Der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus Defence and Space hatte vor einigen Wochen die deutschen Behörden über den möglicherweise rechtswidrigen Umgang einzelner Mitarbeiter mit Kundendokumenten informiert, die im Zusammenhang mit Beschaffungsprojekten der Bundeswehr stehen. Wie aus Presseberichten hervorgeht, kündigte das Unternehmen in der Folge 16 in den Vorgang involvierten Personen. Diese Mitarbeiter waren den Angaben zufolge im Besitz von bestimmten Bundeswehr-Dokumenten mit der Einstufung „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ (VS-NfD), wozu sie nicht berechtigt gewesen sein sollen. Mit dieser geringsten von vier Geheimhaltungsstufen versieht die Bundeswehr dem Vernehmen nach sowohl Planungsdokumente als mitunter auch Speisepläne.
Gut informierten Kreisen zufolge sind jetzt weitere Mitarbeiter des Rüstungskonzerns bei den internen Ermittlungen ins Visier geraten. Wie es heißt, soll eine höhere zweistellige Anzahl von Angestellten betroffen sein, deren E-Mail-Postfächer aufgrund eines Anfangsverdachts gesichert wurden. Die E-Mail-Accounts sollen offenbar bei Erhärtung des Verdachts den internen Ermittlern für weitere Untersuchungen zur Verfügung stehen. Gespräche mit einer unbekannten Anzahl der Verdächtigten stehen demnach unmittelbar bevor.
Den Kreisen zufolge ist das Top-Management von Airbus Defence and Space und die Ebene darunter bislang noch nicht von den Untersuchungen betroffen. Trifft dies zu, dann dürfte auch nicht gegen die Leitung des Bereichs Communications, Intelligence and Security ermittelt werden. In diesem Geschäftsfeld waren die Ermittler seinerzeit auf die ersten Verdachtsfälle gestoßen. Einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom September zufolge sollen dort Planungsdokumente für Vorhaben in den Bereichen Satellitenkommunikation sowie Digitalisierung landbasierter Operationen gefunden worden sein.
Ein Airbus-Sprecher lehnte mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen eine Stellungnahme zu den aktuellen Vorgängen ab. Er dementierte lediglich Gerüchte, wonach den jetzt betroffenen Mitarbeitern gekündigt wurde. Dies sei nicht der Fall, sagte er.
In der Airbus-Mitteilung vom September hatte das Unternehmen geschrieben, dass die proaktive Offenlegung der Vorgänge auf eine laufende interne Prüfung mit Unterstützung einer externen Anwaltskanzlei zurückgehe. Das Unternehmen unterstütze die zuständigen Behörden in vollem Umfang bei der Aufklärung der Angelegenheit. Diese Aussage unterstrich auch der CEO von Airbus Defence and Space, Dirk Hoke, am Dienstag vor Journalisten in Manching. Zu dem Zeitpunkt waren die Informationen über die neuen Verdachtsfälle noch nicht durchgesickert. Bislang habe man keine Anhaltspunkte, dass der unrechtmäßige Besitz der eingestuften Dokumente Airbus einen Wettbewerbsvorteil verschafft habe, sagte Hoke. Allerdings laufe das Prüfverfahren weiter.
Als größtes deutsches Rüstungsunternehmen dürfte Airbus pro Jahr vermutlich hunderte, wenn nicht sogar tausende Verträge mit dem Verteidigungsministerium abschließen, die eine große Menge an VS-NfD und höher eingestufte Dokumente umfassen.
Angeblich sollen Teile von VS-NfD-Dokumenten in der Vergangenheit sogar immer wieder in einschlägigen Publikationen fast originalgetreu wiedergegeben worden sein. Das Pikante daran: Insidern zufolge sehen BMVg und Bundeswehr als Leser dem Treiben offenbar seit Jahren zu, ohne die Quelle der Informationen ausfindig machen zu können.
lah/6.11.2019