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Entscheidung für P-3C-Ersatz steht unmittelbar bevor

Seit das Verteidigungsministerium im Juni die Modernisierung des Seefernaufklärers P-3C Orion abgebrochen hat, wird eine kurzfristige Ersatzlösung für das für die U-Boot-Jagd konzipierte Flugzeug gesucht. Denn bis zum Abheben des deutsch-französischen Maritime Air Warfare Systems (MAWS) im Jahr 2032 will das Ministerium eine Fähigkeitslücke vermeiden. Das geht aus den Antworten der Bundesregierung auf Kleine Anfragen der Bundestagsfraktionen von FDP und AfD hervor.

„Es ist beabsichtigt, eine Entscheidung über eine Ersatzbeschaffung bis zum Ende des dritten Quartals 2020 zu treffen. Präferenzen gibt es nicht“,  schreibt die Bundesregierung an die FDP. Da morgen das vierte Jahresquartal beginnt, müsste somit eine Entscheidung über einen Ersatz der Orion unmittelbar bevorstehen. Ab 2025 erwartet das BMVg mit der Außerdienststellung der P-3C eine Fähigkeitslücke, die vermieden werden soll.

Als Überbrückungs-Kandidaten kommen den Angaben zufolge die Systeme P-8A  Poseidon,  RAS  72  und  C-295  MPA  in Frage. Diese  würden  im  Rahmen  einer  Wirtschaftlichkeitsuntersuchung  betrachtet. In der Antwort auf Fragen der AfD wird allerdings zusätzlich  die Leonardo ATR 72 aufgeführt.

Das Anforderungsprofil für die neuen Flugzeuge orientiere sich dabei im Grundsatz an der Forderungslage für die P-3C Orion, heißt es im Schreiben der Regierung. Wichtige Kriterien seien neben den Kosten unter anderem Reichweite, Flugdauer, das erforderliche Geschwindigkeitsprofil sowie Bewaffnung. Beobachter wundern sich, dass die P-8A in der Liste mit den anderen Maschinen auftaucht. Denn die Maschine ist auf Operationen in großen Höhen ausgelegt, während die Deutsche Marine traditionell eher nahe der Wasseroberfläche fliegt. Dies ist unter anderem erforderlich, um von U-Booten ausgehende magnetische Anomalien zu detektieren. Entsprechend sind die bisherigen deutschen Seefernaufklärer auch mit entsprechender Technik ausgestattet

Wie es weiter heißt,  muss das System laut BMVg uneingeschränkt am allgemeinen Luftverkehr und zu jeder Zeit unter zivilen Instrumentenflugbedingungen am zivilen und militärischen Flugbetrieb weltweit teilnehmen können, Karteninformationen verarbeiten sowie über geeignete Einsatzunterstützungsanlagen verfügen. Damit dürften Lösungen auf Basis von Drohnen ausgeschlossen sein. Weitere wichtige Spezifikationen beziehen sich laut Ministerium auf operative Funktionalitäten sowie die Betreibbarkeit im Gesamtsystem der Bundeswehr unter Nutzung der Infrastruktur des Stützpunktes in Nordholz.

Kawasaki ausgeschlossen

Ausgeschlossen wurden eine  nationale  Entwicklungslösung sowie die  japanischen Kawasaki P-1. Die Option Kawasaki P-1 berge aufgrund der bislang fehlenden Zusammenarbeitsbeziehungen mit Japan erhebliche zeitliche und rechtliche Risiken, heißt es zur Begründung des Ausschlusses.  Insidern zufolge steht die Unterzeichnung eines Sicherheitsabkommens zwischen Japan und Deutschland weiter aus.

Zur Finanzierung werden keine Angaben gemacht. „Der Finanzbedarf kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht beziffert werden, da eine konkrete Auswahlentscheidung noch nicht erfolgt ist“, heißt es lediglich. Im kürzlich veröffentlichten Haushaltsplan für 2021 steht bereits, dass die U-Boot-Bekämpfung aus der Luft abgebildet werden soll.

„Die  Bundesregierung  prüft  aktuell  auch,  inwiefern  die  Fähigkeitsbeiträge  der P-3C Orion interimsweise bis zur Realisierung des MAWS durch eine internationale Kooperation geleistet werden können“, schreibt das BMVg weiter.  Gut informierten Kreisen zufolge kommt hier insbesondere Norwegen als Partner infrage. Sowohl Norwegen als auch Großbritannien nutzen in Europa die von Boeing entwickelte P-8.

Nach Angaben des Herstellers Boeing  hat die US Navy dem Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw bereits in der Vergangenheit Informationen zur P-8 zur Verfügung gestellt. „Und wir werden auch weiterhin mit der US Navy und der deutschen Regierung zusammenarbeiten, sollten weitere Informationen zur P-8 benötigt werden“, teilte ein Unternehmenssprecher mit.

Bereits heute verfügt die P-8 nach Einschätzung von Boeing über eine bestehende Infrastruktur in Deutschland, die zur Unterstützung von P-8-Operationen der US Navy, der Royal Air Force und der Norwegian Royal Air Force geschaffen worden sei. „Auch in Deutschland arbeiten wir bereits mit lokalen Zulieferunternehmen zusammen, die Teil unserer globalen P-8 Lieferkette sind, unter anderem produziert Aljo so genannte Ventral Fins für die P-8“, so der Sprecher weiter.

Weiter Öffnung für MAWS vorgesehen

Im deutsch-französischen Vorhaben MAWS soll zunächst die Machbarkeit einer gemeinsamen  Realisierung  untersucht  werden.  Mit  Eintritt  in  die  Beschaffungsphase ist eine Öffnung des Projekts für weitere Partner beabsichtigt, wie aus dem Regierungspapier hervorgeht.

MAWS  soll laut Planungen die  weiträumige   U-Boot-Jagd  mit  hoher  Gebietsabdeckung und schneller Schwerpunktverlagerung ermöglichen. Darüber hinaus soll es  gegen Überwasserseeziele und zur Seefernaufklärung eingesetzt werden können und Beiträge  zur  Unterstützung  von  maritimen  Einsatzverbänden  und  streitkräftegemeinsamen Operationen sowie Beiträge für Spezialkräfte leisten.

„Deutschland und Frankreich haben die Absicht erklärt, für das Maritime Airborne Warfare System (MAWS) gemeinsam eine Studienphase durchzuführen. Hierzu soll zunächst gemeinsam eine zweiteilige Machbarkeitsstudie beauftragt werden, in dem die systemischen Zusammenhänge beschrieben und daraus in einem  ersten  Schritt  eine  Plattformentscheidung  abgeleitet  werden  soll“, heißt es in der Antwort an die AfD.  Die diesbezügliche Rüstungsabsprache zwischen beiden Nationen solle noch 2020 unterzeichnet werden.

Der erste Teil der Studienphase –  die Erarbeitung der Anforderungen an das System –  sei noch für das Jahr 2020 vorgesehen. Der zweite Teil der Studienphase – die Untersuchung der dafür infrage kommenden verfügbaren Plattformen –  werde frühestens Anfang des Jahres 2021 starten. „Die Studienphase endet insgesamt etwa Mitte des Jahres 2022. Ab dem Jahr 2023 ist nach entsprechender parlamentarischer Behandlung in beiden Parlamenten der Beginn der Realisierungsphase beabsichtigt“, heißt es weiter. Mit der Indienststellung eines aus dieser Kooperation entstehenden MAWS werde zurzeit für Deutschland ab dem Jahr 2032 gerechnet.

lah/30.9.2020

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