Das Kommando Spezialkräfte (KSK) soll mit der Fahrzeugfamilie der leichten, luftlandefähigen Einsatz-/Gefechtsfahrzeuge eine neue Fahrzeugkategorie der 3,2-Tonnen-Klasse erhalten. Mit diesen Fahrzeugen soll die Lücke zwischen dem eingeführten, deutlich leichteren „Taktischen Luftlandefähigen Utility Terrain Vehicle“ (LL-UTV) auf Basis des Polaris MRZR und der rund 10-Tonnen-Fahrzeugfamilie des Aufklärungs- und Gefechtsfahrzeugs 2 (AGF 2) bzw. des Unterstützungsfahrzeugs Kommando (UFK) auf Basis des Defenture Mammoth geschlossen werden.
Bei den leichten Luftlandefähigen Einsatz-/Gefechtsfahrzeugen (LL EGF) und den leichten Luftlandefähigen Unterstützungsfahrzeugen (LL UstgFzg) handelt es sich dem Bundeswehr-Beschaffungsamt-BAAINBw zufolge „um hochmobile, geländegängige, ungeschützte zweiachsige Fahrzeuge mit offenem Aufbau (Überrollschutzkäfig)“. Ein entsprechender Teilnahmewettbewerb für die Beschaffung von bis zu 150 dieser Fahrzeuge sowie 50 leichten Luftlandefähigen Unterstützungsfahrzeugen für das Kommando Spezialkräfte wurde Anfang September 2024 gestartet, hartpunkt berichtete.
Absicht der Bundeswehr ist es demnach, nach Vertragsschluss mit dem Lieferanten in einem ersten Schritt 40 Einsatz-/Gefechtsfahrzeuge sowie 14 Unterstützungsfahrzeuge fest zu beauftragen und die restlichen Fahrzeuge zu einem späteren Zeitpunkt optional abzurufen. Dem BAAINBw zufolge ist der Vertragsschluss der über eine Laufzeit von sieben Jahren gehenden Rahmenvereinbarung für Mitte 2025 geplant. Bereits 2026 sollen zudem die Nachweismuster und 2027 die ersten 51 Serienfahrzeuge geliefert werden. „Eine zeitintensive Entwicklung ist daher nicht vorgesehen und es sollte eine marktverfügbare Lösung angeboten werden“, so das BAAINBw.
Forderungslage
An die zukünftigen Spezialkräftefahrzeuge werden folgende Forderungen gestellt:
Beide Fahrzeugvarianten sollen das gleiche Bedienkonzept aufweisen sowie über eine Zulassungsfähigkeit nach der deutschen Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung verfügen. Das Leergewicht, inklusive Kraftfahrer soll unterhalb von 1,7 Tonnen liegen. Zudem wird eine Nutzlast von 1,5 Tonnen gefordert, diese umfasst Besatzung außer Fahrer, Ausrüstung, Bewaffnung, Munition sowie freie Zuladung.
Als Zusatzausrüstung wird eine integrierte Sekundärlafette am Beifahrerplatz für ein MG3/MG5, eine Nebelmittelwurfanlage, ein Navigationsgerät, Bordverständigungsanlage, Halterungen und Ladungssicherungsmittel für Ausrüstung und Munition vorgesehen.
Die Fahrzeuge sollen mit einer Tankfüllung über eine Reichweite von mindestens 300 km bei maximaler Nutzlast sowie eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von mindestens 130 km/h verfügen. Der nach dem „Single Fuel Concept“ betriebene Motor des Fahrzeuges soll zudem auch mit Kraftstoff minderer Qualität betrieben werden können. Gefordert wird zudem ein Allradantrieb mit Differentialsperren für beide Antriebsachsen und eine Einzelbereifung mit Notlaufeigenschaften.
Weitere Forderungen betreffen die „Straßen-, Bahn- und Seetransportfähigkeit ohne aufwendige Vorbereitungsmaßnahmen, nachgewiesene Eignung zum taktischen Lufttransport mit Transporthubschrauber CH-53 und CH-47 als Innenlast und Außenlast, nachgewiesene Eignung zum Lufttransport als Innenlast mit C-130, A-400M sowie eine ausführliche Bedienungs-, Wartungs- und Instandsetzungsdokumentation“.
Zusatzforderungen leichtes Luftlandefähiges Einsatz-/Gefechtsfahrzeug
Das leichte Luftlandefähige Einsatz-/Gefechtsfahrzeug soll drei Sitze aufweisen und über eine Hauptlafette (horizontales Richten elektrisch unterstützt) zur Einrüstung eines schweren 12,7mm-Maschinenegewehrs, eines MG6 oder einer Granatmaschinenwaffe verfügen.
Zusatzforderungen leichtes Luftlandefähiges Unterstützungsfahrzeug
Das für den Materialtransport vorgesehene leichte Luftlandefähige Unterstützungsfahrzeug soll hingegen über keine Hauptlafette und nur zwei Sitze verfügen.
Der Wettbewerb
Wie es aus gut unterrichteten Kreisen heißt, haben bedingt durch die vergleichsweise hohen technischen Anforderungen an die Fahrzeuge in Kombination mit den Forderungen an die Unternehmen (wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit sowie technische und berufliche Leistungsfähigkeit) schlussendlich nur drei Hersteller Angebote für die Lieferung der LL EGF bzw. LL UstgFzg abgeben können. Bei den drei Anbietern handelt es sich Insidern zufolge um die ACS Armoured Car Systems GmbH (ACS), den niederländischen Spezialisten für Spezialkräftefahrzeuge Defenture und der FTS Flensburg Technology Systems GmbH (FTS) – einem Joint Venture zwischen der FFG Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft mbH und der staatlichen IAI Israel Aerospace Industries/ELTA.
