfflugzeuge und hat offenbar einen Bedarf von zusätzlichen 32 Maschinen – dem Vernehmen nach werden Flugzeuge idealerweise in der Konfiguration als Zweistrahler gesucht. Bereits seit geraumer Zeit laufen Gespräche mit mindestens drei Anbietern. So bietet Boeing die F-15 EX, Lockheed Martin weitere F-35A und der italienische Rüstungskonzern Leonardo den Eurofighter an.
Sollte der Eurofighter tatsächlich ausgewählt werden, würden auch Airbus Defence sowie weitere deutsche Zulieferer profitieren. So kommt beispielsweise das Triebwerk aus Deutschland. Wie es heißt, wurden bislang lediglich Gespräche mit den Anbietern geführt. Eine Aufforderung zum Angebot scheint noch nicht erfolgt zu sein.
Von einem potenziellen Lieferanten fordert die polnische Seite, im Gegensatz zur der vor einigen Jahren erfolgten Bestellung der F-35, diesmal die polnische Industrie stärker in die Wertschöpfung einzubinden. Leonardo hat bereits einen Footprint in Polen und will den Hubschrauber AW149 für die polnischen Streitkräfte vor Ort montieren. Das könnte es dem Unternehmen leichter machen, Vorschläge für die industrielle Kooperation zu erarbeiten.
Polens Vizeminister informiert sich über U-Boote
Ein weiterer Bereich der möglichen Zusammenarbeit zwischen der polnischen und deutschen Industrie könnte der Marine-Sektor darstellen. So plant Polen im Rahmen des Projektes Orka mehrere U-Boote zu beschaffen. In polnischen Medien wird über drei bis vier Boote spekuliert. Wie es heißt, hat das polnische Verteidigungsministerium insgesamt sieben Angebote aus der ganzen Welt erhalten und befindet sich im Prozess der Evaluierung. Ein Anbieter ist dabei thyssenkrupp Marine Systems (tkMS) mit Hauptsitz in Kiel.
Anfang dieser Woche besuchte Polens stellvertretender Minister für Nationale Verteidigung, Paweł Bejda, Deutschland, wo er an einer Reihe von Treffen und Studienbesuchen im Bereich der militärtechnischen und industriellen Verteidigungszusammenarbeit teilnahm.
Wie das polnische Verteidigungsministerium schreibt, begann der Aufenthalt des Ministers mit einem Besuch des U-Boot-Ausbildungszentrums in Eckernförde. Während des Besuchs machte sich Bejda zusammen mit dem deutschen Rüstungs-Staatssekretär Benedikt Zimmer mit dem Ausbildungsprozess der Marine, den Simulatoren und den Technologien zur Unterstützung der Ausbildung vertraut. Während des Treffens seien auch die Grundsätze der logistischen Unterstützungssysteme und der Schiffswartung vorgestellt worden.
Ein weiterer Programmpunkt war der Besuch der tkMS-Werft in Kiel. Die polnische Delegation hatte laut Mitteilung Gelegenheit, den Produktionsprozess zu besichtigen und die Möglichkeiten einer möglichen künftigen Zusammenarbeit zu erörtern. Dem Vernehmen nach bietet tkMS mit der Klasse 212 CD sein modernstes Design an. Diese zusammen mit Norwegen entwickelte U-Boot-Klasse ist zwar deutlich größer als die von der Deutschen Marine genutzten U 212 A, jedoch trotzdem für den Einsatz in der Ostsee geeignet. So können die U 212 CD aufgrund ihres Designs getaucht die Kadetrinne durchfahren, ein Flachwassergebiet südlich der dänischen Insel Falster, das als besonders herausfordernd gilt.
Wie das polnische Verteidigungsministerium schreibt, endete der Besuch des Ministers mit einem bilateralen Treffen zwischen Delegationen der beiden Verteidigungsministerien. Dabei seien die Aussichten für die Entwicklung der militärisch-technischen Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschland erörtert worden.
Lars Hoffmann