Der Skyranger scheint gegenwärtig die einzige Option der Bundeswehr für einen zukünftigen Flak-Panzer zu sein. Da die deutsche Variante mit einer 30mm-Waffe ausgerüstet werden soll, weist der Turm noch Reserven für die Aufnahme von leichten Boden-Luft-Raketen auf. Diese sind vorgesehen, um Bedrohungen aus der Luft zu bekämpfen, die außerhalb der Reichweite der Kanone liegen. Nachdem es eine Weile danach aussah, dass das Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw eine Lösung mit der französischen Mistral-Rakete anstreben könnte, scheint dies aktuell nicht mehr der Fall zu sein. Wie es übereinstimmend in Fachkreisen heißt, wird gegenwärtig mit dem Einsatz des MANPADS Stinger geplant. Trifft dies zu, würde die Bundeswehr im Augenblick einer marktverfügbaren Waffe den Vorzug gegenüber einem nicht fertig entwickelten System geben, wie es beispielsweise MBDA mit dem vom Enforcer abgeleiteten Anti-Drohnen-Flugkörper SADM anbietet.
Sollte tatsächlich die Stinger gewählt werden, dürfte die gegenwärtig von der Bundeswehr unter der Bezeichnung Fliegerfaust 2 genutzte Version für die Drohnenabwehr jedoch kaum geeignet sein, wie Insider berichten. Denn ihr fehlt ein Annäherungszünder, um erfolgreich kleine Ziele bekämpfen zu können. Nach Angaben des Herstellers Raytheon hat die US-Army erst 2019 damit begonnen, ihre Stinger mit Annäherungszündern für die Drohnenbekämpfung auszustatten.
Beobachter fragen sich überdies, ob der Flugkörper überhaupt schnell genug geliefert werden könnte, da der Hersteller aufgrund der Abgabe an die Ukraine und dem hohen Bedarf des US-Militärs bereits an der Kapazitätsgrenze produzieren soll. Andererseits wird für die bis zu 20 Skyranger, die im ersten Schritt aus dem Sondervermögen finanziert werden sollen, der Bedarf überschaubar sein, wenn man von zwei bis drei Raketenwerfern pro Fahrzeug ausgeht. Weitere potenzielle Nutzer des Skyranger, wie beispielsweise Ungarn, werden voraussichtlich überdies andere MANPADS wie beispielsweise die Mistral auswählen.
Allerdings will die Bundeswehr eine Wiederbeschaffung der an die Ukraine abgegebenen 500 Stinger-Flugkörper bereits in der zweiten Jahreshälfte einleiten, wie aus den Planungen zu den 25-Millionen-Euro-Vorlagen für den Bundestag hervorgeht. Und wie Insider berichten, soll es einen zusätzlichen Bedarf an Stinger-Raketen geben, der im vierstelligen Bereich liegt. Die Nachfrage aus Deutschland ist demnach erheblich.
Vor diesem Hintergrund gibt es offenbar bereits Überlegungen, ähnlich wie bei der Herstellung von Patriot-Lenkflugkörpern des Typs GEM-T, die von Raytheon und MBDA in Schrobenhausen angestrebt wird, auch bei Stinger in Deutschland Fertigungskapazitäten aufzubauen. Neben den beiden großen deutschen Flugkörperherstellern dürfte hier womöglich auch Rheinmetall als Partner in Frage kommen.
Das GEM-T-Projekt scheint augenblicklich auf gutem Wege zu sein. So berichten Insider, dass neben der Bundeswehr auch die Streitkräfte Spaniens, der Niederlande, Schwedens und Rumäniens Interesse an einer Bestellung haben. Damit dürfte die für einen Aufbau von Fertigungskapazitäten erforderliche Mindestmenge überschritten sein.
Iris-T SLS für die Ukraine
Wie übereinstimmend aus Industrie- wie auch aus Militärkreisen berichtet wird, erzielt das von Diehl gelieferte Luftverteidigungssystem Iris-T SLM in der Ukraine exorbitant hohe Trefferquoten gegen russische Flugkörper und Drohnen. Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, steht in den kommenden Wochen die Lieferung eines weiteren Systems Iris-T SLM, bestehend aus Launchern, Feuerleitung und Radar, an die ukrainischen Streitkräfte bevor. Dem Vernehmen nach sollen eine Reihe von Ländern – auch im Rahmen der von Deutschland initiierten European Sky Shield Initiative – Interesse an dem Produkt gezeigt haben. In diesem Zusammenhang wird neben baltischen und nordeuropäischen Staaten auch immer wieder Slowenien erwähnt.
Darüber hinaus soll auch die kleine Schwester, die Iris-T SLS, in Zukunft zum Schutz der Ukraine eingesetzt werden. Presseberichten zufolge befanden sich Schweden und Deutschland dazu auf Regierungsebene seit geraumer Zeit in Verhandlungen. Obwohl die Iris-T SLS als Flugkörper für den Nächstbereichsschutz beim deutschen NNbS-Vorhaben genutzt werden soll, verfügen gegenwärtig nur die schwedischen Streitkräfte über Startgeräte für den Flugkörper, die auf Gelenkfahrzeugen der Marke Hägglunds montiert sind. Wie Insider berichten, haben sich Stockholm und Berlin nun darauf geeinigt, dass Schweden Startgeräte liefert, während die deutsche Luftwaffe eine gewisse Anzahl Iris-T SLS abgibt, die bisher in Deutschland nur als Luft-Luft-Lenkflugkörper eingesetzt werden, aber nach einer leichten Modifikation auch für den Boden-Luft-Einsatz nutzbar sind. Auf den Hersteller Diehl dürfte dann die Aufgabe zukommen, die über kein eigenes Radar verfügenden Launcher der lris-T SLS an das Iris-T-SLM-System anzubinden. Wie es heißt, sollen die Launcher überdies auf Lkw montiert werden, wie dies auch bei der Iris-T SLM der Fall ist. Auch hier dürften Arbeitspakete für Diehl anfallen. Mit der Abgabe der Iris-T SLS würde die Ukraine als erstes Land ein System erhalten, das rudimentär der Architektur des deutschen NNbS-Projektes entspricht – nur etwa eine halbe Dekade früher als die Bundeswehr.
lah/29.3.2023