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Ukraine meldet Bedarf für 812 zusätzliche Vector-Aufklärungsdrohnen

Waldemar Geiger

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Die ukrainischen Streitkräfte haben bei der Bundesrepublik Deutschland einen Bedarf von 812 zusätzlichen Aufklärungsdrohnen des Typs Vector des deutschen Herstellers Quantum Systems angemeldet. Wie das Nachrichtenmagazin Spiegel in einem Beitrag vom 15. November schreibt, wurde der Bedarf an solchen Drohnen offenbar schon vor Monaten formuliert, aber bis dato nicht positiv beschieden, da die für 2024 vorgesehenen Finanzmittel der deutschen Ukraine-Hilfe bereits im Sommer aufgebraucht waren. Konkret geht es bei diesem speziellen Fall dem Spiegel-Beitrag zufolge wohl um einen Finanzbedarf von 153 Millionen Euro. Offenbar wurde auch Außenministerin Annalena Baerbock bei ihrem jüngsten Ukraine-Besuch vor rund einer Woche auf diesen Bedarf angesprochen.

Ein Vertreter von Quantum Systems bestätigte gegenüber hartpunkt, dass ein aktueller Bedarf der ukrainischen Streitkräfte nach zusätzlichen Vector-Aufklärungsdrohnen besteht. Details zu Stückzahlen oder Kosten wollte er jedoch nicht kommentieren.

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Taktische Aufklärungsdrohnen leisten einen wichtigen Beitrag im Ukraine-Krieg. Beide Kriegsparteien nutzen solche Systeme zur klassischen luftgestützten Aufklärung sowie in einem kombinierten Einsatz mit luftgestützten Wirkmitteln wie FPV-Drohnen oder Loitering Munition. Dabei übernehmen die Aufklärungsdrohnen aufgrund ihrer höheren Stehzeit oder besseren Sensorik die Aufgabe der Zielaufklärung sowie des anschließenden Battle Damage Assessment. Technische Abnutzung durch Gebrauch der Systeme im Kriegseinsatz, Elektronischer Kampf, Abschüsse, Bedienerfehler sowie Bekämpfung der Drohnentrupps am Boden führen immer wieder dazu, dass Drohnen beschädigt werden oder komplett verloren gehen. Zudem sorgen schnelle Innovationszyklen dazu, dass eine stetige Nachfrage nach neuen Systemen besteht, was wohl auch den Bedarf der Ukraine erklärt.

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Vector

Bei der Vector handelt es sich um eine taktische „eVTOL fixed-wing“-Aufklärungsdrohne mit einer Fähigkeit senkrecht starten und landen zu können. Seit der Markteinführung im Jahr 2020 wurde das System stetig weiterentwickelt – nicht zuletzt aufgrund von Erfahrungen, die im Ukraine-Krieg gesammelt wurden. 

Die Bundesregierung hat Quantum Systems (QS) beauftragt, mehrere hundert dieser Systeme an die ukrainischen Streitkräfte zu liefern. Stand Mitte Oktober 2024 wurden nach Angaben der Bundesregierung rund 350 dieser durch Deutschland finanzierten Aufklärungsdrohnen an die Ukraine übergeben. Gemäß der veröffentlichten Liste der Bundesregierung (Stand 17. Oktober 2024) stehen 127 weitere Systeme zur Lieferung an.

Bei einer Spannweite von 2,80 m beträgt das maximale Abfluggewicht 8,5 kg. Die drei Hubtriebwerke werden elektrisch angetrieben. Für den Übergang in den Horizontalflug werden die Triebwerke um 90 Grad nach vorn geschwenkt. Den Marschflug übernimmt allein das Hecktriebwerk. Damit erreicht der Vector eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h und je nach verwendeter Batterie eine Flugzeit bis 180 Minuten. Die Aufklärungstiefe der Drohne soll Herstellerangaben zufolge abhängig von der genutzten Kommunikationstechnik bis zu 50 km betragen. Als Optronik-Paket kommt Quantum Systems zufolge ein Sensor vom Typ Raptor (8x IR, EO 40x Zoom + 2x digital + Laseroption) zum Einsatz.

