Wie bereits kürzlich in mehreren Medien berichtet, streicht das Verteidigungsministerium insgesamt sechs Projekte aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen der Bundeswehr. Als Grund nennt das BMVg in einem Brief an Bundestagsabgeordnete des Haushaltsausschusses aktuelle Preisentwicklungen auf dem Energie- und Rohstoffsektor sowie die signifikant gestiegene Nachfrage nach Rüstungsgütern, die offenbar auch zu Preissteigerungen führt. Aus diesen Gründen sowie eingeplanten Zinsen in Höhe von sieben Mrd EUR können nicht alle ursprünglich für das Sondervermögen eingeplanten Projekte umgesetzt werden. Laut Ministerium wurden auf militärischen Rat hin sechs Projekte ausgewählt, die weiterhin erforderlich sind, für deren Umsetzung jedoch eine Steigerung des regulären Verteidigungshaushalts auf zwei Prozent erforderlich sei. Dabei geht es um Vorhaben, deren Hauptfinanzbedarf erst später, in der Regel erst nach 2027, anfällt.
Dazu gehört auch die Beschaffung eines dritten Loses der Korvette K130, welche im Umfang reduziert werden soll – eine Zahl wird jedoch nicht genannt. Dieses dritte Lose sollte eigentlich das erste Los ablösen, damit die Marine langfristig mit insgesamt zehn Einheiten operieren kann. Aber es gibt augenblicklich erhebliche Probleme beim in Bau befindlichen zweiten Korvettenlos mit fünf Schiffen. So wird laut BMVg das erste Boot dieses Loses nach gegenwärtigem Stand seine operationelle Einsatzreife mit einer 40monatigen Verzögerung erst im Jahr 2025 erreichen. Im jüngsten Rüstungsbericht war noch von einer möglichen Verzögerung von 24 Monaten die Rede, die auf Probleme bei der Implementierung des Führungs- und Waffeneinsatzsystems (FüWES) zurückgeführt wurde. Die Umsetzung des FüWES liegt in der Verantwortung von Atlas Elektronik und Thales.
Darüber hinaus hat sich der Bedarf der NATO für diesen Schiffstyp, der für Randmeere wie Nord- und Ostsee vorgesehen ist, womöglich reduziert. Denn die potenziellen neuen NATO-Mitglieder Finnland und Schweden würden eigene Korvetten in das Fähigkeitsportfolio der Allianz einbringen. Die Reduzierung des 3. Korvettenloses wird deshalb neben der deutlich verzögerten Auslieferung des 2. Loses und dem gesteigerten Finanzbedarf auch mit den Fähigkeitsbeiträgen der beiden skandinavischen Länder begründet.
Aus dem Sondervermögen soll noch ein weiteres Marine-Projekt fliegen, nämlich die Beschaffung der Schiffe fünf und sechs der neuen Fregattenklasse 126, deren erstes Schiff 2028 zulaufen soll. Auch hier fällt die Hauptfinanzierung nach 2027 an, wobei eine Optionsauslösung bis 2024 erfolgen müsste. Offenbar sind für die beiden Optionen die tatsächlichen Finanzbedarfe jedoch noch nicht geklärt, da der Hersteller Nachverhandlungsansprüche angemeldet hat. Aufgrund dieser Ansprüche und dem zeitlichen Spielraum für das Projekt, sieht das Ministerium andere Vorhaben, wie etwa in den Bereichen Führungsfähigkeit und Digitalisierung, als dringlicher an, und würde eine Finanzierung der beiden optionierten Fregatten im Haushalt 2024 aus dem Einzelplan 14 verfolgen.
Betroffen ist die Marine überdies von der Verschiebung des Vorhabens Interactive Defense and Attack System for Submarines (IDAS). Der Entwicklungsvertrag inklusive Mustervertrag für diesen U-Boot-Flugkörper zur Bekämpfung von Luftzielen soll erst ab 2024 geschlossen werden, eine Erstbeschaffung ist dann ab 2029 vorgesehen. Während die Entwicklung weiter über das Sondervermögen finanziert wird, soll die Beschaffung aus dem Einzelplan 14 erfolgen.
Reduziert wird auch der Kauf von Seefernaufklärern P-8 Poseidon von 12 auf 8 Maschinen. Deutschland hat der NATO offenbar auch nur letztere Zahl zugesagt. Damit ist nach Einschätzung des Ministeriums weiterhin eine Beschaffung von Seefernaufklärern mit Frankreich im Rahmen des Vorhabens Maritime Airborne Warfare System (MAWS) möglich. Offiziell hatte das BMVg bis jetzt nicht bestätigt, dass überhaupt 12 Maschinen eingeplant waren.
Betroffen von der Streichliste ist auch das Heer. So soll die Beschaffung eines Nachfolgesystems für den Transportpanzer Fuchs, von dem über 900 Exemplare bei der Bundeswehr im Einsatz sind, auf der Zeitachse nach hinten und damit aus dem Sondervermögen geschoben werden. Allerdings wird bereits im kommenden Jahr das finnische Patria-System als möglicher Nachfolger ersten Tests unterzogen, so jedenfalls die Planung.
Indirekt oder direkt betroffen wird das Heer auch von der Reduzierung des Teilbereichs 3 im Rahmen des Luftverteidigungssystems Nah- und Nächstbereichsschutz (NNbS) sein. Hier soll die Realisierung einer Laserwaffe ausgeklammert werden, deren Finanzierung auch nach 2027 liegt. Dagegen soll eine potenzielle Kanonenlösung sowie der Einsatz kleiner Flugkörper weiterhin Bestandteil von NNbS bleiben und über das Sondervermögen finanziert werden. Abzuwarten bleibt, ob der Einzelplan 14 tatsächlich so aufgestockt wird, dass die aus dem Sondervermögen gestrichenen Vorhaben tatsächlich darüber finanziert werden können.
lah/2.11.2022