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Wehrtechnische Digitalisierung und Datenlinks gelten als Schlüsselfaktoren

Der Luftkrieg der Zukunft wird nach Einschätzung von Experten weniger von einzelnen Flugzeugen als vielmehr von einem „System of Systems“ bestimmt. In diesem System sind verschiedene bemannte und unbemannte Flugzeugtypen mit Waffensystemen, Sensoren und Informationsknoten auf dem Boden, in der Luft und im Weltraum verbunden. Für das Funktionieren eines solchen komplexen Netzwerks, das auch den Kern des französisch-deutsch-spanischen Rüstungsvorhabens Future Combat Air System (FCAS) bildet, soll eine so genannte Air Combat Cloud sorgen.

Diese Cloud wird den Planungen zufolge das neue FCAS-Kampflugzeug sowie unbemannte Begleit-Flugzeuge, die Remote Carrier, untereinander und mit weiteren FCAS-Elementen informationstechnisch verknüpfen.  Die industrielle Hauptverantwortung für die FCAS-Cloud liegt bei Airbus Defence and Space (ADS), während Dassault den Lead beim Next Generation Fighter hat.

Ziel einer Cloud-Lösung sei es, der Luftwaffe „die richtigen Informationen zur richtigen Zeit an den richtigen Ort“ zu bringen und damit die Missionseffizienz deutlich zu steigern, beschreibt Airbus seinen Ansatz. Die Architektur soll laut ADS dem Prinzip „Cloud to Edge to Cloud“ folgen. Was wohl heißen soll, dass ein Austausch von Daten aus dem Netzwerk zum einzelnen Einsatzmittel – also etwa zwischen dem Fighter Jet und einem Aufklärungsflugzeug –  und wieder zurück möglich sein soll.

Bei der Paris Air Show in Le Bourget wurde erstmals ein Vorführmodell des Next Generation Fighter vorgestellt. Zusammen mit unbemannten Begleitflugzeugen und einer Combat Cloud bildet es das Next Generation Weapon System (NGWS). Foto: Bundeswehr/Jane Schmidt

Airbus denkt aber schon über FCAS hinaus und entwirft ein Modell, in das andere militärische „Domänen“ wie Land, See, Luft, Weltraum und Cyber-Raum einbezogen werden, wodurch eine Multi Domain Cloud entsteht. In diesem Netzwerkansatz soll eine umfassende Informationsbereitstellung ermöglicht und dadurch Informationsüberlegenheit gegenüber einem Gegner hergestellt werden.  So zumindest die Theorie.

Damit eine zukünftige Cloud-Lösung überhaupt funktionieren kann, müssen nach Einschätzung von Professor Wolfgang Koch vom Fraunhofer FKIE neue optische und Funkwellen-Datenlinks für Anwendungen „Beyond Line of Sight“ und „Line of Sight“ entwickelt werden. Denn für den Wissenschaftler, der sich seit Jahren mit dem Thema befasst und auch der AG Technikverantwortung FCAS angehört, ermöglichen nur robuste und resiliente Datenlinks den Datenaustausch, den er als Startpunkt für die „Collaboration“ in einem „System of Systems“ betrachtet.

Neue Datenlinks erforderlich

Bei den Datenlinks sehen sich die Entwickler allerdings noch einigen Herausforderungen gegenüber.  Denn anders als bei Cloud-Lösungen im zivilen Bereich, bei denen eine fest installierte Infrastruktur mit Rechenzentren, Glasfaserkabeln und Satelliten zur Verfügung steht, sieht dies bei FCAS anders aus. Hier können aufgrund des Operationsgebietes Luftraum keine Kabel gezogen werden –  alle Informationen müssen mittels Funkwellen oder Laser übermittelt werden.

Während die Datenübertragung per Laser Vorteile hinsichtlich der Abhörsicherheit aufweist, könne Wolken, Regen oder Partikel in der Luft die Technologie schnell an ihre Grenze bringen. Im Augenblick befindet sich die Laserübertragung noch in einem technisch frühen Stadium.

