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Aus 2+2 mach 5 – Schichtsysteme moderner Kampfbekleidung liefern mehr als nur Schutz vor Nässe und Kälte

Waldemar Geiger

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Moderne Kampfbekleidungssysteme sind seit langem mehr als nur klassische Uniformen von Soldatinnen und Soldaten. Moderne Kampfbekleidung trägt dazu bei, ihre Träger vor visueller Aufklärung, Witterung und teilweise sogar gegen Waffenwirkung schützen. Weitere Merkmale sind der Schutz vor Hitze und Flammen, Vektoren (Insekten und Kriechtiere) sowie Witterungseinflüssen wie Kälte und Nässe. Gleichzeitig soll Kampfbekleidung so konzipiert sein, dass sie den Träger in seiner Auftragserfüllung nicht behindert. Tragekomfort und Funktionalität spielen daher ebenfalls eine wesentliche Rolle.

Grundvoraussetzung für die Erfüllung dieses multiplen Forderungskataloges ist ein aufeinander abgestimmtes Schichtsystem. Viele der dafür notwendigen Technologien kommen von dem Materialspezialisten W.L. Gore & Associates. Im Gespräch mit hartpunkt erklärt Thomas Meyer, Key Account Manager Defense Fabrics bei der W.L. Gore & Associates GmbH, die wesentlichen Aspekte, die seiner Meinung nach ein modernes Kampfbekleidungssystem ausmachen und dieses modern halten. „Neben der Betrachtung einzelner Artikel, muss militärische Bekleidung und persönliche Ausrüstung immer als ein System gedacht werden, wo die jeweiligen Schichten modular und funktionell aufeinander abgestimmt sind und somit dem Soldaten ein Optimum an Schutz, Tragekomfort und Bewegungsfreiheit ermöglichen“, sagt Meyer.

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Der Gedanke hinter einem abgestimmten Schichtsystem sei es aus möglichst wenigen Schichten ein extra an „Leistung“ zu erzielen, erklärt Meyer. Mathematisch hieße das aus 2 plus 2 mach 5. Dies ist nicht trivial, wenn man bedenkt, dass sich einzelne Anforderungen an ein Kampfbekleidungssystem teilweise gegenseitig ausschließen. Am einfachsten wird dies laut Meyer am Beispiel des Nässeschutzes deutlich: Nässeschutzbekleidung soll den Träger vor Durchnässung mit anschließender Auskühlung schützen. Damit dies gelingen kann, muss die Kleidung primär Nässe von außen (Regen) abhalten. Gleichzeit ist nichts gewonnen, wenn der Soldat zwar keinen einzigen Regentropfen auf die Haut bekommt, aber gleichzeitig von innen durchnässt, weil die eigene Körperfeuchtigkeit nicht abgeführt werden kann. Beim Thema Flammschutz verhält es sich ähnlich.

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Die Lösung für diese Probleme liegt dem Manager zufolge in einer intelligenten Kombination aus natürlichen Materialien wie Merinowolle mit Hightech-Bekleidungstechnologien wie den Nässeschutzlaminaten von GORE-TEX und die „GORE PYRAD“-Produkttechnologie.

Dabei sei zu beachten, dass nicht jegliche auf dem Markt verfügbare Produkttechnologie und nicht alle Materialien für die Verwendung in Kampfbekleidung geeignet seien, da der militärische Alltag besondere Anforderungen an die Bekleidung stelle. So sind beispielsweise nicht alle Stoffe gleichermaßen für die Bedruckung mit einem Tarndruck geeignet, oder sie erfüllen nicht die Ansprüche bezüglich der Tarneigenschaft im Nahinfrarotbereich. Andere Materialien, beispielsweise aus dem Sport- oder Outdoorbereich, erfüllen zwar viele funktionale Ansprüche, scheitern aber an Punkten wie Widerstandsfähigkeit oder Geräuschniveau.

Prämissen für die zukünftige Kampfbekleidung

Meyers Ausführungen zufolge hat ein modernes Kampfbekleidungssystem folgende drei Prämissen zu erfüllen.

  1. Das Bekleidungssystem muss die bestmögliche Kampfkrafterhaltung der Soldatinnen und Soldaten auch beim Einsatz in nass-kalten Regionen sicherstellen. Damit sind nach aktueller sicherheitspolitischer Lage neben der Arktis insbesondere auch Regionen an der sogenannten NATO-Ostflanke gemeint, deren Klima sich von dem in Mitteleuropa signifikant unterscheidet.
  2. Das Bekleidungssystem darf die Beweglichkeit der Soldatinnen und Soldaten nicht einschränken.
  3. Das Bekleidungssystem muss mehr Schutz vor Hitze und Flammen bieten, wie man anhand der Verletzungsmuster im Ukraine-Krieg sehen kann.

