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Erhöhung der Einsatzbereitschaft – Bundeswehr plant offenbar die Etablierung einer Umlaufreserve

Waldemar Geiger

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Im Rahmen der Erhöhung ihrer Einsatzbereitschaft denken die deutschen Streitkräfte offenbar darüber nach, zukünftig neben der Vollausstattung auch eine sogenannte Umlaufreserve als bedarfsbestimmende Kenngröße bei der Ermittlung des Materialbedarfs zu implementieren.

Konkret sollen die Planungen bereits weit fortgeschritten sein und die Umlaufreserve soll eine Höhe von 40 Prozent aufweisen, wie hartpunkt aus mehreren gut unterrichteten Kreisen erfahren hat. Die Umlaufreserve soll unter anderem dazu dienen, schadhaftes sowie in der Modernisierung bzw. Instandsetzung gebundenes Material zu ersetzen und so einen dauerhaften Ausbildungs-, Übungs- und Einsatzbetrieb der Truppe sicherzustellen. Unklar ist derzeit noch, ob es sich um eine generelle Materialreserve handelt, oder ob dies nur für bestimmte Waffensysteme gilt.

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Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) wollte dies auf Nachfrage jedoch nicht bestätigen. „Das BMVg arbeitet mit Hochdruck an Möglichkeiten, die Einsatzfähigkeit und materielle Einsatzbereitschaft der Streitkräfte weiter zu erhöhen“, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums gegenüber hartpunkt. Fragen zur Einsatzbereitschaft der Streitkräfte würden aus Gründen der militärischen Sicherheit grundsätzlich nicht beantwortet.

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Die Einführung einer Umlaufreserve, insbesondere bei Großgerät, wird in Fachkreisen innerhalb und außerhalb der Streitkräfte seit geraumer Zeit gefordert. Aufgrund fehlender Haushaltsmittel, die oftmals nicht einmal zur Erreichung der Vollausstattung ausreichten, wurde sie jedoch nie realisiert. Mit dem wachsenden politischen Willen, eine tatsächliche Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu erreichen, und der jüngst erfolgten Grundgesetzänderung, die eine Ausklammerung der Verteidigungsausgaben oberhalb von 1,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus der Schuldenbremse ermöglicht, sind nun auch die rechtlichen Bestimmungen geschaffen, um die Bundeswehr mit ausreichend Haushaltsmitteln auszustatten.

Die Umlaufreserve

Die Idee einer Umlaufreserve ist nicht neu, wird aber zunehmend wichtiger, wie der Blick in die Ukraine zeigt. So machte erst vor wenigen Wochen ein internes Protokoll eines Bundeswehrangehörigen Schlagzeilen, das die Untauglichkeit deutschen Wehrmaterials belegen sollte. Grundlage für das Protokoll war ein Anfang des Jahres an der Unteroffizierschule des Heeres gehaltener Vortrag des stellvertretenden Militärattachés in der Ukraine. Kernaussage des medial zum großen Teil verzerrt dargestellten Vortrages war die Aussage, dass deutsche Wehrtechnik den Erfahrungen der Ukraine zufolge grundsätzlich sehr leistungsfähig ist, aber aufgrund der hohen Komplexität unter den in der Ukraine vorhandenen – oder eher nicht vorhandenen – Strukturen nicht dauerhaft im Einsatz gehalten werden kann.

Auch diese Erkenntnis ist nicht neu. Fachkreisen zufolge gehen die Nutzungsverantwortlichen im Bundeswehrbeschaffungsamt bereits im Friedensbetrieb davon aus, dass erforderliche Instandsetzungsmaßnahmen sowie geplante Modernisierungsvorhaben die Materialverfügbarkeit in der Truppe um rund 30 Prozent absenken. Am Beispiel eines Panzer- oder Panzergrenadierbataillons dargestellt, bedeutet dies, dass dieses selbst bei Vollausstattung im Falle einer Alarmierung nur mit zwei von drei Kampfkompanien einsatzfähig wäre. Die restlichen Systeme wären aufgrund von geplanten und ungeplante Instandsetzungsmaßnahmen sowie Abstellungen nicht verfügbar.

Selbst wenn die Bundeswehr in Zukunft die Einsatzfähigkeit von Material pragmatischer definieren sollte und nicht jeder kaputte Blinker zur Stilllegung eines Fahrzeuges führen würde, ist die Annahme realistisch, dass eine Vollausstattung nur auf dem Papier gegeben ist. Die aufgrund von höherer Belastung im Einsatz sowie durch Feindkontakt entstehenden Ausfälle sind da noch nicht berücksichtigt.

Diese Umstände berücksichtigend, wäre es daher für die Erhöhung der Einsatzbereitschaft – im Sinne der durch den Verteidigungsminister geforderten Kriegstüchtigkeit – essentiell, diese ersichtliche Materiallücke mittels einer Umlaufreserve zu füllen. So kann die Truppe bereits im Friedensbetrieb verlässlich üben, ohne dass Ausbildung und Übung aufgrund von fehlendem Material abgesagt werden müssen.

Auch im Falle eines scharfen Einsatzes wäre eine Umlaufreserve eine wichtige Stütze für die Schlagkraft und Abschreckungsfähigkeit der Bundeswehr. Denn wenn die deutsche Wehrtechnik in der Ukraine eins gezeigt hat, dann ist es der Schutz, die der Besatzung bietet. Auch wenn der ein oder andere Kampf- oder Schützenpanzer durch russische Angriffe zerstört werden konnte, blieben die Besatzungen in vielen Fällen verschont. Eine verfügbare Materialreserve würde in solchen Fällen den schnellen Materialersatz ermöglichen, so dass kampferfahrene Besatzungen unmittelbar wieder am Gefecht teilnehmen können. Ohne Materialreserve müsste gewartet werden, bis das beschädigte Gerät wieder repariert oder nachbeschafft wurde – was oftmals Monate oder Jahre dauern könnte.

Waldemar Geiger