Die Nutzung von klassischem Digitalfunk wie etwa beim Link 16 der Luftwaffe ist seit Jahren erprobt und ermöglicht den Nutzern die Erstellung eines einheitlichen Lagebildes. Allerdings haben eingeführte NATO-Links ihre Schwachstellen: So ist die Kommunikation mittels Link 16 leicht aufklärbar und die übertragbaren Datenmengen sind begrenzt.  Für moderne Stealth-Flugzeuge und das Agieren in der Cloud mit einem erhöhten Datendurchsatz also keine ideale Lösung.

Das US-Kampfflugzeug F-35, das konsequent auf Stealth ausgelegt wurde, verwendet deshalb eigens für die Maschine entwickelte digitale Wellenformen und Übertragungshardware. Mit der als Multifunction Advanced Data Link (MADL) bezeichneten Technologie werden laut Hersteller zwischen einer Rotte von bis zu vier F-35-Maschinen hohen Datenübertragungsraten, geringe Latenz und hohe Jamming-Resilienz erreicht. Die über gerichtete Funkwellen übertragenen Signale sollen überdies nur schwer aufzuklären sein. Gegenwärtig scheint MADL allerdings noch in der Reichweite begrenzt zu sein und auch die Integration der Technologie in andere Flugzeugmuster soll Probleme bereiten. Insider gehen jedoch davon aus, dass die europäischen Partner eine vergleichbare Technologie für FCAS entwickeln müssen, wenn das Projekt erfolgreich sein soll.

Damit tatsächlich eine Vielzahl von Akteuren in der Combat Cloud eingebunden werden kann, müssen nach Einschätzung des Fraunhofer-Wissenschaftlers Koch so genannte „Dynamic Network Management Solutions“ entwickelt werden. Ebenso seien neuartige Missionscomputer mit der Fähigkeit der Adaption von Cloud-Computing-Standards erforderlich. Koch sieht überdies einen Bedarf für Applikationen, die auf Microservices basieren und plattform-agnostisch von „Cloud to Edge“ funktionieren.

Herausforderungen

Aus den technischen Erfordernissen ergeben sich nach Einschätzung des Wissenschaftlers weitere Herausforderungen. So müsse eine End-to-End Architecture entwickelt werden, die nach dem Muster des Prinzips „Cloud to Edge to Cloud” funktioniere, sagt Koch. Um ein „Internet of Military Things“ zu realisieren, sei außerdem der Aufbau eines Kommunikationslayers erforderlich, der alle Plattformen vernetze.

Bei der für FCAS vorgesehenen Air Combat Cloud besteht eine zusätzliche Herausforderung darin, alte Systeme in die Cloud zu integrieren. Denn die Luftwaffen der drei beteiligten Staaten Frankreich, Deutschland und Spanien werden auch nach Einführung von FCAS ältere Flugzeuge wie den Eurofighter und die Rafale in unterschiedlichen Versionen weiter nutzen. Erforderlich ist es überdies, auch US-Flugzeugmuster einzubinden –  schließlich will man im Rahmen der NATO operieren.  Dies erfordert offene Systemarchitekturen und Application Programming Interfaces (APIs).

Kooperation innerhalb der gesamten Streitkräfte

Nicht nur die Luftwaffe, auch die Deutsche Marine und die Landstreitkräfte wollen Cloud-Lösungen im Bereich Führung und Waffeneinsatz etablieren. Nach Einschätzung des Fraunhofer-Spezialisten Koch könnten diese beiden Teilstreitkräfte ihre Ansätze womöglich mit einer Air Combat Cloud zu einer Multi-Domain Collaborative Combat Cloud verbinden. Ein Vorteil dieses Ansatzes läge darin, dass die Missionseffizienz weiter erhöht würde, weil zusätzliche Sensoren, besseres Informationsmanagement und damit die Verbindung „Sensor-to-Shooter“ verfeinert werden könnte. Koch sieht eine übergreifende Gesamtarchitektur als Schlüssel für das Gelingen eines solchen Ansatzes. Dazu ist allerdings eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung insbesondere in der Frühphase der Architektur-Gestaltung dringend notwendig, wie er betont. Nach Aussage von Airbus befinden sich Domänen-übergreifende Arbeitsgruppen zwischen der Bundeswehr und der Industrie bereits in der Anlaufphase. FCAS fungiert hier offenbar als Blaupause.

