Die Bundeswehr plant, in den nächsten Jahren die zwar neue, technologisch jedoch aus dem letzten Jahrzehnt stammende Kampfbekleidung in unterschiedlichen Projekten zu modernisieren. Um die potenziellen Hersteller auf die Modernisierungsbestrebungen, inklusive der beabsichtigen Teilnahmewettbewerbe, vorzubereiten, hat die für die Beschaffung von Bundeswehrbekleidung zuständige Bw Bekleidungsmanagement GmbH (BwBM) heute auf der europäischen Online-Vergabeplattform TED eine sogenannte Vorinformation veröffentlicht.
Die Bundeswehr hat kurze Zeit nach der russischen Invasion in die Ukraine das Tempo der Modernisierung der Kampfbekleidung und persönlicher Ausrüstung erhöht und geht davon aus, noch in diesem Jahr die komplette aktive Truppe sowie Teile der Reserve mit moderner Kampfbekleidung und persönlicher Ausrüstung ausstatten zu können. Ein wichtiger Schritt, wenn man bedenkt, dass das, was die Soldatin und Soldat am Leib trägt, ein wichtiger Attraktivitätsfaktor des Soldatenberufs ist und lange Zeit ein wesentlicher Kritikfaktor war.
Die Ausstattung der Truppe mit Kampfbekleidung war noch nie besser, könnte man den aktuellen Zustand richtigerweise beschreiben. Gleichwohl schreitet auch im Bereich der militärischen Bekleidung die technische Entwicklung stetig voran, so dass das Attribut „modern“ nur für eine gewisse Zeit erkauft ist. So begann die Entwicklung des aktuell im Zulauf befindlichen Kampfbekleidungssatzes Streitkräfte (KBS-SK) bereits 2006, dementsprechend ist auch der technologische Stand einzelner Bekleidungselemente. Seitdem hat sich sowohl technologisch, aber auch regulatorisch – einige Chemikalien sind nicht mehr oder bald nicht mehr verfügbar, so dass Anpassungen an den Materialien vorgenommen werden müssen – einiges getan. Zudem haben sich auch die Bedürfnisse der Truppe weiterentwickelt. Da die KBS-SK-Rahmenverträge auslaufen, wurden 2024 neue Rahmenverträge ausgeschrieben die in Kürze bezugschlagt werden sollen. In die Weiterentwicklung der neuen KBS-SK-Uniformen sollen einige Erkenntnisse aus der Truppe hineingeflossen sein und einige Verbesserungen umgesetzt worden. Dazu sollen spezielle Damenschnitte, bisher haben Soldatinnen und Soldaten die gleichen Kampfbekleidungssätze erhalten, entwickelt worden sein, die die Besonderheiten der weiblichen Physionomie besser berücksichtigen sollen.
Wie die BwBM heute schreibt, will man mehrere Rahmenvereinbarungen für die Lieferung diverser modernisierter Artikel der Einsatzkampfbekleidung voraussichtlich im Zeitraum 2027 bis 2033 schließen. Dazu ist die Durchführung von vorrausichtlich mehreren europaweiten Verfahren zur Vergabe der modernisierten Einsatzkampfbekleidungs-Artikel mit Anforderungen bezüglich Tarndruck, Vektorenschutz und antistatischen Materialeigenschaften beabsichtigt. Zudem wird darauf hingewiesen, dass im Rahmen des europaweiten Vergabeverfahrens auch Trageversuche vorgesehen sind, die voraussichtlich in 2026 und 2027 stattfinden sollen.
Die Bezeichnung „Einsatzkampfbekleidung“ in Kombination mit der Tatsache, dass die KBS-SK-Folgerahmenverträge bereits 2024 ausgeschrieben wurden, deutet darauf hin, dass es sich bei der in der Vorinformation angesprochenen Einsatzkampfbekleidung um ein neues Kampfbekleidungssystem für die Spezialkräfte der Bundeswehr handelt. Wie hartpunkt bereits zu Jahresanfang berichtete, sollen Spezialkräfte der Bundeswehr im Rahmen des Beschaffungsvorhabens „Einsatzkampfbekleidung Spezialkräfte 2.0“ ein neues Kampfbekleidungssystem erhalten, welches, wie es aus gut unterrichteten Kreisen heißt, die funktionalen Defizite des aktuell in Nutzung befindlichen Kampfbekleidungssystems – wie beispielsweise die Kompatibilität der einzelnen Bekleidungsartikel untereinander – beheben soll. Die für das Beschaffungsvorhaben notwendigen Haushaltsmittel in Höhe von rund 130 Millionen Euro hat der Haushaltsausschuss des Bundestages in seiner letzten Sitzung des Jahres am 18. Dezember 2024 freigegeben, wie hartpunkt damals mit Verweis auf Insiderkreise berichtete.
