Anzeige

Viele Fragen müssen noch geklärt werden

Anzeige

Bei dem von Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung vom 27. Februar angekündigten Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro scheinen wesentliche Parameter noch nicht festzuliegen. Während in der vergangenen Woche Gerüchte kursierten, wonach die Mittel in vier oder gar in drei Jahren ausgegeben werden sollen, scheint sich jetzt eine längerfristige Perspektive durchzusetzen. Nach Aussage von Generalleutnant Christian Badia, Abteilungsleiter Planung im Bundesverteidigungsministerium, wäre aus planerischer Sicht ein Zeitraum von zehn Jahren zu bevorzugen. Er räumte während einer Panel-Diskussion auf dem Symposium „Perspektiven der Verteidigungswirtschaft 2022“ der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) heute in Bonn jedoch ein, dass auch weiterhin über einen Mittelabfluss binnen fünf Jahren diskutiert wird.

Laut Badia wird das vom Bundeskanzler ebenfalls angekündigte 2-Prozent-Ziel für Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt durch die Kombination des Sondervermögens mit dem regulären Verteidigungshaushalt im Einzelplan 14 erreicht. Man werde alles daran setzen, im Haushalt 2023 auf die zwei Prozent zu kommen, betonte der General.

Anzeige

Abgeleitet wurde die Summe von 100 Milliarden Euro offenbar vom Fähigkeitsprofil der Bundeswehr, aus dem sich der Finanzbedarf für konkrete Rüstungsvorhaben  ergibt. Diese Rechnung hatte die Abteilung Planung wohl auch der neuen Bundesregierung im vergangenen vorgelegt. In Fachkreisen war bereits seit geraumer Zeit darüber spekuliert worden, ob mit der bis zum russischen Überfall auf die Ukraine gültigen Haushaltsplanung mit fallenden Finanzlinien für den Einzelplan 14 die zukünftigen Beschaffungsvorhaben wirklich umsetzbar gewesen wären.

Anzeige

Welche konkreten Projekte aus dem 100-Milliarden-Topf finanziert werden sollen, ist im Augenblick noch in der Abstimmung. Wie es heißt, soll dazu Generalinspekteur Eberhard Zorn eine Liste erstellen. Erwartet wird, dass darauf in erster Linie Großprojekte stehen werden, weitere Details sind noch nicht bekannt.

Bei den anstehenden Beschaffungsvorhaben soll die persönliche Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten – wie angeblich schon in den vergangenen Jahren – Priorität genießen. Weiter Schwerpunkte werden bei der Führungsfähigkeit und Digitalisierung sowie der Logistik, Munition und der sanitätsdienstlichen Unterstützung gesehen.

Weitere Konkretisierungen dürften spätestens am 16. März erwartet, wenn der Haushaltsentwurf und das Einrichtungsgesetz für das Sondervermögen nach derzeitiger Planung ins Kabinett gehen. Nach Einschätzung von Karl Henning Bald, Abteilungsleiter Haushalt im BMVg, wird sich der Haushaltsentwurf des Einzelplans 14 für das Jahr 2022 jedoch kaum von der bisherigen Planung unterscheiden. Trifft dies zu, dürften die rund 20 Milliarden Euro zusätzlich, die zum Erreichen der Zwei-Prozent-Quote erforderlich sind, wohl aus dem Sondervermögen kommen müssen. Oder das Ziel wird erst 2023 angepeilt. „Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren“, hatte der Bundeskanzler gesagt. Das lässt einen gewissen Interpretationsspielraum.

Neben den langfristigen Planungen laufen gegenwärtig die Bemühungen auf Hochtouren, die Gefechtsbereitschaft der Bundeswehr zu steigern. Denn man wisse nicht, wie weit Russlands Präsident Putin gehe, betonte Vizeadmiral Carsten Stawitzki, Abteilungsleiter Ausrüstung im BMVg, während der Panel-Diskussion. Es gehe darum, kaltstartfähige Großverbände zu haben, die auch funktionieren. Dazu wird gegenwärtig unter anderem geprüft, welches Material schnellstmöglich aus der Industrie-Instandhaltung wieder an die Truppe übergeben werden kann.

Um laufende Beschaffungsvorhaben zu beschleunigen, hatte das BMVg die Industrie aufgefordert, Rügen bis Ende vergangener Woche zurückzuziehen oder im Rahmen eines Vergleichs Rechtsstreitigkeiten zu beenden. Gut informierten Kreisen zufolge, sollen auch bei allen für das Ministerium wichtigen Vorhaben, diese Forderungen erfüllt worden sein. Wie es heißt, auch beim Projekt des Nah- und Nächstbereichsschutzes (NNbS). Hier ist bekanntlich ein Konsortium um Diehl, Rheinmetall und Hensoldt zur Abgabe eines Angebotes in nächster Zeit aufgefordert worden.

Stawitzki wies bei der DWT-Veranstaltung darauf hin, dass in Zukunft die Beschaffung von marktverfügbaren Produkten Priorität eingeräumt werden soll. Er forderte die Industrie auf, nicht allen Vorgaben des Auftraggebers blind Folge zu leisten, sondern bei gewünschten Spezifikationen auf die damit  verbundenen Risiken bei der Umsetzung hinzuweisen.

Der Admiral ordnete auch die auf den ersten Blick hoch erscheinende Summe von 100 Milliarden Euro für das Sondervermögen ein.  So müssten davon zunächst einmal rund 20 Prozent Mehrwertsteuer abgezogen werden, sagte Stawitzki. Diskontiere man auf einen Zeitraum von zehn Jahren die zu erwartende Inflation ab, komme man vielleicht auf einen Kaufkraft-Wert des Sondervermögens von 60 bis 65 Milliarden Euro.
lah/7.3.2022