Deutschland bringt Fähigkeiten mit

Insider sehen Deutschland für die Umsetzung einer Combat Cloud als durchaus gut positioniert, da hierzulande seit vielen Jahren in enger Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand und der nationalen Industrie Grundlagenforschung betrieben wird. „Wir haben die Technologieführerschaft in vielen Teilbereichen in Europa“, sagt Koch. Er verweist auf wesentliche deutsche Forschungsbeiträge zur Entwicklung Künstlicher Intelligenz, die auch bei FCAS und der Cloud eine wichtige Rolle spielen soll. Neben der Fraunhofer-Gesellschaft und Airbus dürften vermutlich auch Unternehmen wie Hensoldt, Diehl oder Rohde & Schwarz wesentliche Beiträge leisten. Zwar sind einige Basistechnologien bereits heute verfügbar, diese müssen aber noch an militärische Sicherheitserfordernisse angepasst werden. In anderen Bereichen ist dagegen offenbar noch eine umfassende Grundlagenforschung und Technologiematurierung erforderlich.

Der Lead bei der Air Combat Cloud von FCAS biete Deutschland eine große Chance, den Aufbau von Schlüsseltechnologie voranzutreiben und einen wichtigen Beitrag zum Aufbau einer nationalen und europäischen Digital-Souveränität zu leisten, ist Fraunhofer-Forscher Koch überzeugt.  Darüber hinaus sieht er Spill-Over-Potenziale von der militärischen Forschung in zivile & kommerzielle Anwendungen – etwa bei sicherheitsrelevanter IT-Hardware und Kommunikationstechnologie.

Er weist darauf hin, dass die nationale Forschung bereits seit vielen Jahren in „guter Kollaboration“ mit den europäischen Partnern läuft. Durch FCAS erfolge nun eine immer engere internationale Abstimmung mit Frankreich und Spanien zur Schaffung von relevanten Standards und der Einbringung dieser Standards in den EU- und NATO-Kontext. Eine weitere Maturierung der Technologie sei offenbar über den Europäischen Verteidigungsfonds (EDF) vorgesehen, der ebenfalls großen Wert auf die Einbindung von Partnern legt.

Entwicklungsplan bereits erarbeitet

Dem Vernehmen nach wurden bereits detaillierte Technologie-Roadmaps für FCAS erarbeitet –  in Zusammenarbeit der deutschen Forschungslandschaft mit der Industrie und dem nationalen Auftraggeber. Außerdem soll ein inkrementeller Entwicklungs- und Demonstrationsplan mit einer Erstdemonstration im Jahr 2024 im Rahmen der „FCAS Combat Cloud Phase 1B“ existieren. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion „Die Linke“ hervorgeht, wurde überdies ein Proof-of-Concept unter Laborbedingungen für erste initiale administrative Cloud-Funktionalitäten im Hinblick auf eine robuste IT-Architektur unter Open Source Hardware entwickelt. Und auch bei der Verwendung Künstlicher Intelligenz wurden der Bundesregierung zufolge erste Basis-Algorithmen zur Erkennung von Radarsensordaten aus Rohdaten erstellt. Aber dies ist nur eins von vielen Beispielen und sehr auf Sensorik fokussiert. Relevanter für die zukünftige Cloud dürfte etwa die vollautomatische Planung, Umplanung und Kollaboration von immer größer werdenden Schwärmen von Fluggeräten im Systemverbund sein, die im Labor bereits gezeigt werden konnten.
lah/17.5.2021

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