Weiterhin soll mit der Einsatzkampfbekleidung Spezialkräfte 2.0 auch die Kompatibilität mit der restlichen Ausrüstung der Spezialkräfte – wie die ballistische Schutzausrüstung und Tragesysteme – verbessert werden. Es ist zudem anzunehmen, dass mit dem neuen Bekleidungssystem auch neue Bekleidungstechnologien in die Spinde der Spezialkräfte Einzug halten werden, die die Leistungsfähigkeit der Kampfbekleidung in den Punkten Tragekomfort, Funktionalität sowie Schutz vor Hitze und Flammen, Vektoren (Insekten und Kriechtiere) bzw. Witterungseinflüssen wie Kälte und Nässe verbessern werden.
Die Vorinformation der BwBM gibt nun einen deutlich tieferen Einblick in den Umfang der zukünftigen Spezialkräftebekleidung. In der Vorinformation sind insgesamt neun Modernisierungsprojekte aufgeführt:
- Projekt 1: Sockensysteme in verschiedenen Ausführungen.
- Projekt 2: Unterwäschesysteme in verschiedenen Ausführungen.
- Projekt 3: Einsatzkampfbekleidung, bestehend aus Combat-Shirt, Bluse und Hose für den Bereich Hochgebirge in diversen deutschen Tarndruck-Ausführungen und mit antistatischen Materialeigenschaften. Einsatzkampfbekleidung, bestehend aus Combat-Shirt, Bluse und Hose für tropische Gebiete in diversen deutschen Tarndruck-Ausführungen, mit Vektorenschutz und antistatischen Materialeigenschaften. Kälteschutzbekleidung in diversen deutschen Tarndruck-Ausführungen. Nässeschutzbekleidung in diversen deutschen Tarndruck-Ausführungen.
- Projekt 4: Untergezogener Kälteschutz bestehend aus Jacke und Hose. Übergezogener Kälteschutz bestehend aus Jacke und Hose in diversen deutschen Tarndruck-Ausführungen mit antistatischen Materialeigenschaften. Nässeschutz Hochgebirge bestehend aus Jacke und Hose in diversen deutschen Tarndruck-Ausführungen. Windabweisende Bekleidung in diversen deutschen Tarndruck-Ausführungen mit antistatischen Materialeigenschaften. Schwere Kälteschutzbekleidung bestehend aus Jacke und Hose in deutscher Tarndruck-Ausführung mit antistatischen Materialeigenschaften.
- Projekt 5: Einsatzkampfbekleidung, bestehend aus Combat-Shirt, Bluse und Hose für tropische Gebiete in diversen deutschen Tarndruck-Ausführungen, mit Vektorenschutz und antistatischen Materialeigenschaften.
- Projekt 6: Bekleidung bestehend aus voraussichtlich Overall, Unterwäsche und Zubehör zum Teil in diversen deutschen Tarndruck-Ausführungen und ggf. antistatischen Materialeigenschaften.
- Projekt 7: Einsatzkampfbekleidung bestehend aus Jacke und Hose in diversen deutschen Tarndruck-Ausführungen mit antistatischen Materialeigenschaften und Zubehör Hosenträger und Überwurf in verschiedenen Ausführungen.
- Projekt 8: Kopfbekleidung in diversen Ausführungen für diverse Klimazonen, abgestimmt auf die vorgenannten Projekte; Kopfbedeckung Kälteschutz, Kopfbedeckung tropische Gebiete, z.B. Mütze, Schlauchschal, Krempenhut, Stirnband, Sturmhaube zum Teil in diversen deutschen Tarndruck-Ausführungen mit Vektorenschutz und antistatischen Materialeigenschaften.
- Projekt 9: Handschuhe in diversen Ausführungen für diverse Klimazonen, abgestimmt auf die vorgenannten Projekte; z.B. 5-Finger- und 3-Finger-Handschuhe, Innenhandschuhe zum Teil in deutscher Tarndruck-Ausführung und/ oder uni.
Waldemar Geiger