„Um den Kampf in nass-kalten Klimazonen zu gewährleisten, bedarf es in erster Linie einer adäquaten Kälte- und Nässeschutzausstattung. Diese beginnt bei der Unterwäsche, die für den Feuchtigkeitstransport zuständig ist und den Körper im idealen Fall selbst im nassen Zustand erwärmt“, erklärt Meyer. Merinowolle hat sich seiner Aussage zufolge für diese Funktion als Standard etabliert. Die nächste Schicht bildet der Kampfanzug, der durch eine flexible Kälteschutzschicht ergänzt wird. Die Kälteschutzschicht muss flexibel gestaltet sein, dass diese sowohl als äußere Schicht, als auch unter einem funktionalen Nässeschutz getragen werden kann. Um im Einsatz bestehen zu können, müssen die jeweiligen äußeren Schichten neben der Primärfunktion auch gleichzeitig die militärischen Anforderungen an Haltbarkeit bzw. Widerstandsfähigkeit erfüllen. Denn die beste Bekleidung helfe nicht weiter, wenn sie beim ersten Hängenbleiben reiße oder durch sonstige soldatentypische Nutzung verschleiße, betont Meyer. Gleiches gelte für die Faktoren Komptabilität und Passform. Die einzelnen Schichten müssen seiner Aussage zufolge so aufeinander abgestimmt sein, dass sie die jeweilige Funktionalität der unteren Schicht nicht behindern oder gar gänzlich verhindern.

Diese Aspekte im Hinterkopf müssen moderne Kampfbekleidungssysteme auch dem Aspekt der notwendigen Beweglichkeit auf dem modernen Gefechtsfeld Rechnung tragen. Dies beginnt Meyer zufolge mit einem ganzheitlichen Betrachtungsansatz. „Mobilität der gesamten Truppe macht die Beweglichkeit des einzelnen Soldaten erforderlich“, so der ehemalige Fallschirmjägeroffizier. Zur Verdeutlichung führt Meyer das Beispiel einer Infanteriegruppe auf. Moderne Gefechtsfahrzeuge können sich seinen Worten zufolge heute mit hohem Tempo auf dem Gefechtsfeld bewegen. Sei der Punkt zum Absitzen angekommen, dürfe der Absitzvorgang dann nicht durch eine übermäßig schwere oder voluminöse Bekleidung gebremst werden. „Jeder infanteristisch kämpfende Soldat muss hochflexibel und beweglich sein, um im Kampf bestehen zu können“, führt Meyer weiter aus.

Das „GORE-TEX Stretch“-Laminat erlaubt die Kombination aus robustem und atmungsaktiven Hardshell-Material mit Stretch, ohne dass Kompromisse oder Leistungseinbußen bezüglich der Wasserdichtigkeit oder Atmungsaktivität eingegangen werden müssen. Dadurch lassen sich Bekleidungssysteme fertigen, die sowohl die thermische Belastung der Nutzer reduzieren und gleichzeitig eine Beweglichkeit bieten, die eher dem Tragegefühl einer herkömmlichen Einsatzbekleidung als dem eines Nässeschutzes entsprechen. (Bild: W.L. Gore & Associates)

Die Verwendung von elastischen Materialien – über alle Schichten hinweg – mache dies möglich. Ein weiterer Vorteil der Nutzung von elastischen Materialien ist die Möglichkeit von körpernahen Schnitten. „Je enger der Schnitt, desto besser funktioniert das Feuchtigkeitsmanagement“, erläutert der Gore-Experte. „Zudem können so mehrere Bekleidungsschichten besser zusammengesetzt werden.“ Gleichzeitig führen engere Schnitte laut Meyer dazu, dass Material eingespart wird, was wiederum zu Gewichtseinsparungen führt. Körpernahe Schnitte haben auch den Vorteil, dass die Bekleidung besser unter der Körperschutzausstattung getragen werden kann, und die Soldaten weniger Gefahr laufen, an Hindernissen hängen zu bleiben.