FOX
Wie es heißt, ist ACS mit dem FOX, einem Spezialkräftefahrzeug des lettischen Unternehmens VR Cars ins Rennen gegangen. Bei VR Cars, früher bekannt als Vagi Racing, handelt es sich um einen Spezialisten für Fahrwerke und Hersteller für unterschiedliche Rennwagen. Der FOX wurde dem Vernehmen nach gemäß den Anforderungen der lettischen Spezialkräfte entwickelt, welche Ende 2024 die Beschaffung von 30 dieser Fahrzeuge angekündigt haben.
Auf der Webseite von VR Cars ist zu lesen, dass das Fahrzeug mit einem 2-Liter-Diesel oder einem 2,3-Liter-Benziner ausgestattet werden kann sowie wahlweise über ein manuelles oder automatisches Getriebe verfügt. Die Spitzengeschwindigkeit des FOX wird mit 160 km/h angegeben, die Reichweite mit bis zu 900 km.
Der Innenraum des Fahrzeugs wurde Herstellerangaben zufolge speziell für Soldaten konzipiert, wobei der Schwerpunkt auf einfachem Ein- und Aussteigen, Sicherheit und Fahrkomfort liegt. Der FOX ist mit verschiedenen Assistenzsystemen ausgestattet, die die Fahrzeugführung in schwierigem Gelände erleichtern, beispielsweise in engen Waldgebieten, Sümpfen und in bis zu 1 m tiefem Wasser. Das Fahrzeug soll optional mit einem Hinterradlenksystem und einem zentralen Reifendruckkontrollsystem (CTIS) ausgestattet werden können. Die Bodenfreiheit des rund 1,7 t „schweren“ Fahrzeuges (Leergewicht) beträgt 40 cm.
Namenloses Fahrzeug von Defenture
Über das Fahrzeug mit dem Defenture ins Rennen gegangen ist, ist wenig bis nichts öffentlich bekannt. Es kursiert jedoch ein Bild einer Defenture-Grafik im Netz, die durch den dänischen Defenture-Partner „Military Equipment Denmark“ veröffentlich wurde, die das unbekannte Fahrzeug zeigen soll.
Erkennbar auf der Grafik ist ein im Vergleich zur GRF-Plattform (5-Tonnen-Klasse) deutlich kleineres Fahrzeug mit offenem Aufbau und Überrollschutzkäfig, das wohl Platz für bis zu vier Soldaten bietet. Abgebildet ist zudem eine Nebelmittelwurfanlage, ein am Dach lafettiertes MG6 sowie jeweils eine Kommandanten- und Hecklafette.
ZD
FTS soll gut informierten Kreisen zufolge mit einem Fahrzeug auf Basis der Z-Familie von All-Terrain-Fahrzeugen von IAI Israel Aerospace Industries/ELTA (IAI) ins Rennen gegangen sein. Die Grundplattform der Z-Familie wurde ursprünglich von Zibar aus Israel entworfen, im Anschluss dann aber durch IAI erworben und laut Herstellerangaben speziell an die Bedürfnisse von Spezialkräften der israelischen Streitkräfte angepasst. Einer aus dem Jahr 2021 stammenden Pressemitteilung von IAI zufolge hat das israelische Verteidigungsministerium Anfang des Jahrzehnts 9 Fahrzeuge in der Variante ZMAG beschafft, mit der Option auf weitere 21 Fahrzeuge. Eine Ankündigung des israelischen Verteidigungsministeriums aus dem Folgejahr gibt die Beschaffung von „hunderten” weiterer Z-Fahrzeuge für die Spezialkräfte der israelischen Streitkräfte mit einem Gesamtwert von rund 25 Millionen US-Dollar bekannt.
Die Z-Familie besteht aus den Varianten Zibar, ZMAG und ZD. Die Plattform-Familie kombiniert nach Angaben des Herstellers ein leichtes, aber robustes Chassis mit einem leistungsstarken Antriebsstrang und speziell abgestimmten Fahrwerkskomponenten. Dadurch werden hohe Nutzlastfähigkeiten bei gleichzeitig hoher Geländegängigkeit erreicht.
Die Variante ZD dürfte am ehesten den Forderungen an das LL EGF bzw. LL UstgFhzg passen. IAI bewirbt den ZD als ultraleichtes Kommandofahrzeug, welches sich im militärischen Einsatz bewährt haben soll. Es verfügt über eine durch die Besatzung abnehmbare Winde mit Befestigungspunkten an der Fahrzeugfront, am Fahrzeugheck und in der Fahrzeugmitte, einen einklappbaren Überrollbügel und ein einfaches Wartungs- bzw- Reparaturkonzept, welches sich auf „weit verbreitete“ COTS-Ersatzteile abstützt.
Das zulässige Gesamtgewicht des mit einem 2,4-Liter-Ecotecmotor oder 2,8-Liter-Dieselmotor ausgestatteten ZD wird mit 3,1 Tonnen angegeben, wobei das Leergewicht mit 1,6 Tonnen angegeben wird.
Auswahlentscheidung
Wie gut unterrichte Kreise gegenüber hartpunkt bestätigt haben, soll sich das FTS-Angebot auf Basis des ZD im Dreikampf gegen die zwei anderen Fahrzeugplattformen durchgesetzt haben, so dass dem Vernehmen nach eine offizielle Beauftragung nach Billigung der entsprechenden 25-Mio-Vorlage im Herbst dieses Jahres erwartet wird.
Waldemar Geiger