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TEN soll bis 2023 erstes Force Package modernisieren

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Mit einem Memorandum of Understandig Ende Juni haben das niederländische und deutsche Verteidigungsministerium die Weichen zur gemeinsamen Digitalisierung der Landstreitkräfte beider Länder gestellt.  Erstes Ziel des als Tactical Edge Networking (TEN) bezeichneten Vorhabens, in dem die nationalen Projekte D-LBO und Foxtrot zusammengeführt werden, ist die digitale Modernisierung eines bilateralen Verbandes im Zeitraum 2023/2024. Wie Christian Peters, Leitender Regierungsdirektor im Planungsamt der Bundeswehr und gemeinsam mit dem niederländischen Oberst Robert Miedema Projektleiter bei TEN, am Donnerstag auf der Koblenzer IT-Tagung der AFCEA sagte,  wird dafür eine Einheit aus Teilen  der Panzerlehrbrigade 9 und dem 44. niederländischen Infanteriebataillon plus Unterstützungstruppen digitalisiert.

Im Rahmen von TEN werden die Streitkräfte beider Länder mit der gleichen Soft- und Hardware-Technologie  ausgestattet. Während drei niederländische und acht deutsche Heeres-Brigaden modernisiert werden sollen, wird das Vorhaben TEN paritätisch von beiden Ländern gemanagt. Eine Lead Nation ist dabei nicht vorgesehen. Nach Aussage von Peters hat das Projektmanagement seinen Sitz Koblenz, während das Design- und Prototyp-Center im niederländischen Amersfoort angesiedelt wird. In Amersfoort sollen die zu nutzenden Softwarekomponenten integriert werden. Die Praxiserprobung mit neuer Software soll dann im Test- und Versuchsverband in Munster durch beide Streitkräfte erfolgen. Offenbar wird dafür der bislang rein deutsche Verband durch niederländische Anteile aufgestockt.

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Betriebssystem wird in Eigenregie entwickelt

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Es werde keinen Big Bang bei der Digitalisierung geben, sondern diese werde als schrittweiser Prozess im Sinne des „Spiral Development“ mit ständigen Praxistests gestaltet, betonte Peters. Als taktischer Kern von TEN soll seinen Worten zufolge eine Software – quasi das Betriebssystem  von TEN – selbst entwickelt und als offener Standard der Industrie zur Verfügung gestellt werden.  Daran angekoppelt werden kann beispielsweise ein Battle Management System als taktische Applikation. Deutschland und die Niederlande werden die intellektuellen Eigentumsrechte an dieser Middle-Ware gemeinsam halten. Die Architektur wird so aufgesetzt, dass damit grundsätzlich ein NATO-Standard generiert werden kann. Dies würde es erleichtern, weitere Streitkräfte einzubinden – etwa bei multinationalen Operationen. Insbesondere Armeen kleinerer Staaten sollen dem Vernehmen nach Interesse zeigen. So arbeitet Deutschland neben den Niederlanden auch eng mit Norwegen zusammen. In letzter Zeit erwägen überdies osteuropäische Staaten eine stärkere Anlehnung an die Bundeswehr. So hat beispielsweise Ungarn Ende vergangenen Jahres einen Großauftrag bei der deutschen Rüstungsindustrie platziert.

Während die niederländischen Streitkräfte in Amersfoort über eigene Programmierkapazitäten verfügen – sowohl Marine- als auch Heeres-Battle-Managment-Systeme wurden im Nachbarland selbst entwickelt – verfügt die Bundeswehr über diese Fähigkeiten nicht. Dafür können die deutschen Planer auf die Expertise der bundeseigenen BWI GmbH zurückgreifen, die offenbar auch in die so genannte Enterprise Lead Architect Group mit Sitz in Koblenz eingebunden werden soll.  Letztere  soll Lösungen für die spätere Implementierung in Amersfoort auswählen.  Mit dem ehemaligen Heeresgeneral Frank Leidenberger als Chief Strategy Officer hat die BWI einen tiefen Einblick in die Bedürfnisse der Streitkräfte.

Auch Rolle für Firmen

Dem Vernehmen nach sollen für TEN-Teilprojekte auch Forschungsinstitutionen wie Fraunhofer oder die niederländische TNO ihr Wissen einbringen. Ebenso wird auf die Fähigkeiten von Unternehmen gesetzt. So hat auf deutscher Seite das Unternehmen blackned bereits Entwürfe für die Gestaltung eines mobilen Kommunikationsnetzwerks vorgelegt. Blackned soll auch über Software-Kompetenz verfügen. Nicht bei TEN vorgesehen ist dagegen die Vergabe der Steuerung an ein oder mehrere Generalunternehmen, die dann im Auftrag des Bundes die Digitalisierung ganzer Brigaden umsetzen. Die Koordination und Vergabe im Wettbewerb verbleibt beim TEN-Projekt-Team.

Für die Ausstattung des ersten „Force Packages“ im Jahr 2023 muss Kommunikationshardware in Fahrzeuge eingerüstet werden. Dem Vernehmen nach wird für dieses Unterprojekt ein koordinierendes Unternehmen gesucht, das unter anderem für die Musterzulassung zuständig ist. Diese Aufgabe dürfte insbesondere für die beiden deutschen Landsystemhäuser von Interesse sein.  Um die komplexe und teure Musterzulassung in Zukunft zu vereinfachen, sollen nach Vorstellung von TEN die „Footprints“ von IT-Geräten harmonisiert und standardisiert werden, etwa was Maße, Schnittstellen und Antennen betrifft.

Aufgrund des Umfangs von TEN werden nach Einschätzung von Peters in beiden Ländern in Zukunft hunderte von Fachleuten eingebunden. Durch die gemeinsame Beschaffung identischer Systeme dürften sich allerdings gleichzeitig Personaleinsparungen ergeben. Denn jede Position soll nur einmal besetzt werden. So könnte es sein, dass für die Beschaffung bestimmter Funkgeräte für beide Streitkräfte ein deutscher Beamter und für den Softwarekauf für Landmacht und Heer ein niederländischer Offizier zuständig ist. Spannend dürfte es werden, wie dies vor dem Hintergrund umständlicher Beschaffungsprozeduren hierzulande umgesetzt werden kann.

Zeitlich vor und unabhängig von TEN wird Deutschland nach jetziger Planung die Beschaffung des Battle Management Systems für die VJTF 2023 umsetzen. Zwei Anbieter sollen in die Endrunde gekommen sein. Hier bleibt es abzuwarten, ob das unterlegene Unternehmen rechtlich gegen die Entscheidung vorgeht und bis zu welcher Stufe die Eskalation getrieben wird. Denn damit geraten Zeitpläne in Gefahr. Läuft jedoch alles optimal, könnte das gewählte BMS womöglich sogar für TEN verwendet werden. Zunächst aber müssen die deutschen und niederländischen Streitkräfte ihre gemeinsamen Anforderungen definieren und verbindlich festlegen.

lah/5.9.2019