Als Reaktion auf Ausspähversuche russischer Nachrichtendienste mittels Kleinstdrohnen (sUAS) investiert die Bundeswehr weiter in die infanteristische Drohnenabwehrfähigkeit und beschafft dafür zusätzliche SMASH-Feuerleitvisiere des israelischen Herstellers Smartshooter. Bei den SMASH-Feuerleitsystemen handelt es sich um Zielassistenzsysteme zur Detektion und kinetischen Abwehr, die in der Bundeswehr in Kombination mit Sturmgewehren zum Einsatz kommen sollen. Die deutschen Streitkräfte haben bereits im Mai 2023 eine nicht näher bekannte Zahl von SMASH X4 als „Zielassistenzsystemen zur Detektion und kinetischen Abwehr von Class 1 UAS“ für das G27P beschafft.
Wie aus einer heutigen Veröffentlichung des Bundeswehr-Beschaffungsamtes BAAINBw auf der europäischen Online-Vergabeplattform TED hervorgeht, wurde mit der IEA MIL-OPTICS GmbH (IEA) jüngst ein Rahmenvertrag über die Lieferung von bis zu 500 weiteren Feuerleitvisieren vom Typ SMASH X4 im Zeitraum 2024 bis 2027 geschlossen. IEA ist ein in Baden-Württemberg ansässiger Spezialist für Nachtsichttechnik und Sonderausrüstung für polizeiliche und militärische Spezialkräfte, seit Ende 2022 ist das Unternehmen zudem für den Deutschlandvertrieb von Smartshooter-Produkten zuständig.
Dem BAAINBw zufolge, sind 220 der 500 SMASH-Systeme fest beauftragt. „Der Festbeauftragungsanteil ergibt sich mit 70 Systemen aus der SiE VJTF 000013 H06 [A.d.R. – SiE steht für Sofortinitiative Einsatz] und mit 150 Systemen aus dem Erlass der Task-Force-Drohne (TFD) vom 03.04.2024“, heißt es in der BAAINBw Mitteilung. „Die Erhöhung der potentiell abrufbaren Höchstmenge ergibt sich aus dem Umstand, dass eine Bedrohung bzw. Aufklärung durch small Unmanned Aerial Systems (sUAS) innerhalb der BRD zunimmt. RUS Nachrichtendienste (ND) sollen auch technische Mittel, inkl. sUAS, gezielt in DEU einsetzen. Danach ist ein erhöhter Bedarf an den o.g. SMASH Zielassistenzsystemen zu erwarten. Die abrufbare Höchstmenge beläuft sich auf insgesamt 500 SMASH Zielassistenzsysteme SmartShooter X4“, heißt es in der BAAINBw-Mitteilung weiter.
Interessant ist in diesem Zusammenhang der explizite Bezug der Beschaffungsentscheidung auf drohnengestützte Ausspähversuche russischer Nachrichtendienste. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Systeme auch zum Schutz von Bundeswehr-Einrichtungen in Deutschland zum Einsatz kommen könnten.
SMASH X4
Smash kombiniert elektrooptische Hardware mit eingebetteter Bilderkennungssoftware und einem ballistischen Rechner. Im Gegensatz zu einem herkömmlichen Visier, das dem Soldaten einen Haltepunkt anzeigt, nach dem er seine Waffe ausrichten kann, ermöglicht das SMASH-Visier dem Soldaten, sein Ziel zu verfolgen, es anzuvisieren und genau in der Sekunde zu feuern, die einen Treffer garantiert. Das Feuerleitvisier berücksichtigt dafür eine Reihe von Faktoren: von der Bewegungsrichtung und dem Bewegungstempo des Ziels bis hin zur Ballistik der Waffe, auf der es montiert ist.
Ist ein Ziel einmal erkannt und festgelegt, errechnet der Algorithmus eine Schusslösung. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Bewegung von Ziel und Schützen berechnet das System kontinuierlich den für einen Treffer erforderlichen Haltepunkt. Dieser dynamische Haltepunkt wird kontinuierlich in dem Okular angezeigt und bietet dem Schützen so eine deutlich höhere Trefferwahrscheinlichkeit für jeden Schuss. Der Schütze betätigt den Abzug, das System erlaubt eine Schussauslösung nur dann, wenn der Schütze den Zielpunkt der Waffe über den errechneten Haltepunkt eines vorher markierten Ziels führt. Der Schuss bricht dann automatisch. Sollte der Schütze die Waffe auf konventionelle Weise (manuell) abfeuern wollen, kann er den SMASH-Sperrmechanismus mittels eines Tastendrucks aus- und wieder einschalten.
Das SMASH X4 wurde nach Angaben von Smartshooter entwickelt, um die Identifizierungsreichweite sowie die Kampfentfernung von SMASH signifikant zu erhöhen. Die Kamera des Systems nutz die optische 4-fache Vergrößerung und erhöht so die Reichweite für das Image Processing (Tracking, Locking). So können Bodenziele, beweglich und stationär, bis mindestens 600 Meter und Kleinstdrohnen bis 250 Meter bekämpft werden. Für uneingeschränkte Nachtkampffähigkeit können Vorsatzgeräte genutzt werden. Da es sich um ein digitales Zielfernrohr handelt, kann das Gerät laut Hersteller im Battle Management Systeme (BMS) integriert werden. Hier können Informationen augmentiert oder im Uplink bereitgestellt werden. Smash kann zum Beispiel bei einem Feuerkampf Zieldaten – Richtungswinkel, Entfernung oder Foto – automatisch generieren und dem BMS zur Verfügung stellen. Mit dem X4 sind die Zieldaten laut Hersteller noch präziser und können dann besser genutzt werden.
Das X4 wird sowohl mit als auch ohne Laser-Entfernungsmesser (Laser Range Finder; LRF) angeboten. Mit LRF beträgt die Größe 206 x 102 x 83 Millimeter und das Gewicht 1.250 Gramm. Ohne LRF ist das System 130 Gramm leichter. Die Stromversorgung erfolgt durch einen wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Akku. Dieser ist ausreichend für 72 Stunden Betrieb oder bis zu 3.600 Smash-unterstützte Schüsse bzw. Messungen. Der LRF hat eine Reichweite von bis zu 1.000 Metern.
Waldemar Geiger