Schlussendlich muss moderne Kampfbekleidung auch die Überlebensfähigkeit im Gefecht sicherstellen. Während ballistische Körperschutzausstattung wie Weste und Helm einen großen Teil der letalen Körperzonen vor Splittern und Geschossen schützen sollen, können sie keinen großflächigen Schutz vor Hitze und Flammen bieten. Diese Schutzfunktion müsse durch die Bekleidung gewährleistet werden, unterstreicht der Gore-Experte. „Dieser Schutz wird vorwiegend durch die Verwendung von flammfesten Aramidfasern in den Textilien erreicht.“ Aramide bieten Meyer zufolge zwar ein sehr hohes Schutzniveau, haben aber gewisse Einschränkungen bei der Haltbarkeit und machen die Textilien und Bekleidung schwerer, so dass ein Konflikt im Hinblick auf die ideale Performance entstehe. Genau hier komme die „GORE PYRAD“-Technologie ins Spiel, welche Meyers Ausführung nach einen „sehr guten Kompromiss aus Langlebigkeit, Schutz und Tragekomfort“ darstellt. Gore ist dabei, die zweite Generation der PYRAD-Technologie zu entwickeln, die neben dem Gewicht auch die Luftdurchlässigkeit des Materials verbessert, so dass die Performance der mit der Technologie ausgerüsteten Bekleidung bei bewegungsintensiven Einsätzen verbessert wird.

Einführung und Aktualität moderner Kampfbekleidung

Eine große Herausforderung sieht Meyer beim Thema Beschaffung, Einführung und Versorgung von Kampfbekleidungssystemen in den Streitkräften, die in vielen Nationen nicht mit dem Innovationstempo der Bekleidungsindustrie mithalten können. Selbst Spezialkräfte, welche oftmals als „Innovationslabor“ für die breite Truppe fungieren, schaffen es nicht, am Puls der Zeit zu beschaffen. „Die Kampfbekleidungssysteme von Spezialkräften sind rund 10 Jahre hinter dem technologischen neuesten Stand, in der breiten Truppe sind es etwa 20 Jahre“, beschreibt Meyer den aktuellen Status Quo in den Streitkräften vieler Nationen, darunter auch die Bundeswehr.

Die Entwicklung des aktuell im Zulauf befindlichen Kampfbekleidungssatzes Streitkräfte (KBS-SK) begann 2006, dementsprechend ist auch der technologische Stand einzelner Bekleidungselemente. (Bild: Bundeswehr)

„Man muss Bekleidungsbeschaffung neu denken, wenn man wirklich moderne Kampfbekleidung beschaffen und diese auch über die komplette Nutzungsdauer modern halten will“, führt Meyer weiter aus. „Wenn nicht, wird man über die Zeit immer hinterherlaufen.“ Ein Lösungsansatz könnten dem Gore-Experten zufolge sogenannte Innovationsklauseln in langfristigen Rahmenverträgen bieten, die eine periodische Anpassung der Kampfbekleidungssysteme erlauben würden. „Man könnte beispielsweise alle zwei Jahre prüfen, welche Designelemente, Materialien und Technologien sich bewährt haben und welche durch neuere ausgetauscht werden können. So hätte man Kontinuität in der Entwicklung und Nutzung hergestellt.“ Meyer ist überzeugt davon, dass ein solcher Ansatz dazu führen würde, dass der technologische Rückstand bei der Spezialkräftebekleidung so im Schnitt auf fünf Jahre gesenkt werden könnte, bei der breiten Truppe wären seiner Einschätzung nach zehn Jahre möglich.

Als mögliche Beispiele wie eine Innovationsklausel aussehen könnte, führt Meyer die jüngst erfolgten Kampfbekleidungsbeschaffungsvorhaben DOKS und NCU auf. DOKS steht für Defence Operational Clothing System, damit soll die derzeitige Kampfbekleidung der gesamten niederländischen Streitkräfte und der belgischen Marine ersetzt werden. Im Rahmen des NCU-Vorhabens (Nordic Combat Uniform) führen die Streitkräfte von Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden ein gemeinsames Kampfbekleidungssystem ein. Schnitte und Komponenten bleiben dabei weitgehend gleich, jedoch verwendet jeder Nation ihr eigenes Tarnmuster.

Die ebenfalls in Einführung befindliche NCU der skandinavischen Länder ist in vielen technologisch Aspekten deutlich moderner. (Bilder: MoD Norwegen und Schwedische Offiziervereinigung)

Diese Vorhaben sind im Gegensatz zum aktuell in der Bundeswehr in der Einführung befindlichen Kampfbekleidungssystem Streitkräfte (KBS-SK) auf einem neueren, wenn auch nicht dem neusten technologischen Stand. Die Vorhaben sind Meyer zufolge bezogen auf die Innovations- und Anpassungsfähigkeit beim Design und Auswahl der Materialien deutlich pragmatischer gestaltet. Er gibt jedoch zu bedenken, dass „erst noch die Zeit zeigen muss, ob dies auch in der Praxis umgesetzt werden kann“.

Waldemar Geiger