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tkMS arbeitet an autonomen Fahrzeugen für die U-Boot-Jagd

Der Kieler U-Boot- und Schiffbauer thyssenkrupp Marine Systems (tkMS) entwickelt gegenwärtig autonome Wasserfahrzeuge für den Einsatz über und unter Wasser, die unter anderem zur U-Boot-Jagd eingesetzt werden sollen. Eines davon ist der Stargazer, ein unbemanntes U-Boot, auch als Unmanned Underwater Vehicle (UUV) bezeichnet, mit einer Länge von 30 Metern. Das Fahrzeug verdrängt 150 Tonnen und soll bei einer Patrouillengeschwindigkeit von vier Knoten auf eine Reichweite von 2.000 Seemeilen kommen. S passive

Das UUV soll über umfassende Kommunikationsmittel – auch für die Unterwasserkommunikation – verfügen, wie die tkMS-Manager Jens Ballé und Gebhard Heizmann-Bartels kürzlich beim 24. DWT-Marineforum in Linstow erläuterten. Für den Nachrichtenaustausch vom getauchten UUV mit Überwassereinheiten soll ihren Worten zufolge eine Kommunikationsboje – auch als Pinguin bezeichnet – verwendet werden. Diese schwimmt an die Wasseroberfläche und später zurück zum getauchten Fahrzeug. Aufgetaucht fungiert der Pinguin als Relaisstation für die Kommunikation vom getauchten Mutterboot. Etwa sechs bis acht solcher Pinguine sollen in einem Trommelmagazin im Stargazer untergebracht werden. Zur Aufklärung von U-Booten wird das UUV den Plänen von tkMS zufolge überdies eine umfangreiche Sonarausstattung erhalten.

Eingesetzt werden soll der Stargazer unter anderem zur Aufklärung von gegnerischen U-Booten, wobei tkMS ein multistatischer Ansatz vorschwebt: ein unbemanntes Überwasserfahrfahrzeug (Unmanned Surface Vehicle, USV) mit der Bezeichnung Meko S-X setzt dabei ein aktives Schleppsonar ein, während zwei Stargazer an den Flanken nur als Empfänger fungieren. Damit soll nach den Angaben des U-Boot-Bauers eine Seegebiet in der Breite von etwa 100 nautischen Meilen abgedeckt werden. Das heißt, der Abstand des in der Mitte fahrenden Meko S-X zu den beiden Stargazern beträgt jeweils bis zu 50 nautische Meilen.

Das Überwasserfahrzeug Meko S-X soll über eine maximale Geschwindigkeit von 22 Knoten verfügen, um auch Schiffskonvois eskortieren zu können, und wird von einem Dieselmotor angetrieben. Denn diese Antriebsform ist erforderlich, um den großen Energiebedarf, den ein leistungsstarkes Schleppsonar aufweist, decken zu können. Der Stargazer dagegen wird den Plänen zufolge einen Brennstoffzellenantrieb aus tkMS-Produktion sowie eine Batterie zur Pufferung erhalten. Das Fahrzeug, das Komponenten von zivilen Unterwasser-Drohnen übernimmt, soll im Gegensatz zu diesen für die militärischen Zwecke deutlich signaturoptimierter ausgelegt werden.

Auch Meko S-X wird laut Hersteller umfangreiche Sensoren erhalten, darunter passive Sonare.  Bei der Eskorte eines schnell fahrenden Konvois soll die multistatische U-Boot-Aufklärung von drei dieser USV übernommen werden, weil nur sie – im Gegensatz zum Stargazer – die erforderliche Geschwindigkeit erreichen. Nach Angaben von tkMS wird das 52 Meter lange Fahrzeug eine Verdrängung von 250 Tonnen aufweisen und bei Höchstgeschwindigkeit auf eine Reichweite von 1.700 Seemeilen kommen. Nach 42 Tagen ist ein Wartungsintervall vorgesehen. Das USV ist laut Hersteller so ausgelegt, dass es bis zu einem Seegang der Stärke 7 operieren und Stärke 9 überleben kann.

Beide Plattformen sind unbewaffnet

Durch den Einsatz der unbemannten Fahrzeuge können Fregatten innerhalb eines Verbandes für andere Aufgaben freigemacht werden, wie die tkMS-Manager erläuterten. Um ein Meko S-X zu betanken, sollen den Planungen zufolge womöglich einzelne Marineschiffe eines Konvois am Heck mit einem Container und einem Auslegerarm ausgestattet werden. Dieser Ausleger führt dem Konzept zufolge einen Tankschlauch zum hinter dem Schiff fahrenden USV, so dass eine Kraftstoffübergabe aus den Tanks des vorfahrenden Schiffes möglich wird – ähnlich der Luftbetankung von Flugzeugen.

Nach gegenwärtiger Planung sind sowohl das UUV als auch das USV unbewaffnet. Effektoren sollen durch Hubschrauber, Drohnen oder Seefernaufklärer zum Einsatz gebracht werden. Wobei tkMS plant, eine möglichst genaue Voreinweisung für die Waffenträger zu geben, damit der Einsatz eines Tauchsonars oder von Bojen überflüssig wird.

Dabei könnte der Ablauf folgendermaßen aussehen: Ein in einem Dreierverband operierender Stargazer detektiert ein gegnerisches U-Boot, unmittelbar danach wird ein Pinguin an die Wasseroberfläche geschickt, der mittels Satellitenkommunikation den Kommunikationsverbindung zwischen getauchtem UUV und dem Meko-SX-USV herstellt. Die Zieldaten werden dann über das Überwasser-USV an ein Schiff, Flugzeug oder eine Bodenstation weitergegeben und der Bekämpfungsvorgang eingeleitet.

Mit einer Kombination aus den Stargazer und Meko S-X lässt sich nach Einschätzung der tkMS-Experten die so genannte GIUK-Lücke zwischen Grönland, Island und die britischen Inseln kostengünstig überwachen. Dafür sind nach Berechnungen des Unternehmens 35 UUV, davon 27 im Einsatz, sowie 13 USV, davon zehn im Einsatz, erforderlich. Um die Fahrzeuge zu warten, müssten drei Basen genutzt werden.

Und dabei lassen sich ihren Berechnungen zufolge gegenüber einer Überwachung aus der Luft mit Seefernaufklärern, die Sonarbojen ausbringen, mehr als 80 Prozent der Kosten sparen. Denn die Sonarbojen sind nur kurze Zeit einsetzbar, gehen nach einer Weile unter und stellen sozusagen „Sunk Costs“ dar. Für tkMS ist auch denkbar, dass einzelne Stargazer in der Barentssee zur Aufklärung russischer Atom-U-Boote eingesetzt werden könnten.

Dem Unternehmen zufolge soll ein Demonstrator eines Stargazers Ende 2024 „an der Pier liegen“. Im darauffolgenden Jahr sollen dann die Seeerprobungen starten. Das Unternehmen greift bei der Entwicklung nach eigenen Angaben auf Künstliche Intelligenz und Erfahrungen mit Systemen wie der SeaCat des Tochterunternehmens Atlas Elektronik zurück.
lah/5.10.2022