Zudem hat das Unternehmen eine KI-Navigationssensorik entwickelt, welche es der Drohe ermöglicht, bei Tag, Nacht und schlechter Sicht sowie ohne jeglichen Empfang von Navigationssignalen punktgenau zu navigieren, hartpunkt berichtete. Das als „Receptor AI“ bezeichnete KI-Sensor Upgrade basiert Quantum Systems zufolge auf einem Nvidia-Chip Jetson Orin und mehreren Sensoren für die Vector-Aufklärungsdrohne. Neben der GNSS-unabhängigen Navigation soll Receptor AI auch eine automatisierte KI-gestützte Objekterkennung und –Identifikation ermöglichen. Die Funktionalität hinter Receptor AI basiert auf einer infrarotgestützten visuellen Navigation. Damit sind QS zufolge auch autonome Nacht- und Schlechtwetterflüge möglich.

Produktion in Deutschland und der Ukraine

Neben dem Produktionsstandort im bayerischen Gilching hat der deutsche Drohnenspezialist bereits im April 2024 ein Werk in der Ukraine eröffnet. Dafür hatte das Unternehmen eigenen Angaben zufolge rund sechs Millionen Euro investiert und im Zuge der Eröffnung ein Anwachsen der Belegschaft bis Jahresende auf 100 Mitarbeiter angekündigt. Durch diese Maßnahme erhofft sich das Unternehmen nicht nur eine Kapazitätssteigerung auf jährlich 1.000 Drohnen, sondern auch eine gesicherte Versorgung der sukzessive ansteigenden Ersatzteilnachfrage.

Quantum Systems zufolge stellt das Engagement des Unternehmens in der Ukraine bezogen auf die Tiefe (Service, Fertigung und Entwicklung) ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland dar. Das bayerische Unternehmen ist seit dem ersten Kriegsjahr in der Ukraine engagiert und lieferte bereits im August 2022 das erste Los von 33 Aufklärungsdrohnen des Typs Vector.

Bereits in der frühen Phase des Konfliktes zeigte sich, dass die sowohl in Bezug auf Hard- als auch Software überaus flexible und offene Systemarchitektur der Vector-Drohne eine schnelle Anpassung an die sich stetig verändernden Rahmenbedingungen und Bedrohungen ermöglicht und so trotz sehr kurzer Technologiezyklen zum Erhalt des Gefechtswertes beiträgt. Die für die ständige Weiterentwicklung des Vector-Systems benötigten Daten und Nutzerfeedback erhält Quantum Systems unter anderem durch das bereits seit längerer Zeit in der Ukraine betriebene Service-, Support-, Trainings- und Logistikzentrum mit 25 einheimischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese bilden laut dem Unternehmen Drohnenpiloten aus und implementieren technologische Weiterentwicklungen direkt vor Ort in die unbemannten Aufklärungssysteme.

Vector in der Bundeswehr

Auch die Bundeswehr hat sich entschieden, die Vector-Aufklärungsdrohne zu beschaffen. Erste für die Spezialkräfte der Bundeswehr vorgesehene Systeme sollen in Kürze im Rahmen des Vorhabens „ferngeführte Aufklärungssystem, luftgestützt, kurze Entfernung“ (FALKE) in die Truppe eingeführt werden.

Quantum Systems wurde im September 2023 vom Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw mit der Herstellung und Lieferung von insgesamt 14 FALKE-Systemen – bestehend aus einer Kontrolleinheit und einer Vector-Drohne – an das Kommando Spezialkräfte beauftragt. Den Angaben des BAAINBw zufolge soll das eigenständig einsetzbare System zur präzisen Aufklärung über eine Entfernung von bis zu 30 km genutzt werden und einen integrierten Kombisensor mit optischer und Infrarotkamera verfügen.

Zudem plant das Heer die Systeme im Rahmen einer Nutzerkreiserweiterung in die Verbände der Heeresaufklärungstruppe zu bringen, hartpunkt berichtete. Wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums gegenüber hartpunkt bereits im Oktober bestätigte, werden weitere FALKE-Systeme beschafft, dies soll im Rahmen eines Änderungsvertrages des bestehenden FALKE-Vertrages erfolgen.

Quantum Systems zufolge wird die Bundeswehr über das FALKE-Vorhaben direkt von den in der Ukraine gesammelten Erkenntnissen profitieren, da diese maßgeblich in die Entwicklung des FALKE eingeflossen sind und auch zukünftig in die Weiterentwicklung einfließen werden.

Waldemar Geiger