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Naht die wirklich allerletzte Deadline?

Das Zeitfenster zur Ausgestaltung eines Kontraktes für die nächste Studienphase des Future Combat Air Systems (FCAS) wird immer kleiner. Sollte bis Monatsende kein ausgehandelter Vertrag der drei Partnernationen dem Bundestag zugeleitet werden, sei bis zur Sommerpause keine Behandlung der entsprechenden 25-Mio-Vorlage möglich, versicherten heute Mitglieder von Haushalts- und Verteidigungsausschuss in Berlin.

Womöglich naht nun also doch die wirklich allerletzte Abgabefrist. Allerdings wurden in den vergangenen Monaten immer wieder solche Deadlines überschritten: Zunächst hieß es, der Februar sei entscheidend, dann war die Rede davon, dass bis Ostern alles unter Dach und Fach sein müsse. Wie knapp die Zeit nun allerdings wird, lässt sich an dem Gerücht ermessen, dass der Haushaltsausschuss eventuell einem nicht vollständig verhandelten Vertrag zustimmen müsse. Dies scheint jedoch ausgeschlossen zu sein.

Presseberichten zufolge haben gestern die Verteidigungsministerinnen Frankreichs und Deutschlands, Florence Parly und Annegret Kramp-Karrenbauer, verkündet,  bis Ende April die Diskussionen über die Entwicklung von FCAS abzuschließen. Airbus und Dassault hatten sich Anfang April auf die Führung und die Arbeitsteilung geeinigt und ihr Angebot den FCAS-Staaten übermittelt, den diese noch prüfen.

Offenbar hat das Verteidigungsministerium die Politiker im Bundestag noch nicht über Details der Einigung zwischen den beiden Flugzeugbauern beim Next Generation Fighter unterrichtet. Airbus hatte in der vergangenen Woche in einem Brief die Abgeordneten über die Kompromisslösung informiert, ohne jedoch in Details zu gehen. Deshalb sprechen Politiker mitunter auch von einer „vermeintlichen“ Einigung. Es sei bemerkenswert, wie viele kurz bevorstehende Einigungen bei FCAS bislang verkündet worden seien, kommentierte heute der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich, die jüngsten Entwicklungen.

Weiter offen sind bei FCAS Fragen der Intellectual Property Rights (IPR) und der Aufteilung der Arbeitspakete beim Triebwerk. Bei letzterem hatten Safran und MTU Aero Engines ein gemeinsames Angebot abgegeben, in das die spanische ITP nicht eingebunden war. Presseberichten zufolge wünschen die Spanier die Führung in Teilbereichen, für die die beiden anderen Industriepartner besser qualifiziert sind. Dies würde gegen das vereinbarte Prinzip des „Best Athlete“ verstoßen.

Nach Einschätzung von SPD-Politiker Hellmich ist die Materialforschung bei der Konstruktion neuer Triebwerke entscheidend, um höhere Leistungen zu erreichen. Von der Technologie seien auch positive Spill-Over-Effekte auf die zivile Luftfahrt zu erwarten. Der SPD-Politiker wünscht sich deshalb einen großen deutschen Anteil an der Entwicklung.

Auch bei den intellektuellen Eigentumsrechten müsse sichergestellt werden, dass die Bundesregierung als ein Geldgeber des Vorhabens Zugriff auf die entwickelten IPR habe und diese nicht im Eigentum der beteiligten Unternehmen verbleiben, fordert Hellmich. Dem Vernehmen nach haben sich Paris und Berlin auf eine gemeinsame Linie bei den IPR geeinigt, die Dassault allerdings nicht akzeptiert. Hier laufen offenbar aktuell Verhandlungen. Vor dem Hintergrund des starken Einflusses der französischen Regierung auf Dassault haben einige deutsche Verteidigungspolitiker allerdings Zweifel an diesem Narrativ.

Nach Meinung des SPD-Verteidigungsexperten Hellmich stellt sich bei FCAS grundsätzlich die Frage, inwieweit die technologischen Interessen der eher mittelständischen deutschen Industrie gewahrt werden. Es gehe unter anderem darum, bestehende Fähigkeiten zu erhalten. Seine Fraktion müsse sich auch noch darüber klarwerden, ob nur ein Kampfflugzeug-Demonstrator entwickelt werden soll. Dies sieht das Angebot von Dassault und Airbus gegenwärtig vor. Nach Einschätzung von Hellmich spricht für einen weiteren Demonstrator, „dass man sich Optionen offenhält“.  Einen eigenen Demonstrator für Deutschland fordert auch der CSU-Verteidigungs- und Haushaltspolitiker Reinhard Brandl.

Hellmich warnt davor, alle europäischen Rüstungsprojekte miteinander zu vermischen. Er sieht zwar langfristig einen Bedarf für den Ersatz des Kampfhubschraubers Tiger. Dem von Airbus gemachten Vorschlag, den Tiger Mark III mit unterschiedlichen Sensor- und Waffenpaketen für Frankreich, Deutschland und Spanien zu bestücken, erteilt er jedoch – nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Kosten –  eine Absage. Dann könne dies auch jedes Land alleine machen, sagt der SPD-Politiker.  Im Augenblick stehe diese Frage für den Bundestag ohnehin nicht auf der Tagesordnung. „Ich sehe nicht, womit man sich befassen könnte.“ Im Mittelpunkt bei der Beschaffung eines Nachfolgemusters stehe überdies die Frage, was die Bundeswehr benötige.

Nach Einschätzung des SPD-Politikers macht das gegenwärtige Tauziehen um einen endverhandelten Vertrag die strukturellen Probleme bei FCAS deutlich. Es fehlt seiner Meinung nach an politischer Begleitung und Führung. Hellmich will nicht ausschließen, dass in dieser Legislaturperiode bei FCAS keine Einigung mehr erzielt wird. Dabei steige in Frankreich aufgrund der innenpolitischen Entwicklung und der Struktur des Flugzeugbestandes der Druck, zu einem Ergebnis zu kommen.

Deutschland hat im vergangenen Jahr beschlossen, neue Eurofighter zu beschaffen und die gesamte Flotte mit modernen AESA-Radaren auszustatten. Und sollte die Milliarden Euro teure FCAS-Studie nicht aus dem Einzelplan 60 bezahlt werden, müssten dafür vermutlich andere Rüstungsprojekte weichen. Das dürfte nicht jeden Verteidigungspolitiker erfreuen.
lah/12/21.4.2021

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