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Neuer Hensoldt-CEO will digitale Entwicklung forcieren

Lars Hoffmann

Wenn Oliver Dörre am 1. April als neuer CEO die volle Verantwortung für die Hensoldt AG übernimmt, findet er ein Unternehmen vor, das ihm sein Vorgänger Thomas Müller in einer ausgezeichneten Ausgangsposition überlässt. So ist der Umsatz 2023 auf 1,847 Milliarden Euro angewachsen – ein Plus von rund 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im abgelaufenen Jahr wurden überdies Neuaufträge in Höhe von etwa 2,01 Milliarden Euro verbucht, was den Auftragsbestand auf 5,53 Milliarden Euro erhöhte, wie aus dem jüngst veröffentlichten Jahresbericht hervorgeht. Auch sonst stimmen die Zahlen und die Positionierung im Markt.

An dieser Entwicklung will Dörre anknüpfen: „Unser Ziel ist, das profitable Wachstum von Hensoldt nachhaltig auszubauen“, sagte der designierte CEO am Montag vor Journalisten in München. Dabei konzentriert sich der Manager, der bis Ende des vergangenen Jahres das Deutschland-Geschäft des französischen Thales-Konzerns geführt hat, auf drei Schwerpunkte. „Wir werden die Operational Excellence im Unternehmen stärken, um unser Auftragsbuch von fast 6 Milliarden Euro in profitablen Umsatz umzuwandeln und zuverlässig zu liefern. Gleichzeitig werden wir unsere internationale Kundenbasis sowie unsere Präsenz ausbauen und die digitale Entwicklung des Unternehmens weiter vorantreiben.“

Dörre plant, innovative Fähigkeiten wie intelligente Sensoren und elektronische Kampfführung zu stärken und in der nächsten Produktgeneration auf Konnektivität, Software- und Datenzentrierung sowie zu Integration Künstlicher Intelligenz (KI) zu fokussieren. Seiner Aussage zufolge geht es im Rahmen der Digitalisierung unter anderem darum, das „Edge-Computing“ in die Produkte zu bringen, um diese leistungsfähiger zu machen. Hier werde man mit der Übernahme der ESG, dessen Closing unmittelbar bevorstehen soll, weitere Kompetenz „an Bord bringen“, sagte der neue CEO.

Die von der Öffentlichkeit unbemerkt vorbereitete Übernahme der ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH, die als Systemintegrator und Service-Dienstleister als eine der Perlen der deutschen Verteidigungsindustrie gilt, dürfte der letzte Coup des scheidenden Hensoldt-CEOs Thomas Müller gewesen sein. Wie er am Montag bei dem Presse-Event ausführte, wird die Hensoldt-Gruppe nach der ESG-Integration auf rund 8.500 Mitarbeiter anwachsen. Bei der Herauslösung aus dem Airbus-Konzern im Jahr 2017 habe der Personalstand noch bei 3.500 Mitarbeitern gelegen.

„Hensoldt hat sich innerhalb weniger Jahre zu einem führenden Lösungsanbieter innovativer Verteidigungs- und Sicherheitselektronik entwickelt“, führte der Manager aus. Gerade in den gegenwärtig unsicheren Zeiten sei das Unternehmen ein zuverlässiger Partner für Bundeswehr, Verbündete und alle unsere Kunden.

Der erfolgreiche Börsengang im Jahr 2020 und der Aufstieg in den MDAX im vergangenen Jahr unterstreichen nach Aussage von Müller die beispiellose Wachstumsgeschichte der Unternehmensgruppe. Er wies darauf hin, dass sich das Unternehmen auch bereits unter dem damaligen Eigner, dem Finanzinvestor KKR, auf die gegenwärtig schwierige sicherheitspolitische Situation vorbereitet und stark investiert habe. „Um unsere Technologien noch schneller dorthin liefern zu können, wo sie dringend benötigt werden, haben wir unsere Produktionskapazitäten innerhalb kürzester Zeit ausgebaut und unsere Produktionsprozesse weiter optimiert“, so Müller. Möglich sei dies dank des unermüdlichen Einsatzes der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Der scheidende CEO zeigte sich zuversichtlich für die Zukunft des Unternehmens. Unter anderem führt er dies auf den Trend zurück, dass der wertmäßige Anteil der Verteidigungselektronik an Waffensystemen schneller wächst als der von Plattformlösungen. Mit der Übergabe der Führung an seinen Nachfolger ist nach Aussage von Müller die Verjüngung des Hensoldt-Vorstandes abgeschlossen, die mit dem Eintritt von Celia Pelaz im Jahr 2021 begonnen habe.

Oliver Dörre blickt mittlerweile auf 14 Jahre Management-Erfahrung in der Industrie zurück. Er startete 1988 seine berufliche Laufbahn als Offizier der Luftwaffe und erlangte in seiner Dienstzeit einen Studienabschluss als Diplom-Informatiker an der Bundeswehruniversität München. Die Zeit als Offizier habe ihn im Führungsverhalten geprägt, sagte er am Montag. Die Qualifikation als Informatiker konnte er nach eigenen Angaben auch bei seiner fünf Jahre umfassenden Tätigkeit im NATO Programming Centre in Belgien anwenden.

Nach dem Austritt aus der Bundeswehr im Jahr 2010 im Rang eines Oberstleutnants i.G., zuletzt eingesetzt als stellvertretender Referatsleiter in der Planungsabteilung des Verteidigungsministeriums, ging er in die Industrie. Zunächst zur Frequentis AG, für die er in Deutschland, Österreich und den USA tätig war und dort verschiedene Führungspositionen innehatte. 2015 wechselte er dann zu Thales Deutschland, wo er über verschiedene Stationen zum Vorsitzenden der Geschäftsführung aufstieg.  

Dörre betonte, dass für Hensoldt die Fähigkeit zur Skalierung der Produktion eine große Bedeutung habe. Die dafür notwendigen Vorarbeiten habe man in den vergangenen Jahren erledigt. Er wies in diesem Zusammenhang auf den Neubau eines neuen Gebäudes am Standort Oberkochen hin. „In den geopolitischen Konflikten unserer Zeit wird es vor allem um Informationsüberlegenheit gehen. Dabei werden innovative Sensorlösungen einen entscheiden Unterschied ausmachen – das sehen wir leider tagtäglich in dem schrecklichen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine“, betonte der neue Hensoldt-CEO.  
Lars Hoffmann

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