Anzeige

Überfordert oder mutlos? – Umgang des Verteidigungsministeriums mit dem Traditionserlass der Bundeswehr

Waldemar Geiger

Anzeige

Rund einen Monat nach Inkrafttreten der Ergänzenden Hinweise zu den Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege der Bundeswehr hat das Verteidigungsministerium in Person von Generalinspekteur Carsten Breuer diese heute wieder außer Kraft gesetzt. Den Ausführungen des Generalinspekteurs zufolge sind Zweifel an der Wertebindung des Traditionsverständnisses aufgetreten.

Die erst am 12. Juli 2024 erlassenen Ergänzungen zum 2018 neu gefassten Traditionserlass der Bundeswehr wurden zuweilen kontrovers diskutiert, da sie Beispiele von traditionswürdigen Soldaten enthalten haben, deren wesentliche Leistung weniger in deren Taten für die Bundeswehr sowie das Eintreten für die freiheitlichen und demokratischen Grundordnung als vielmehr in soldatischen Einzelleistungen im Zweiten Weltkrieg lagen, so zumindest die Kritiker.

Anzeige

In einem heutigen Rundschreiben stellte General Breuer jedoch klar: „Für Traditionswürdigkeit in der Bundeswehr waren, sind und bleiben Wertebindung und das klare Bekenntnis zur freiheitlichen und demokratischen Grundordnung zwingend. Nur auf Grundlage dieser Wertebindung, die sich nicht allein auf professionelles Können im Gefecht reduziert, kann soldatisches Selbstverständnis sinn- und traditionsstiftend sein.“

Anzeige

Wieso die Ergänzungen dann überhaupt von Generalleutnant Kai Rohrschneider, Abteilungsleiter im Verteidigungsministerium, erlassen wurden, bleibt ein Mysterium.

Bereits der 2018 erlassene Traditionserlass wurde zum Zeitpunkt des Inkrafttretens nicht unkritisch gesehen, da dieser den in großen Teilen der Truppe gelebten Umgang mit soldatischen Leistungen im Zweiten Weltkrieg entgegengestanden hat. So mussten viele Traditionsräume ausgemistet und teilweise Kasernen umbenannt werden. Auch wurde von Beobachtern kritisiert, dass die Fokussierung auf das klare Bekenntnis zur freiheitlichen und demokratischen Grundordnung zwar verständlich sei, aber nicht dem Bedürfnis vieler Soldatinnen und Soldaten in der Traditionspflege entspreche. So wurde beispielsweise aufgeführt, dass viele Truppenteile im Rahmen des Erlasses kaum bis keine Vorbilder finden könnten, die dem Selbstverständnis der jeweiligen Truppengattung entsprechen.

Ob mit den Ergänzungen ein Weg gesucht wurde, dem Bedürfnis der Truppe nachzukommen, auch soldatischen Leistungen in einem gewissen Rahmen Traditionswürdigkeit zu verleihen, bleibt jedoch unklar. Genauso unklar wie der Umstand, ob die Ergänzungen innerhalb des Verteidigungsministeriums abgestimmt waren oder nicht.

In der Truppe und der interessierten Öffentlichkeit wird die Posse auf jeden Fall keinen guten Eindruck hinterlassen. Die Vorgänge lassen die Vermutung zu, dass das Verteidigungsministerium überfordert oder mutlos ist. Entweder weiß man im Bendlerblock selbst nicht, welche Tradition in der Bundeswehr überhaupt gelebt werden soll, oder die Zuständigen hat der Mut verlassen, nachdem die ersten kritischen Stimmen laut geworden sind. Alles in allem eine äußerst peinliche Angelegenheit, die ein schlechtes Licht auf das Ministerium wirft.

Waldemar Geiger